HOMBERG/EFZE. Es ist einer der typischen Tage Mitte November. Nasskalt, windig und das Knüllköpfchen in Schwarzenborn hüllt sich in Nebel. Der Mann wird in wenigen Monaten 50 Jahre alt. Er hat sich an diesem Tag vorgenommen, mit dem Fahrrad die höchste Erhebung im Knüll zu bewältigen.
Von der Schwalm hinauf bis nach Seigertshausen. Die Kleidung ist schon durchnässt, dann die letzten beiden Steigungen bis zum Bushäuschen, wo sich die Strecke nach Großropperhausen und Schwarzenborn gabelt. Kurz erholt er sich und dann geht es weiter. Hoch zum Boglerhaus und weiter bis zum Knüllköpfchen. Nach rund 100 Metern kippt er um und liegt leblos am Straßenrand. Passanten finden ihn schnell. Sie rufen bei der Leitstelle (112) an und schildern die Szenerie – nichts Dramatisches. Das System gibt dem Disponenten in Homberg auf der Leitstelle vor, die Rettungswagenbesatzung der DRK-Wache in Schwarzenborn zu alarmieren. Die Helfer machen sich auf den Weg. Innerhalb weniger Momente meldet sich der Bauch des Disponenten. Was, wenn es doch mehr ist als ein erschöpfter Fahrradfahrer? Möglicherweise eine Unterzuckerung, was bei einer Fahrt auf den Berg nicht auszuschließen ist. Dies wäre die Indikation für einen Notarzt. Das Homberger Notarzteinsatzfahrzeug ist einsatzbereit, zwar vom Einsatzort gesehen noch hinter Homberg, aber immerhin der Notarzt mit der kürzesten Anfahrt.
Die Lage vor Ort spitzt sich zu. Die alarmierten Helfer des DRK sind angekommen und melden der Leitstelle eine bewusstlose, leblose Person. Das Herz des Mannes flimmert und pumpt nur noch wenig Blut in den Kreislauf, was mit einem Weiterleben ohne Hilfe nicht mehr zu vereinbaren ist. Während die Profis mit der Herzdruckmassage beginnen, geben sie eine Rückmeldung an die Leitstelle. Der Notarzt ist auf dem Weg. Der Mann wird anschließend im Rettungswagen von den Notfallassistenten und dem Notarzt reanimiert. Mit dem Elektroimpuls des Defibrillators soll das Herz aus dem Flimmern und wieder in einen regelmäßigen Takt gebracht werden. Nach rund 30 Minuten lebt der Mann noch, sein Herz schlägt wieder regelmäßig, er wird in das Ziegenhainer Asklepios Klinikum gebracht. (…)
So oder so ähnlich ist der Ablauf eines Notfalls, wen ein Notruf in der Zentralen Leitstelle des Schwalm-Eder-Kreises eintrifft. Während einer Videoschaltung haben am Freitag Landrat Winfried Becker, Fachbereichsleiter Uwe Wunsch, Kreisbrandinspektorin Tanja Dittmar und Kreis-Pressesprecher Stephan Bürger die Zahlen für das Jahr 2020 veröffentlicht. Die Verantwortung für den Rettungsdienst (ausgenommen Rettungshubschrauber) haben in Hessen die Landkreise. Die Feuerwehren unterliegen der Hoheit der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. Die Aufsicht über die Feuerwehren hat der Landkreis, der die Gemeinden zudem finanziell unterstützt.
24/7: 4,4 Anrufe jede Minute
Der Notruf 112 klingelte im Jahr 2020 bei den 14 Frauen und Männern der Leitstelle im Schwalm-Eder-Kreis über 30.000 mal, was zu 19.436 „resultierenden Ereignissen“ führte. Dazu kommen noch 65.826 Anrufe auf der 19222, was 19.915 Ereignisse nach sich zieht. Dazu nimmt das Leitstellensystem noch Anrufe auf Rufnummer entgegen, die an bestimmte Institutionen, beispielsweise an die Polizei oder die Rettungswachen, vergeben wurden. Von den 23.619 Anrufen auf diesen Nummern zogen 3.094 Reaktionen nach sich. Insgesamt nehmen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Leitstelle Tag und Nacht 120.000 Anrufe jährlich entgegen. Alle 4,4 Minuten ruft jemand in Homberg an. Nachts weniger, am Tag aber mehr.
Die Ereignisse waren, dass die Feuerwehren im Landkreis 1.164 alarmiert wurden, 12.187 Krankentransporte stattfanden und 30.350 mal der Rettungsdienst ausrückte. Insgesamt weist die Statistik hier rund fünf Prozent mehr Einsätze (Ereignisse) aus. Feuerwehren waren etwas weniger unterwegs, die Helfer in den Kranken- und Rettungswagen etwas mehr. Corona bedingt gab es im Frühjahr einen kleinen Knick nach unten. Dies lag daran, dass die Krankenhäuser zeitlich aufschiebbare Operationen erst wieder zum Ende des Lockdowns durchführten.
Immer noch Thema: Ein weiterer Rettungshubschrauber für Nordhessen
Thema ist immer noch die mögliche Stationierung eines 24/7 Rettungshubschraubers in Nordhessen, der für den Transport von Intensivpatienten und auch nachts eingesetzt werden kann. Gespräche dazu laufen unter anderem mit den Verantwortlichen der anderen nordhessischen Landkreise, den Kostenträgern und auch der Gesundheit Nordhessen Holding AG, die unter anderem das Kasseler Klinikum betreibt, sagt Becker. Eine Machbarkeitsstudie soll noch in diesem Jahr in Auftrag gegeben werden. Für Becker besteht die Möglichkeit, den Hubschrauber und seine Besatzung auf dem Flugplatz der Bundeswehr in Fritzlar zu stationieren.
Ein weiteres Projekt ist ein zweiter Pool an Krankentransportwagen (KTW), der möglicherweise beim DRK in Fritzlar stationiert werden könnte. Einen solchen Pool gibt es bislang nur in Ziegenhain, der zentral die Rettungswagenbesatzungen entlastet und für Notfälle freihält.
Corona bedingt fand im letzten Jahr kein Austausch von Mitarbeitern der Leitstelle und Helfern des Rettungsdienstes statt. In „normalen“ Jahren wechselt das Personal der Leitstelle auf einen Rettungswagen und umgekehrt. Infektionen sollten damit vermieden werden.
Unwesentlich weniger Einsätze – keine größeren Schadenslagen
Für Kreisbrandinspektorin Tanja Dittmar, ihren Stellvertreter und die Kreisbrandmeister war dies, auf die Einsätze bezogen, eher ein ruhiges Jahr. Größere Schadensereignisse (Unfälle und Brände) blieben aus. Erfreut zeigte sich Dittmar über die Arbeit der Kinder- und Jugendfeuerwehrwarte der Feuerwehren. Der reguläre Übungsdienst und Unterricht fielen aus, was in vielen kreativen und pandemiekonformen Aktionen mündete. Auch im Jahr 2020 haben die Einsatzabteilungen und die Kinder- und Jugendfeuerwehren wieder Mitglieder „verloren“. Erfreulich und im Bundesdurchschnitt ausgezeichnet ist der Frauenanteil in den Feuerwehren. 16,47 Prozent versehen ihren freiwilligen Dienst in einer der Einsatzabteilungen. Bei den Kinderfeuerwehren liegt der Anteil der weiblichen Mitglieder bei 41,67 Prozent, in den Jugendfeuerwehren sind es immerhin noch 38,74 Prozent weibliche Mitglieder. (wal)
Die eingesetzten Rettungsmittel
Notarzteinstazfahrzeug | 6789 |
Rettungshubschrauber | 137 |
Rettungwagen | 27363 |
Krankentransportwagen | 7710 |
Feuerwehr (im Durchschnitt sieben Fahrzeuge pro Einsatz) | 7406 |
Auslastung der Rettungswachen
Rettungswache Borken | 1891 |
Rettungswache Fritzlar | 4818 |
Rettungswache Gudensberg | 3432 |
Rettungswache Guxhagen | 1345 |
Rettungswache Homberg | 3596 |
Rettungswache Jesberg | 1957 |
Rettungswache Knüllwald | 737 |
Rettungswache Melsungen | 3920 |
Rettungswache Neukirchen | 1033 |
Rettungswache Oberaula | 517 |
Rettungswache Schwalmstadt | 9973 |
Rettungswache Schwarzenborn | 525 |
Rettungswache Spangenberg | 936 |
Hinweis: Die Leitstelle alarmiert über die Grenzen des Landkreises georeferenziert. Dies wirkt sich insbesondere am Rand des Kreises aus. So kommt es vor, dass Notärzte, Rettungsteams und Krankentransporte über die ordinäre Zuständigkeit des Kreises hinaus alarmiert und zum Einsatz gebracht werden. Hier steht immer die örtliche Nähe und Verfügbarkeit der notwendigen Rettungsmittel im Vordergrund.
Eingesetzte Notarztfahrzeuge im Schwalm-Eder-Kreis | |
Notarzteinsatzfahrzeug Homberg | 1332 |
Notarzteinsatzfahrzeug Fritzlar | 1778 |
Notarzteinsatzfahrzeug Melsungen | 1393 |
Notarzteinsatzfahrzeug Schwalmstadt | 1702 |
Notärzte aus anderen Landkreisen | 584 |
Mehr zum Thema lesen Sie hier:
https://nh24.de/2020/01/30/115-mal-not-jeden-tag/
https://nh24.de/2019/06/15/neues-level-der-hilfeleistung-erreicht/
3 Kommentare
Wenn man in eine Lage kommt, die nicht von einem selber beherrschbar ist, fühlt man sich so hilflos, dass klare Gedanken kaum zu fassen sind. Dann ist man heilfroh, wenn Hilfe eintrifft. Und in der Situation muss man als Bedürftiger mit ansehen, dass die Hilfskräfte von fremden Menschen attackiert werden. Da fällt einem nichts mehr ein. Jeder kann in die Lage geraten, dass er Hilfe braucht, deswegen ist es wichtig die Rettungskräfte zu unterstützen und ihnen dankbar zu sein.
Mir läuft der Schauder den Rücken runter, Tränen dringen in meine Augen! Das geschilderte Szenario hat sich tatsächlich ereignet, ich kenne diesen fast 50 jährigen Mann persönlich! Schön mein Freund das Dein Körper und Deine Seele stark genug waren und noch nicht gehen wollten!
Danke den Ersthelfern und dem Rettungsdienst, wir in Deutschland können froh sein ein so hervoragendes Rettungssystem zu haben!
Es kann immer und überall etwas passieren, scheuen Sie sich bitte nicht mit den lebensrettende Sofortmaßnahmen zu beginnen, nur aus Angst nichts tun ist falsch!
👍
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