NORDHESSEN. In diesen Stunden und Tagen gibt es Millionen von Russland-Kennern. Ich zähle übrigens nicht dazu. Was mich allerdings beschäftigt, sind Emotionen und Reaktionen. Ich frage mich schon seit Wochen, was passiert wäre oder passieren würde, hätte niemand auf Putins Manöver reagiert? Ob Putin etwa gar nicht gewusst haben könnte, dass die Amerikaner Satelliten haben? Bei der Frage müssen wir vermutlich alle grinsen.
Er hat seine Panzer und Militärfahrzeuge nicht etwa in Fabrikhallen versteckt, sondern so offensichtlich entlang der ukrainischen Grenze aufgestellt, dass jeder sie sehen konnte. Dann kommt der „Westen“ und erklärt voller Stolz: Wir haben Panzer entdeckt!“. Könnte es sein, dass Putin zu dem Zeitpunkt bereits geschmunzelt hat, „Naja war ja auch nicht schwer! Hat schon mal geklappt!“ Der erfahrene Geheimdienstler könnte auch gewusst haben, was EU und Amerika tun werden. Dass sie nicht ebenfalls Panzer an der ukrainischen Grenze auffahren, davon durfte er absolut sicher ausgehen. Und ich würde eine Menge darauf wetten, dass er seine eigenen Panzer bei einer vollständigen Einnahme der Ukraine auch gar nicht brauchen würde. Donald Trump hat sie im Radio zur größten Friedensarmee erklärt. Auch eine Sichtweise… Findet Gerhard Schröder genauso?
Wie erfolgreich Putins Hacker sein können, hat er mehrfach bewiesen und es würde völlig irritieren, wenn er nicht per Knopfdruck die gesamte Energieversorgung, Kommunikation und Verkehrswege in der Ukraine lahmlegen könnte. Wozu Panzer?
Wir sind in der heutigen Zeit vielleicht gewohnt, dass wir nur noch Aufmerksamkeit erregen können, wenn wir Dinge tun, mit denen wir andere erschrecken und erzürnen. Schließlich haben wir als Kinder schon gelernt, um gegenüber den Eltern etwas durchzusetzen, Eskalationsstufen einzusetzen. Das führen wir später fort, wenn wir in einer Beziehung sind. Und dann kommen wir mit Drohungen, Beschimpfungen und erklären dabei bereitwillig, dass wir in einer Opferrolle sind, die wir auf diese Weise akzeptieren und irgendwie verpasst haben, erwachsen zu werden.
Wenn jemand vor mir steht, mich mit hochroter Birne anschnauzt, fühle ich mich inzwischen gar nicht mehr angesprochen. Ich denke immer, der meint entweder seine Eltern oder ist wütend auf sich selbst. Mich kann er nicht meinen. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich? Also, wer von Ihnen empfindet, wenn er mit Drohungen überzogen wird, sofort das Gefühl auf die Knie fallen und sich entschuldigen zu müssen?
Doch so Wenige! Bei vielen Menschen provoziert es entweder die deckungsgleiche Gegenreaktion oder zumindest Verachtung: „Mit dem rede ich nicht mehr!“ oder „A….!“ Warum glauben wir, dass das in der Politik vollkommen gegenläufige Reaktion hervorrufen könnte? Weil Politiker vernünftigere Menschen sind? Weil sie leichter anerkennen, dass andere mehr über die Wahrheit wissen? Ach! Ich fürchte, genau dort ist das krasse Gegenteil der Fall! Die einzige Wahrheit, die wir kennen, ist ohnehin die, dass wir irgendwann diese Welt verlassen werden. Alles andere ist beeinflusst durch die vielen „Filter“, die wir durchschauen müssten. Wir verwechseln aber gerne Wirklichkeit mit Wahrheit.
Die Wirklichkeit ist, dass es so ist, wie es ist. Wenn Herr Putin tun will, was er sagt, dann wird er es ohnehin machen. Ob wir uns darüber aufregen oder nicht. Egal, wie wir reagieren, das Ergebnis wird immer das Gleiche sein! Warum stets in die gleiche Falle tappen? Das ist doof, aber wohl die Wirklichkeit…
Es fällt mir schwer mit Empörungen klarzukommen, die immer wieder bewusst „angewendet“ werden. Empörung kommt stets von oben herab. Der Begriff Empore steckt im Wort schon drin. Gerne werden Sanktionen verhängt, obwohl jeder weiß, dass sie nie funktionieren und in der Historie auch nie funktioniert haben. Wir könnten in die deutsche Geschichte zurückzublicken. Die „Sanktionen“ nach dem Ersten Weltkrieg haben keinen Zweiten Weltkrieg verhindert. Aber die Sprache und die Konsequenzen haben die deutsche Seele zumindest so getroffen, dass es für einen macht- und selbstverliebten Autokraten rhetorisch möglich war, dies so weit auszunutzen, um ein Drittel des Volkes hinter sich zu scharen. Mehr waren es nicht, aber das hat bekanntlich gereicht, um die ganze Welt in Brand zu stecken. Die Sanktionen gegen Serbien haben den Zerfall Jugoslawiens nicht gestoppt, Sanktionen gegen Nordkorea funktionieren seit Jahrzehnten nicht, obwohl das Land faktisch abgeriegelt ist, und Sanktionen gegen den Iran haben keinen Millimeter an dessen Atompolitik verändert, … Die Liste wäre endlos.
Ich weiß auch überhaupt nicht, was Sanktionen gegen Putin bewirken sollen, wenn alle weiterhin Gas und Öl kaufen, also die Haupteinnahmequelle Russlands nicht antasten. Weil wir sowieso den Preis zahlen müssen, den Herr Putin festlegt, kann er sich die Kosten der Sanktionen selbst zurückholen. Ob Nordstream 2 kommt oder nicht, ändert nichts. Durch diese Leitung ist noch kein Kubikmeter Gas geströmt. Wir verlieren also nichts und Russland höchstens sein letztes Druckmittel gegen die Ukraine. Seit gestern benötigt es selbst das nicht mehr.
Kennen Sie eigentlich den Vornamen von Putin? Wladimir Wladimirowitsch! Den schreiben wir selten. Joe Biden sagen wir, Olaf Scholz, aber Wladimir Wladimirowitsch Putin? Im Grunde beginnt dabei sprachlich bereits eine Herabsetzung. Wenn wir wollen, dass das russische Volk zusammenrückt und seinen Präsidenten stützt, dann sollten wir weiterhin lautstark und aggressiv gegen Wladimir Wladimirowitsch Putin wettern. Ich vermute, dass Psychologie-Studenten in den ersten Semestern lernen, welche Wirkungen das hat. Auch im Wort Entrüstung steckt ein tieferer Sinn. Da gibt wortwörtlich jemand seine Rüstung auf, also seinen Schutz. In der Boxsprache würde man sagen, er lässt die Deckung fallen. Kein Boxer, der erfolgreich war, hat jemals so geboxt. Interessanter Weise verlieren auch stets die Boxer, die emotionsgeladen erst mal drauf loshauen und alle ihre Kraft versemmeln, bis dem Gegner ein paar gezielte und einfache Schläge für ein KO ausreichen. Warum also sind wir so oft freiwillig „entrüstet“?
Journalisten-Kollegen – vor allem im Fernsehen – fragen sich immer wieder, kann Putin sich das leisten? Na klar kann er das! Wenn er es nicht könnte, dann würde er es nicht machen! Wenn jemand Kosten einschätzen kann, dann Wladimir Wladimirowitsch Putin. Ich vermute, er ist bei allem, was er tut, immer von den schlimmsten Sanktionen ausgegangen. Schon der römische Feldherr Cato hat 195 vor Christus gewusst: „Der Krieg ernährt sich selbst!“
Ich ahne natürlich, dass auf meinen Rat niemand hören wird, schon deshalb, weil ihn außerhalb Nordhessens niemand lesen wird. Trotzdem fände ich es gut, wenn Politik grundsätzlich souveräner agieren würde. Vielleicht ist das in dieser Zeit mit – im Grunde schlecht bezahlten – Politikern, die pausenlos darum kämpfen müssen wiedergewählt zu werden, in dieser Form nicht mehr machbar? Aber zu akzeptieren, dass jemand tut, was er tun will, ihm aber einfach, unaufgeregt und sachlich den Preis dafür zu nennen, würde vielleicht viel mehr erreichen. Also nicht von oben herab, sondern wie ein Kaufmann sagend, o. k. das kannst Du machen, aber es hat genau diesen Preis! Und dann heißt das, nicht mit Strafe drohen, sondern tatsächlich so konsequent sein. die eigenen Werte zu achten, zu denen es dann gehört, bei Menschen, die sie missachten, kein Gas mehr zu kaufen. Den Preis kassieren. Teurer wird‘s sowieso, das Ergebnis dürfte auch hier das gleiche sein! Jetzt bestimmt Russland den Preis und der ist: Ihr entmilitarisiert die Ukraine, sonst machen wir das.
Wladimir Wladimirowitsch Putin hat übrigens dafür gesorgt, dass die russische Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt wesentlich geringer ist und die Goldreserven höher sind, als in Amerika oder Europa. Wenn er jetzt Schulden machen muss, fällt ihm das deutlich leichter als uns, die wir in der Corona-Krise den Spielraum weitgehend ausgenutzt haben. Und er wird in China einen Partner finden, in dem wenige die Ukraine kennen und wenn, dann höchstens fragen, warum sie nicht mehr Teil der UdSSR ist.
Ihr
Rainer Sander
7 Kommentare
Jetz werden auch millionen flüchtlinge aus Ukraine kommen und das Sozialsystem in Deutschland wird zusamnenbrechen
was ist mit den ganzen Russen die hier leben? ich habe gelesen, das diese Putin für sein Vorgehen loben und hinter ihm stehen.
was machen wir, wenn die meinen hier Krawall machen zu müssen? Das halte ich für ein mögliches Zenario!
Viele der Russen und der Aussiedler haben eh schon sehr zwiespältiges Verhältnis zur Demokratie. Die AfD speist ihre Zustimmung auch aus diesem Klientel. Daher auch die Nähe zu Moskau, die durch RT Russian Today, sich täglich informieren bzw informiert haben, dabei geht ihnen die Berieselung durch Propaganda ins Hirn, neben den Nachrichten aus der „Heimat“. Man kann weder die „Neonazis“ noch die „Kommunisten“ auch manche „SPD“ Politiker verstehen, dass sie sich so für Putin rechtfertigen. Wenn man sieht wie armselig die russische Bevölkerung leben muss, weil der russische Staat lieber die größte Armee der Welt unterhält, als die Menschen am Reichtum des Landes partizipieren lässt.
Das unsere Politik Putin hat immer gewähren ließen, zeig wie falsch sie lagen. Jetzt müssen die Ukrainer als Erste, die Folgen des Größenwahns eines Despoten spüren.
Ja, die sind pro-Putin. Und wenn Jemand pro-Putin ist, müsste er gegen unsere freiheitliche demokratische Werte mit Selbstbestimmungsrecht sein. Hass und Gewalt ist die Attitüde von vielen Russen, ich erinnere mich zu gut an die Zeit, als der eiserne Vorhang fiel und die Russen hier her kamen und sehr oft versucht haben, sich mit Gewalt Respekt zu verschaffen, auf Kirmessen, in Kneipen, etc. Ich überlege mir, wie ich mich verhalten würde, wenn ich in ein anderes Land gehen würde. Ich würde mit Respekt und Demut dankbar sein, das ich dort aufgenommen werden würde. Gewalt und Hass ist die Attitüde vieler Russen, ständig kocht das Blut….usw. Und was Putin betrifft denke ich, dass dieser geisteskrank ist.
Dja, Roman,
wer war denn vor dem Westen in Afghanistan und ist ebenso gescheitert?
Der Westen hat in Afghanistan gescheitert und hier wird es auch scheitern
aber zuerst scheiterten die Russen kläglich, bevor der „Westen“ dem gleichen Schicksal erlag
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