GRÜNE „Poblembastelstunde“ in Stadtverordnetenversammlung
BAUNATAL. Als die Stadtbücherei im Rathaus umgebaut und energetisch saniert wurde, hat die Wilfried Lorenz GmbH & Co. KG den erteilten Auftrag für die Trockenbauarbeiten aus Sicht des Magistrats zu langsam und mangelhaft ausgeführt. Deshalb wurde der Firma gekündigt und die Firma Okel mit den Arbeiten beauftragt.
Nach erfolglosen Bemühungen um eine außergerichtliche Lösung, reichte die Firma Lorenz im Frühjahr 2016 Klage ein. Nach fünf Jahren und sieben Monaten wurde nun der Rechtsstreit mit Zustellung des Vergleichsbeschlusses am 15.12.2021 beendet. Dieser war auch auf Zuraten des Anwaltes der Stadt Baunatal zustande gekommen. Er sollte weitere Verfahrens-Kosten verhindern.
Der Vergleichsbeschluss sagt unter anderem: „die Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 64.300,80 €uro binnen zwei Wochen ab Rechtskraft des Vergleiches zu bezahlen.“ Mit Annahme des Vergleiches besteht Rechtspflicht, auch zu bezahlen, aber über diese sogenannte außerplanmäßige Ausgabe mussten die Stadtverordneten in Baunatal am Montagabend entscheiden, weil der Betrag selbstverständlich nicht im Haushalt steht.
(Zwei) GRÜNE würden Zahlungsverpflichtung lieber nicht nachkommen
- Lothar Rost (B90/GRÜNE) erläuterte seine Sicht zu rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen: Trockenbau sei mangelhaft und die Stadt könne jetzt keine Kosten übernehmen. Er kann dem Schaden für die Stadt nicht zustimmen.
- Sebastian Stüssel (CDU) versuchte zu erklären, dass die Zahlung unausweichlich sei und es nur um die Bewilligung einer überplanmäßigen Auszahlung gehe. „Wir haben nicht darüber zu befinden, ob das Verfahren gut und gerecht ist.“ Der Magistrat habe das Prozessrisiko abgewogen und dem Vergleich zugestimmt. „Niemand findet das gut! Aber die Bewertung liegt beim Gericht.“ Zukünftig müsse man Prozessrisiken vorher besser prüfen. „Wenn wir die Auszahlung nicht genehmigen, begehen wir einen Rechtsbruch, weil wir den Vergleich nicht erfüllen!“ Und direkt an Lothar Rost: „Wir können nicht die Waschmaschine aufmachen und alles noch einmal reinwerfen.“
- Dr. Reiner Oswald (FDP) brachte den Spagat auf den Punkt: „Das Bauchgefühl ist klar, das Geld würden wir nicht ausgeben. Das tut alles weh, zukünftig kommt es auf bessere Prozesssteuerung an.“
- Udo Rodenberg (SPD) findet es ärgerlich, auch das falsche Einschätzungen unterwegs waren, aber ein besserer Ausgang war nicht erwartbar, das habe der eigene Anwalt erklärt. Unterm Strich bleibt: eine Firma hat nicht so gearbeitet wie erwartet.
Borschel beruhigt: Parlament wird auch ohne GRÜNE zustimmen!
- Edmund Borschel (B90/GRÜNE) freut sich, dass Parteifreund Lothar Rost mit 3 präzisen Hinweisen eine Diskussion in Gang gebracht habe. Der Magistrat entscheidet hinter verschlossenen Türen. Bei der Angelegenheit habe es ein komplettes Organversagen gegeben. Auch die Verwaltung sei bei Ausschreibungen beteiligt. Es geht jetzt nicht um die Mittelbereitstellung. Er wisse nicht, ob eine nicht erfüllte Zahlungsverpflichtung ein Rechtsbruch wäre. Die GRÜNEN wollen die Gelder nicht bereitstellen, sie wissen aber, dass es auch ohne sie eine Mehrheit geben wird…
- Stadtverordnetenvorsteher Rainer Heine (SPD) beruhigt: „Keiner will GRÜNE zwingen!“
- Andreas Mock (CDU) findet, es hört sich gut an, dass die GRÜNEN das Geld zusammenhalten. Klar sei der Vergleich ärgerlich. „Was wäre, wenn wir des ablehnen?“ Dann müsste die Verwaltung überlegen, was man macht. Was wäre denn die Lösung der GRÜNEN? Dann müssten wir weiter prozessieren und dann wird es noch teurer. Wir haben alles richtig gemacht und trotzdem geht das Gericht von einem Anspruch der Trockenbaufirma aus.“ Im Parlament sitzen keine Profis, ehrenamtliche Stadtverordnete seien auf Experten-Kompetenz angewiesen.
Strube (SPD): „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ in einer Partei
- Christian Strube (SPD) wundert sich grundsätzlich über die GRÜNE Parlamentsarbeit: beide Fraktionssprecher regen unterschiedliches an und in der Abstimmung gibt es dann „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“. Die Bücherei sei anerkannt. Was ist das Ziel, will er wissen. „Welches Organ hat versagt? Sollen wir die Bücherei wieder schließen?“
- Edmund Borschel (B90/GRÜNE) gibt sich gelassen: „lasst es doch einfach so stehen. Das Kind ist vorher in den Brunnen gefallen…“
- Sebastian Stüssel (CDU) ist überrascht über Edmund Borschel: „Immer, wenn ich glaube, es kann nicht schlimmer kommen, fängst Du an zu reden. Es ist unseriös, keine einheitliche Meinung zu äußern und sich darauf zu verlassen, dass die Mehrheit richtig abstimmt!“
- Auch Udo Rodenberg (SPD) erkennt: die GRÜNEN verlassen sich darauf, dass die anderen Parteien richtig handeln. Den GRÜNEN fehlt die Bereitschaft, ein Thema vom Tisch zu bekommen, was dann noch teurer wird! Es gehe ums Prinzip, ohne Lösungsvorschlag!
Heine: „Vor Pfusch am Bau ist niemand sicher!“ – Gerichtsvollzieher abgewendet
- Stadtverordnetenvorsteher Rainer Heine (SPD) fasste die Ursache für das Problem mit einem simplen Satz zusammen: „Vor Pfusch am Bau ist niemand sicher!“
So humorvoll, kurzweilig und schön kann Demokratie sein. In Baunatal gibt es jetzt nicht nur Impfverweigerer, sondern auch Zahlungsverweigerer. Wenn es keine echten Populisten gibt, dann müssen Demokraten auch mal in die Bresche springen. Und trotzdem wird der Gerichtsvollzieher nicht ins Rathaus kommen, weil die Mehrheit im Parlament ein Ignorieren des Gerichts nicht zugelassen hat.
Lothar Rost und Edmund Borschel (B90/GRÜNE) stimmten als einzige dagegen, alle anderen GRÜNEN und auch alle anderen Stadtverordneten stimmten dafür, der gerichtlichen Zahlungsaufforderung nachzukommen. (Rainer Sander)
3 Kommentare
Im Trockenbau gibt es keine Meisterpflicht, um bei den GRÜNEN die Partei zu führen, braucht es nicht mal einen Abschluss. Daher sollten die Grünen etwas Nachsicht haben. Man stelle sich eine Rigipswand vor, die nur von Grünenpolitikern errichtet wird, die ist durchsichtig, weil man mit Quatschen keine Schraube in die Wand treibt.
Das ist je total daneben, es gibt in jeder Partei Spitzenleute, die keinen Berufsabschluss oder nur einfache Bildungsabschlüsse haben und trotzdem mehr Fachwissen mitbringen als manch Studierter. In so mancher Stadtverordnetensitzung geht es oft nur nach ideologischen Gesichtspunkten, da werden oft Ideen wider besseren Wissens verworfen, nur weil man etwas nicht will, obwohl Fachleute unter den Mitgliedern der Fraktionen sitzen, die es eigentlich wissen und täglich im eigenen Betrieb so arbeiten.
Das geballte Fachwissen bekommen wir ja jeden Tag präsentiert. Ich stimme zu, das ist auch Partei übergreifend der Fall.
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