Fortsetzung folgt: Schwalmstadts unendliche Geschichte von den Straßenausbaubeiträgen
SCHWALMSTADT. Sie bleiben, sie bleiben nicht, sie bleiben, sie bleiben nicht… Bereits im zweiten Jahr beschäftigt sich die Stadt Schwalmstadt intensiv mit den Straßenausbaubeiträgen. Immer mal wieder stellt eine Fraktion einen Antrag und immer mal wieder sind andere dafür und andere plötzlich dagegen, sie abzuschaffen.
So regelmäßig, wie das Thema auftaucht, so unterschiedlich, wie alle sich dazu immer mal wieder neu positionieren, neue Haken finden, neue Aspekte nennen und das Thema auf diese Weise – mit doch, doch nicht – seltsame Blüten treibt, kommt dabei das wunderschöne Gänseblümchen-Orakel in den Sinn: er liebt mich, er liebt mich nicht… Es gab inzwischen öffentliche Versammlungen mit kompetenten und profilierten Referenten, unzählige Diskussionen, viele Ausschusssitzungen, jede Menge Anträge, also viel verbrauchtes Papier und verbrauchte Zeit zum Lesen, aber bisher keine einzige belastbare Zahl.
FREIE WÄHLER (und BfS) wollen zumindest Deckelung
Das Schöne an den Straßenausbaubeiträgen ist, jedes Jahr werden nur ein paar Straßen saniert oder gebaut und deshalb treffen sie immer nur eine überschaubare Zahl an Anliegern. Auch treffen sie in voller Wucht zunächst immer nur die Hauseigentümer…
… Schön ist auch, dass die Kommunalwahl jetzt vorüber ist und die Bürger fünf Jahre lang keine Chance mehr haben, sich unmittelbar zu revanchieren, wenn eine hohe Rechnung ins Haus flattert. Die aktuell höchste in Niedergrenzebach soll, wie nh24 aus inoffizieller Quelle erfahren hat, deutlich über 20.000 € liegen. Die Stadt liebt ihre Bürger nicht? Vielleicht nicht alle!
Ein Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER Schwalmstadt wollte jetzt dafür sorgen, dass die Beteiligung von Anwohnern an den Straßenausbaubeiträgen auf maximal 8.000 Euro pro Grundstück begrenzt wird. Der Magistrat der Stadt Schwalmstadt sollte beauftragt werden, dies zu prüfen, ein Konzept zu erarbeiten und – wenn möglich – die entsprechenden Satzungen gleich anzupassen. Bei der Gelegenheit könnte auch über ein Erstattungsmodell nachgedacht werden. Mit der Schaffung einer maximalen Obergrenze solle verhindert werden, dass Grundstücksbesitzer an den Straßenausbaubeiträgen existenzgefährdend finanziell beteiligt werden.
Engin Eroglu: Notwehr und Verteidigung
Engin Eroglu (FW) begründete den Antrag als Verteidigung, beziehungsweise Notwehr. Die Bürger konnten sich nach öffentlichen Veranstaltungen informieren und austauschen und die Bürger hatten das Versprechen erhalten, dass der Bürgermeister sich kümmert. Das, so Eroglu, ist nicht geschehen. Viele Hauseigentümer würden durch Beiträge in ihrer Existenz bedroht oder zum Verkauf der Immobilie gezwungen. Neun Bundesländer hätten die Beiträge bereits ganz abgeschafft, Hessen gehört allerdings zu den 7, die das bisher nicht gemacht haben. Jetzt gibt es aber ein Kommunalprogramm von 100 Millionen Euro, das den Kommunen hilft.
Von 422 deutschen Kommunen haben tatsächlich bereits 160 die Straßenausbaubeiträge abgeschafft. Eroglu zur aktuellen Situation: „Ich weiß, dass es in Niedergrenzebach sieben Hauseigentümer gibt, die einen 5-stelligen Betrag zahlen sollen.“ Die Schlussfolgerung: Genau jetzt muss der Betrag gedeckelt werden, um Existenzen nicht zu bedrohen. Die Hausanschlussgebühren kämen stets noch dazu, also werden es vermutlich auch mit der Deckelung über 10.000 Euro sein. Dass die BÜRGER FÜR SCHWALMSTADT (BfS) einen noch niedrigeren Maximalbetrag von 6000 € in einem weiteren Antrag deckeln wollen, findet er ok, „2.000 Euro weniger, da gehen wir mit.“ Ja, sie lieben sich!
Constantin Schmitt: jeder hat einen Nutzen von jeder Straße
Constantin Schmitt (FDP) begrüßte den Antrag der FW: „Es ist eine absolut willkürliche Verteilung der Kosten. Jeder hat einen Nutzen von jeder Straße, weil er Versorgung braucht. Eine gleichmäßige Verteilung auf alle Bürger wäre die gerechteste Lösung, die mit geringen Beträgen wenig belastet. Zur Gegenfinanzierung rechnete er außerdem vor, dass durch die Digitalisierung rund 30 Prozent der Personalkosten in der Stadtverwaltung eingespart werden könnten. Zusätzliches Geld könnte in der Interkommunalen Zusammenarbeit eingespart werden, was an machtpolitischen Fragen scheitern würde. Sie lieben sich doch nicht!
Thomas Kölle (FRAKTIONSLOS) findet, eine Deckelung sei eine Übergangslösung und reichte gleich einen neuen Antrag ein mit dem Ziel, der gänzlichen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Der Bürgermeister habe auf einen im März 2020 eingebrachten Antrag mit der Verpflichtung, Zahlen zu liefern bis heute nicht reagiert, aber das, so Kölle, „kann nicht so schwer sein!“ Sie lieben sich auf gar keinen Fall!
Georg Stehl will Ausstieg, Karsten Schenk belastbare Zahlen
Georg Stehl (BfS) äußerte sich zu beiden Anträgen, also dem der FW und der BfS und könne auch bei dem Antrag der FREIE WÄHLER vollumfänglich mitgehen. Es gehe darum, die Bürger zu entlasten. Sukzessiv müssten die Straßenausbaubeiträge ganz abgeschafft werden, wie Herr Kölle vorgetragen habe. Damit wendet sich die BfS gleich in der ersten Parlamentsabstimmung mit Tragweite gegen Bürgermeister Pinhard, der stets betont hatte, dass er sich eine Abschaffung der Straßenbeiträge nicht vorstellen kann und damit auch gegen ihren Ruf, die Bürgermeisterpartei zu sein. Sie lieben sich vielleicht doch nicht?
Karsten Schenk (CDU) begrüßte das Dauerthema mit den Worten: „Da haben wir sie wieder die Straßenausbaubeiträge!“ Es sei schon alles ausgetauscht und es gab in seiner Erinnerung immer eine breite Mehrheit, um sie abzuschaffen: „Aber wie? Deswegen“, so Schenk, „gab es am 5. März 2020 den Beschluss, dass der Bürgermeister Zahlen vorlegt und einlädt.“ Jetzt sei der Betrag aus der Luft gegriffen. Die CDU möchte lieber belastbare Zahlen. Die einzige Lösung bestehe darin, das Thema erneut in den Haupt- und Finanzausschuss und den Verkehrsausschuss zu schieben, um die Verwaltung zu zwingen, endlich Zahlen vorzulegen. Vielleicht könne man die Beiträge ganz einsparen, vielleicht wiederkehrende Beiträge einführen aber alles andere wäre keine ehrliche und solide Politik. So formuliert er es als Antrag. Sie lieben sich vielleicht doch?
Daniel Helwig mit leeren Händen, Stefan Pinhard „mit ohne Lösung“
Daniel Helwig (SPD) findet es sei eine völlige Enttäuschung und Blamage für Bürgermeister Pinhard. Alle wollen etwas ändern und „Wir sind gar nicht mehr so weit auseinander, aber der Bürgermeister äußert sich nicht. Wir stehen mit leeren Händen da und der Bürgermeister bringt den Hintern nicht hoch!“ Sie lieben sich ganz sicher nicht!
Schließlich äußerte sich auch Bürgermeister Stefan Pinhard (PARTEILOS). „Es war der 5. März. Ich habe Erläuterungen dazu gegeben und es gab eine knappe Mehrheit gegen die Abschaffung! Eine Existenzgefährdung darf nicht entstehen. Ich habe aber auch gesagt, was eine Abschaffung bedeutet!“ Die Anhebung der Grundsteuer wäre das einzige Mittel, aber dann würden die Umlagen an den Kreis steigen und weniger Geld aus dem Kommunalen Finanzausgleich kommen, so der Verwaltungschef. Es ist schwer einen Betrag zu deckeln. Seine Idee wäre die Anbindung an den Bodenwert. Aber, was ist überhaupt ein Grundstück? Die philosophisch klingende Frage meinte: „Es gibt sehr unterschiedliche Grundstücke in den Ortsteilen. Es gibt keine gerechte Lösung für alle!“ 8.000 oder 6.000 Euro Obergrenze bei unterschiedlichen Grundstückswerten erscheinen dem Bürgermeister nicht als logisch, außerdem gebe es Stundungsmöglichkeiten bis zu 20 Jahren. Liebe ist Vertrauen…!
Niedergrenzebacher Solidarität
Axel Wenzel (SPD) möchte Engin Eroglu recht geben. „Es ist nicht tragbar, dass wir 1 Jahr und 3 Monate warten!“ Anschließend erklärte der amtierende Ortsvorsteher des aktuell betroffenen Stadtteiles Niedergrenzebach das sozialdemokratische Solidaritätsprinzip: Wenn es nur 5 wären, die durch eine Deckelung etwas erlassen bekämen, aber 50 andere nichts erlassen bekämen, dann wäre das nicht gerecht: „Wer große Grundstücke hat, darf nicht besonders entlastet werden!“ Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst…!
Das hieße übrigens auch, dass die Bauernwitwe mit der großen Hofreite – aber Mindestrente – auch zukünftig mehr als eine ganze Jahresrente Straßenausbaubeitrag zahlen müsste, wenn sie ein größeres Grundstück hätte, als der leitende Angestellte nebenan, mit 10.000 Euro Monatseinkommen aber dem kleineren Grundstück, wenn dieser nicht gleichzeitig auch weniger zahlen dürfte. Mit dieser gelebten Solidarität wird es auch in Zukunft kompliziert.
Tobias Kreuter (SPD), neuer Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschuss, würde sich freuen, wenn die Verwaltung es wenigstens versuchen würde, etwas zu verschriftlichen, wonach man dann auch entscheiden kann. Geschrieben wird ganz sicher kein Liebesbrief…
Ausschuss ist Ausschuss!
Karsten Schenk (CDU) ergriff ein zweites Mal das Wort und bat darum, neben der Überweisung in die Ausschüsse, bitte auch Bürgermeister Groll in Neustadt zu befragen, wie dieser die Kosten von 400.000 €uro in seiner Stadt berechnet hat. „Ohne eine Zahl können wir nicht entscheiden!“ Auf ihrer eigenen Internetseite ärgert sich die CDU Schwalmstadt übrigens immer noch darüber, dass die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge an der SPD gescheitert ist… Liebe kennt keine Bedingungen…
Für eine Überweisung an die Ausschüsse stimmten 22 Stadtverordnete von CDU, SPD und GRÜNE, dagegen 14 Stadtverordnete von FDP, FW und BfS. Damit ist vorerst sichergestellt, dass es so schnell keine Lösung, für die Medien aber viel zu schreiben gibt, denn dank Thomas Kölle steht das Thema erneut auf der nächsten Tagesordnung. Wir lieben es! (Rainer Sander)
Mehr aus der Stadtverordnetenversammlung HIER (Stadtplanung) und HIER (A49)
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4 Kommentare
Es ist einfacher Geld zu verbrennen, indem man bspw. Asylunterkünfte baute, die nie besetzt wurden oder bis heute und noch für Jahre teuer anmietete, ohne je bewohnt zu sein. Man kann auch Pappschilder mit afrikanischen Tieren ins Grün setzen und ernsthaft meinen, das lockt Besucher an. Na ja, vielleicht ein paar Kleinkinder, bei denen sich die Eltern keinen Zoobesuch leisten können. Aber bitte nichts für den lästigen Bürger ausgeben.
161 der 421 Städte und Gemeinden sind inzwischen straßenbeitragsfrei (https://drive.google.com/file/d/1I25WmygE3ApSrs7_Q7tGMFGzIN3YTweB/view?usp=sharing), darunter deutlich „ärmere“ Kommunen als Schwalmstadt. Wer wissen will, wie das geht, sollte mal nach „Spahl Rednitzhembach“ suchen, oder direkt hier lesen „Gute Straßen ohne Straßenbeiträge“ https://drive.google.com/file/d/1I25WmygE3ApSrs7_Q7tGMFGzIN3YTweB/view?usp=sharing.
Wäre ja nun endlich mal an der Zeit das diese Beiträge endlich abgeschafft werden.
Leider sind die Verantwortlichen egal welcher Partei im Stadtparlament leider nicht gewillt dies dann wirklich auch einmal in die Tat umzusetzen.
Ein Trauerspier 🙁
Wenn man junge Leute in Schwalmstadt halten möchte die ein Eigenheim kaufen wollen sollte man unteranderen darüber nachdenken ob man nun endlich die Straßenbeiträge abschafft oder viele werden dann sich dort ein Haus suchen oder bauen wo sie schon abgeschafft sind.
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