Partei, parteinah oder parteilos?
BAUNATAL. In Baunatal wird an diesem Wochenende eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister gewählt. Amtsinhaberin Silke Engler ist als Erste Kreisbeigeordnete in eine neue Rolle gewechselt und jetzt stehen Veränderungen an. Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, in welche Richtung diese Veränderungen gehen könnten.
Eines ist klar, eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister kann weder ohne Magistrat noch ohne Stadtparlament Entscheidungen treffen oder umsetzen. Manuela Strube (SPD) und Sebastian Stüssel (CDU) treten für ihre Parteien an, Henry Richter gehört keiner Partei an, wohl aber der GRÜNEN-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung und wird zusätzlich von der FDP unterstützt. Manfred Werner gehört keiner Partei an. nh24-Redakteur Rainer Sander hat die vier Kandidatinnen und Kandidaten gefragt, was sie vorhaben, und wie sie es durchsetzen wollen.
nh24: Baunatal identifiziert sich mit vielen Attributen, eines davon ist die „Sportstadt Baunatal“ oder der Slogan „Baunatal bewegt“. Sehen Sie die Rolle als Stadt des Sports und der Bewegung aktuell gefährdet?
Henry Richter: Nein, ganz im Gegenteil. Baunatal hat viele Sportstätten und Freiflächen. Das ergibt viel Raum für sportliche Betätigung und Bewegung. Was mich selbst als aktivem Sportler bei meinen Besuchen der Sportvereine in Baunatal begeisterte, war das Engagement der Menschen für ihren Sport- das ist nicht selbstverständlich und trägt ganz erheblich zur Lebensqualität Baunatals bei. Als Bürgermeister werde ich mich dafür einsetzen, Stadt und Sportvereine mehr ins Gespräch zu bringen, neue Wege auszuprobieren und über den Tellerrand hinauszuschauen.
Manuela Strube: Ich sehe die Baunataler Rolle als Stadt des Sports keineswegs gefährdet an. Allein unsere engagierten und leistungsstarken Vereine sorgen dafür, dass Baunatal bewegt wird. Aber auch die meisten Stadtverordneten sind sich ihrer Verantwortung für den Sport bewusst und stellen jedes Jahr hohe Summen für den Sport im Haushalt zur Verfügung. Als Bürgermeisterin werde ich das Wohl der Sportlerinnen und Sportler im Auge behalten und insbesondere deren Nachwuchsarbeit unterstützen.
Sebastian Stüssel: Also, wenn wir nicht schnell dazu übergehen, neue Wege bei der Konsolidierung unseres Haushaltes zu gehen, ist eine tatsächliche Gefährdung nicht auszuschließen. Wir müssen deshalb zügig ein intelligentes Sparprogramm mit einem systemischen Wachstumsprogramm für unsere Stadt kombinieren. Das neue Siedlungsrahmenkonzept (SRK) ermöglicht uns dabei den Zuzug junger Familien und die Ansiedlung neuer Unternehmen. Beides ganz wesentliche Faktoren, um die Ertrags- und Finanzlage unserer Stadt nachhaltig zu verbessern.
Manfred Werner: Nein, sehe ich überhaupt nicht. Allein schon die Tatsache, dass sich ganz viele Menschen in den Vereinen ehrenamtlich engagieren, verdient seitens der Kommune allergrößte Unterstützung. Als Bürgermeister wird es mit mir keinerlei Kürzungen bei der Sportförderung geben, denn der Sport bewegt Baunatal und so ist unsere familienfreundliche Sportstatt auch ausgerichtet.
nh24: Vereine und Ehrenamt sind tragende Säule einer Stadt. Welche Möglichkeiten sollte die Stadt nutzen, um Ehrenamt und Engagement zu unterstützen?
Henry Richter: Das beginnt für mich mit Respekt und Anerkennung. So viele Menschen geben so viele Stunden ihrer Freizeit für ihren Verein, für ihren Sport und damit letztlich für ihre Mitmenschen. Das ist alles andere als selbstverständlich. Ich werde mich als Bürgermeister dafür stark machen, dass diese Anerkennung sichtbarer und fühlbarer sein wird.
Manuela Strube: Ehrenamt ist der „Kitt“, der die Gesellschaft zusammenhält, daher habe ich mir die Unterstützung der Vereinsarbeit, die Pflege unserer Sportsstätten und ein breites kulturelles Angebot zum Ziel gesetzt. Unsere freiwillige Feuerwehr ist immer da, wenn es „brennt“. Sie kann sich daher meiner konsequenten Unterstützung sicher sein.
Sebastian Stüssel: Die Förderung des Ehrenamtes ist zweifellos ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Stadt. Die bunte Vereinslandschaft ist damit ein wichtiger Standortvorteil im Wettbewerb mit anderen Kommunen. Zu unterscheiden sind hierbei die direkte Förderung und die indirekte Förderung der Vereine bzw. des Ehrenamtes. Ich schlage deshalb, statt der Kürzung von Zuschüssen, das Schaffen von Anreizen zum gemeinsamen Einsparen von Strom, Wasser und Energie durch ein Bonusprogramm für die Vereine vor. Sowohl aus finanzieller, als auch aus ökologischer Sicht, sollte dies im Sinne aller Beteiligten liegen. Wer der Stadt beim Einsparen von Ressourcenverbräuchen hilft, soll also zukünftig belohnt werden.
Manfred Werner: Unsere Gesellschaft wird durch das Ehrenamt zusammengehalten. Menschen, die sich hier und das schon über viele Jahre einbringen, verdienen nicht nur den allergrößten Respekt, sondern auch jedwede Unterstützung. Dafür werde ich mich als Bürgermeister in Verbindung mit den Vereinen und Feuerwehren persönlich einsetzen.
nh24: Viele aktuelle Herausforderungen entstehen durch erhebliche Gewerbesteuer-Ausfälle. Die Abhängigkeit der Stadt von Zahlungen eines großen Betriebes ist schwer zu reduzieren. Gibt es kreative Ideen, um mit der Situation in Zukunft besser umzugehen?
Henry Richter: Tatsächlich gibt es bei den Gewerbesteuer-Einnahmen ein auf und ab, seit es die Stadt Baunatal gibt. In guten Zeiten kam dabei so viel Geld in die Stadtkasse, dass der Blick für die Folgekosten getrübt war. Das darf uns nicht nochmal passieren. Ein wesentliches Element ist es außerdem, die Rücklage zukünftig so anzuheben, dass auch längere Durststrecken vernünftig gemeistert werden können. Dafür werde ich mich als Bürgermeister einsetzen.
Manuela Strube: Baunatal ist wirtschaftlich stark aufgestellt, aber es stimmt, dass wir schon sehr am „Nabel“ eines großen Werks hängen. Für ein weiteres Wirtschaftswachstum unserer Stadt setze ich daher auf einen breiten Branchenmix aus Handwerk, Handel, Dienstleistungsgewerbe und Industrie. Dazu gehört auch eine ausreichende Bereitstellung von Gewerbeflächen.
Sebastian Stüssel: Neues Wachstum erzeugen. Wie im Unternehmen, wird in schwierigen Zeiten sehr häufig diese wichtigste aller Erfolgskomponenten vergessen. Stattdessen spart man sich „kaputt“ oder dreht an der Preisspirale und kalkuliert sich „aus dem Markt“, was beides regelmäßig zum „Absägen des Astes, auf dem man sitzt“, führt. Baunatal darf also weder seine gesellschaftlichen Standortvorteile „wegsparen“ noch seine wirtschaftlichen Standortvorteile durch weitere Steuererhöhungen „riskieren“, sondern muss dringend seine Ertragsbasis durch neue Einwohner und Unternehmen verbreitern. Das verabschiedete Siedlungsrahmenkonzept des Zweckverbandes bietet hierzu ungeahnte und vollkommen neue Wachstumspotenziale für unsere Stadt. Diese sehr zügig und strukturell nachhaltig zu erschließen, ist tatsächlich eine Gelegenheit für unsere Stadt, gemeinsam Geschichte zu schreiben.
Manfred Werner: Die Einwohnerzahl muss durch die Ausweisung neuer Bauplätze in den Stadtteilen wachsen, um die Steuereinnahmen langfristig zu verbessern. Darüber hinaus müssen weitere klein- und mittelständische Betriebe und Unternehmen aus den verschiedensten Bereichen angesiedelt werden. Das geht aber nur dann, wenn ausreichend Gewerbefläche bereitgestellt werden kann.
nh24: Baunatal hat sich in den vergangenen 50 Jahren mit einer Infrastruktur ausgestattet, die vergleichbare Städte nicht pflegen müssen. Welchen Weg sollte die Stadt gehen, um Bedeutsames zu erhalten, Geliebtes zu pflegen und weniger Wichtiges loslassen zu können?
Henry Richter: Loslassen ist immer sehr schwer- für Menschen mit das Schwerste überhaupt. Wenn wir die tatsächlich sehr vielen Sportstätten und Freiflächen in Baunatal erhalten wollen, sind neue Ideen gefragt. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Umsonst wird das nicht zu schaffen sein. Alle werden einen Beitrag leisten müssen. Dagegen sollten wir uns von Gebäuden trennen, die tatsächlich nicht mehr genutzt werden.
Manuela Strube: Baunatal muss finanziell solide aufgestellt sein, um die gute Infrastruktur zu erhalten und auszubauen. Dafür werde ich das das gute Verhältnis zu Handwerk, Mittelstand und VW pflegen und die Attraktivität der Innenstadt weiter erhöhen. Ich werde unsere Finanzpolitik auch in Zukunft am Dreiklang „Investieren, Konsolidieren und Baunatals Wachstum gestalten“ orientieren.
Sebastian Stüssel: Bei allen Bemühungen zum Thema Einsparungen sollte unser Bildungsangebot in Baunatal dabei ein absolutes Tabu-Thema sein. Aber Sparpotenzial sehe ich sonst momentan durchaus an vielen Stellen im Haushalt. Dieses jedoch intelligent zu erschließen, geht nur durch die Erstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes im Bürgerdialog, wie es, im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen, durch meine Fraktion bereits beantragt und durch das Stadtparlament dann auch verabschiedet wurde. Ansatzpunkt sehe ich hier bei der ineffizienten Ausnutzung der vorhandenen Infrastruktur und mangelnder Flexibilität von Verwaltungsprozessen.
Manfred Werner: Die Kommune muss die Entwicklungsprozesse in den einzelnen Stadtteilen, Vereinen und Verbänden durch regelmäßigen Austausch analysieren. Von nicht mehr genutzten Gebäuden und Freiflächen muss man sich trennen.
nh24: Die Mehrheitsverhältnisse im Rathaus sind nicht mehr so eindeutig, wie noch vor einem Jahr. Streit und Auseinandersetzungen haben an Heftigkeit aber eher zugenommen. Welche Rolle kann eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister spielen, um im Stadtparlament sachliche Entscheidungen emotionsfrei zu erreichen?
Henry Richter: Ganz bewusst entschied ich mich dafür, nicht als Kandidat einer einzelnen Partei anzutreten. Mir ist das Verbindende wichtig. Ich möchte zusammenführen statt spalten. Als einziger Kandidat werde ich von zwei Parteien unterstützt: Von der FDP und von den Grünen. Meine Aufgabe als Bürgermeister sehe ich daher genau so: Für alle Menschen da zu sein, die Gräben zu überwinden, Brücken zu bauen. Mein Motto „Einer für Alle“ habe ich ganz bewusst aus diesem Grund gewählt. Ganz ohne Emotionen wird es allerdings nicht gehen. Muss es aber auch nicht.
Manuela Strube: Eine Bürgermeisterin kann mit sachlicher und transparenter Vorgehensweise Vorschläge in die Stadtverordnetenversammlung einbringen. Dort wird dann diskutiert und letztendlich entschieden. Bei Streit und Auseinandersetzung kann eine Bürgermeisterin als Moderatorin, vielleicht auch als Mediatorin auftreten.
Sebastian Stüssel: Ich glaube, solche Auseinandersetzungen lassen sich durch eine kommunikativere Einstellung schnell wieder auf die Sachebene zurückholen. Wesentlich ist dabei das „Spielen mit offenen Karten“ und eine unparteiische Amtsführung.
Manfred Werner: Er muss vorab alle anstehenden Maßnahmen auf die finanzielle Machbarkeit prüfen und eine Prioritätenliste erstellen. Dann müssen die anstehenden Maßnahmen und Aufgaben im Interesse der Sache und der Bedürfnisse besprochen und auch abgearbeitet werden. Die Rolle des parteilosen Bürgermeisters eignet sich deshalb hervorragend, schwierige Sachverhalte neutral zu moderieren.
nh24: Obwohl es immer mehr Parteien gibt, fühlen sich viele Bürger nicht mehr richtig wahrgenommen. Kann eine Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister mehr Beachtung der kleinen und großen Sorgen von Bürgerinnen und Bürger erreichen?
Henry Richter: Mein Motto ist „Einer für Alle“. Das Wichtigste ist mir dabei, mit allen Menschen in Baunatal in Kontakt zu sein. Für die kleinen und großen Sorgen werde ich als Bürgermeister eine regelmäßige Bürgersprechstunde anbieten. Ich lade alle Menschen in Baunatal dazu ein: Besuchen Sie mich und wir sprechen über Ihr Problem.
Manuela Strube: Ich möchte die bürgernahe Verwaltungsarbeit dynamisch und gezielt weiter verbessern. Kurzfristige Rückantworten auf Anfragen von Bürgerinnen und Bürger sind für mich selbstverständlich. Außerdem möchte ich frühzeitig über städtische Vorhaben informieren, um die Menschen in Entscheidungsprozesse miteinzubeziehen. Das Rathaus möchte ich als digitale Service-Stelle ausbauen, aber den persönlichen Bürgerservice erhalten.
Sebastian Stüssel: Ich denke, ja. Wichtig ist, dass ein amtierender Bürgermeister viel in seiner Stadt unterwegs ist und dabei stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hat. Eine persönliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, neben den Geschäftszeiten, ist damit also absolut gefordert.
Manfred Werner: Ja, kann er, indem er wieder Ortsbeiräte in den einzelnen Stadtteilen einsetzt. Dadurch ist eine direkte Bürgernähe gegeben und bestehende Probleme stauen sich nicht auf. Die Menschen vor Ort müssen in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden. Dazu gehört dann auch eine schnelle Beantwortung bei Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Auch die digitale Service-Stelle muss weiter verbessert und ausgebaut werden.
Die Printversion finden Sie in der neuesten Ausgabe der Zeitung Treffpunkt Baunatal/2021-11. Sie wird in dieser Woche in Baunatal verteilt. (rs)
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