SCHWALMSTADT. Ich weiß, sie wollen es auch wissen! 😉 Ich schaue „Tagesschau“, schaue „heute“, wechsele zu „RTL aktuell“, zappe zur „Welt“, zu „Newstime“ bei Pro7, lande bei n-tv, verweile bei Phoenix und überall wird gefragt, wer der neue Gesundheitsminister:in sein wird. Und wie so oft, wenn etwas immer wieder gefragt wird, dann stelle ich mir die „Gegenfrage“: will ich das wirklich wissen?
Nein, will ich nicht! Ich benötige überhaupt keinen Gesundheitsminister. Schon deshalb nicht, weil diesen Job jetzt niemand machen wird, der sich darauf freut! Was passiert, wenn Menschen ihre Arbeit nicht gern tun, das erleben wir jeden Tag um uns herum und vielleicht an uns selbst. Alle im Bundestag möchten Karriere machen und wer sich um diesen Job bemüht, weiß zu 90 Prozent, dass er nicht den Start, sondern das Ende seiner Karriere markiert. Wer macht das, ohne suizidal zu sein?
Im Gesundheitsministerium arbeiten viele Menschen, die wissen, was sie tun und die mit ihren verschiedenen Ministern schon so manche Tiefen und auch Höhen durchschritten haben. Jetzt gerade ist nicht eine einzelne Person gefragt, sondern ein Team. Wer einen Sündenbock benötigt, wie Jens Spahn, soll einen benennen. Eine Regierung, die die anstehenden Aufgaben bewältigen will, verzichtet vielleicht für ein paar Monate auf diese Position. Alles, was die Pandemie nicht braucht, ist ein Gesicht!
Obwohl wir dem Virus unterstellen können, dass es nicht besonders intelligent ist, denn es hat kein Gehirn, so verhält es sich doch ausgesprochen geschickt. Nie zuvor waren wir so oft an unseren Grenzen und mussten welche überschreiten, wie in den letzten zwei Jahren. Ich habe es Anfang der Woche schon geschrieben. Corona hat offensichtlich andere Botschaften.
Wir kennen die spannenden Geschichten aus dem düsteren Mittelalter, als die Pest gelegentlich hereinbrach und große Teile der Bevölkerung dahinraffte. Jetzt erfahren wir, dass die Krankheiten verschwinden, aber nicht die Krankheit. Schon immer gab es Schamanen, Heiler und Ärzte und schon immer lebten sie den Traum, eines Tages alle Krankheiten beherrschen, gar besiegen zu können. Tatsächlich verschwanden einige Diagnosen, aber es kamen schnell neue, unbekannte. So wie Strom zum Fließen den Pluspol und den Minuspol braucht, gibt es Gesundheit nicht ohne den Gegenpol Krankheit. Wir würden ohne das eine, nicht mal den Begriff des anderen kennen! Die Aussicht darauf, dass es besser wird, war stets die beflügelnde Hoffnung.
Zu jeder Zeit auf dieser Erde, waren die Menschen überzeugt, dass sie so viel wussten, wie nie eine Generation zuvor; und nie konnten sie sich vorstellen, dass es irgendwann ganz andere Dinge, Gegenstände, Sichtweisen, Werte, Technologien und Lösungen – aber auch Krankheiten und Katastrophen – geben würde, die das Leben noch gravierender verändern. Immer schon fanden die Menschen, dass es vorher leichter war, und immer schon sprachen sie im Rückblick auf „gute alte Zeiten“ davon, dass sich jetzt aber bitte nichts Gravierendes mehr verändern möge. Immer – einschließlich heute – waren Menschen davon überzeugt, alles im Griff zu haben und stets eine Lösung zu kennen. Der Mensch beherrscht den Globus und der Mensch kennt alles Wissen auf dieser Erde.
Aber morgen wissen wir immer mehr als heute. Schon in der nächsten Sekunde können wir bewerten, was wir jetzt in dieser Sekunde gedacht haben. Und immer überholt sich das Wissen schneller als je zuvor. Daher können wir die Zukunft nicht planen und deshalb waren auch alle wichtigen Dinge, die in unserem Leben die Wendepunkte markiert haben, zu keiner Zeit geplant! Wetten? Von Wendepunkten halten wir ohnehin nicht sehr viel, wir möchten lieber irgendwo ankommen. Genau das klappt nie und hat noch nie funktioniert!
Vor 30 Jahren hatte niemand von uns ein Handy und die Festplatten in Computern waren mit 4 MB gigantisch. Heute haben wir alle ein Android oder iPhone und es geht nur noch um Gigabyte oder Terabyte. Trotzdem glauben wir aber immer wieder aufs Neue, dass jetzt alles so bleiben könne. Es ist stets gerade so „Wow“! Wenn das Virus weg ist, ist wieder alles so, wie vorher? Ich glaube, wir sollten noch einmal darüber nachdenken, ob wir jemals in unserem Leben wirklich irgendwohin zurückwollten und ein „wie vorher“ tatsächlich schön finden.
Wir sind nicht im Bilde darüber, was man noch erfinden könnte und rasend schnell sind wir in dem Modus zu glauben, jedes Problem mit den Mitteln, die wir kennen, lösen zu müssen. Und jetzt kommt so ein kleines – wie zuvor erwähnt strunzdummes – Virus, führt uns an eine Grenze unserer Fähigkeiten und Möglichkeiten nach der anderen und immer dann, wenn wir glauben, wir oder andere hätten eine Lösung, wechselt das Virus die Seiten. Mal sind die Guten plötzlich die Schlechten und aus den Schlechten werden die Guten, die‘s draufhaben. Je mehr Sündenböcke wir finden, desto mehr verlieren wir uns in dem Gedanken, dass es Schuldige und Unschuldige geben könnte. Ach was: es muss sie geben!
Das ist nicht so! Aber was sollen wir heute tun? Sie haben eine Idee? Gratuliere! Sie sind die optimale neue Gesundheitsminister:in! Aber Achtung: wir alle wollen Sie nur, um Sie im nächsten Moment mit all unserer Verachtung, Wut und unvorstellbarem Hass überhäufen zu können!
Bei allem, aber wirklich allen Zielformulierungen, die wir in der Pandemie gehört und ausgesprochen haben, gab es ein „Wenn“, auf das ein „Dann“ folgen sollte. Das kam aber nie. Trotzdem haben wir uns zwischendurch immer wahnsinnig in der Hoffnung sicher gefühlt: Bald haben wir es geschafft! Pustekuchen! Die Briten hatten ihren Freedom Day, in Russland war die Pandemie schon mal zu Ende, in Amerika und Brasilien sowieso. Die Schweden waren mal die Verrückten, dann die Mutigen. Portugal war das leuchtende Impfvorbild, seit die Inzidenzen dort rasant steigen, ist das Land aus den Nachrichten komplett verschwunden. Australien war auch toll! Dann riegeln wir Deutschland doch mal 12 Monate komplett ab, einschließlich der inneren Grenzen. Was wollen die Bayern in Niedersachsen? Selbst dort ist das Problem nicht weg. Pausenlos schauen wir dahin, wo‘s gerade gut ist. Das dürfte nächsten Monat genau umgekehrt sein und Politiker begehen immer wieder den gleichen fatalen Fehler, diese trügerischen Momentaufnahmen in Wut oder Zuneigung zu kanalisieren und dann immer den Umkehrpunkt zu verpassen. Man kann nicht alle paar Monate das Gegenteil erklären.
- Corona zwingt uns dazu, über den Sinn des Lebens und die Bedeutung des Todes nachzudenken, der übrigens sowieso immer irgendwann kommt. Und egal wann er das tut, ist er in unserer Gesellschaft kein Grund zur Freude. Die Indianer sagen „I am complete“, legen sich zum Sterben und niemand trauert.
- Corona zwingt uns über Beziehungen zueinander nachzudenken. Fassen wir uns an? Nehmen wir uns in den Arm? Wer sind Freunde und Bekannte? Wem gehen wir aus dem Weg und wem nicht?
- Corona zwingt uns, über unsere Arbeit nachzudenken. Über Schule. Wie wichtig ist Gemeinschaft? Wie wichtig ist der unmittelbare Austausch, um persönliche und Unternehmensziele zu erreichen? Wie wichtig ist Präsenz in der Schule, der Austausch untereinander, das gemeinsame Lernen dafür, eine selbstbewusste Persönlichkeit zu werden, die ohne Angst durchs Leben geht?
- Corona zwingt uns dazu, über Grundrechte nachzudenken. Die gelten nicht immer, wenn es kritisch wird.
- Corona zwingt uns, über unser Gesundheitssystem nachzudenken. Was ist darin wirklich wichtig? Die Schönheits-OP, das chirurgische Ersatzteillager, wenn’s irgendwo kneift, die endlose Lebensverlängerung mit Maschinen oder eine Intensivmedizin, die wie eine Eins steht, wenn’s brenzlig wird?
Der Fokus lag immer darauf: Wir haben für jedes – sogar selbst verursachte – Problem am Ende auch eine medizinische Lösung. Wie viele Krankheiten nennen wir sogar Zivilisationskrankheiten, weil sie unmittelbar mit unserem Lebensstil zusammenhängen. Verrückter Weise sind genau diese es, welche jetzt die meisten Risikogruppen markieren. Darüber kann man nachdenken, muss man natürlich nicht. Wir können ja impfen. Das war ja immer unsere Antwort!
Jetzt kommt die erste Variante und vielleicht steht die zweite schon vor der Haustür (man muss die Internetseite der WHO nur mal aufmerksam studieren), die ganz oder teilweise impfresistent ist. Dann impfen wir was? Natürlich hätten wir jetzt wahnsinnig gerne einen Gesundheitsminister, den wir schon mal vorab in die Pflicht nehmen können, dem wir in den zwei nächsten Monaten erzählen werden, was er in den zwei letzten Monaten schon hätte wissen müssen, um sich für diesen Job zu qualifizieren.
Wer könnte das sein? Wir wollen in der Politik übrigens auch niemanden wirklich gut bezahlen. Deshalb sind die richtigen Fachleute nicht in der Politik, sondern immer da, wo sie für ihr Wissen angemessen entlohnt werden. Wir wollen aber genauso wenig, dass Politiker Berater bezahlen, also die richtigen Fachleute, denn sie sollen sich ja selbst Gedanken machen.
Ich weiß nicht, ob klar wird, dass es manchmal einfach keine echte Lösung gibt! Es könnte theoretisch sein, dass schon die nächste oder übernächste Virus-Mutante komplett aus dem Impfraster fällt. Was wäre eigentlich, wenn das Virus so überlebenstüchtig mutiert, dass es vorwiegend die Geimpften angreift? Bei denen hätte es die besten Aussichten, weil die ja „frei“ sind! Hat es noch nie gegeben? Aber was an Corona hat es denn gegeben, auf das wir jetzt zurückgreifen können?
Zugegeben, das wäre die unwahrscheinlichste Version, aber was ist aktuell noch mal wirklich wahrscheinlich? Ich komme gerade nicht darauf 😊. Dann wären übrigens die Ungeimpften nicht mehr die Looser, sondern die standhaften Helden. Also: wer weiß, wofür wir sie noch einmal benötigen … ?
Klar, darauf würde ich darauf als Allerletztes spekulieren und sicher nicht darauf wetten! Aber dass wir jetzt nicht das Naheliegende tun und ganz einfach immer wieder testen, um das Virus pausenlos dort zu isolieren, wo es auftaucht, bis es ihm entweder so langweilig wird, dass es Selbstmord begeht (und nicht der Gesundheitsminister) oder eben wir. Vielleicht braucht uns die Erde gar nicht mehr? Da fällt mir ein Satz aus der Möwe Jonathan ein: „Es muss im Leben um mehr gehen, als nur jeden Tag einen neuen Fisch zu fangen.“ Es könnte auch in der Pandemie um mehr gehen, als nur jedes Jahr auf einen neuen Impfstoff und einen neuen Gesundheitsminister zu warten. Ich persönlich möchte kein einziges Versprechen mehr hören! Ich weiß, dass das niemand halten könnte! Da niemand Fehler zugibt, müssen dann pausenlos Schuldige präsentiert werden. Dass das immer wieder neu versucht wird, lässt Politik gerade so wahnsinnig unaufrichtig und unglaubwürdig erscheinen. Ich freue mich fast auf den nächsten Lockdown, weil dabei immer so viel Kreatives passiert…
Ihr
Rainer Sander
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