HOMBERG/EFZE |WABERN. Am Tag des offenen Denkmals im Jahr 2017 thematisierte der Wernswiger Delf Schnappauf erstmals das Schicksal von Edmund Friedrich Wolfgang Heusinger von Waldegg in der alten Pfarrscheune von Wernswig.
Dieser war in der nationalsozialistischen Zeit Pfarrer im Homberger Ortsteil Wernswig gewesen. Die Biografie des Pfarrers weckte derart das Interesse des Herausgebers, dass rasch Kontakte zu Heusinger von Waldeggs Sohn, Joachim, einem Kunsthistoriker, der als emeritierter Professor für Kunstgeschichte in Karlsruhe lebt, geknüpft wurden.
Neben zahlreichen Fotografien erreichten den Herausgeber auch Scans eines DIN-A-5 Heftes aus Karlsruhe, in dem sich 13 Pfarrer, die zur kirchlichen Opposition innerhalb der protestantischen Kirche bekannten und zur Bekennenden Kirche gehörten. Das Besondere des Hefts ist, dass sich diese Pfarrer gegenseitig auf der lokalen Ebene in und um den heutigen Schwalm-Eder-Kreis schriftlich in Form von Rundbriefen austauschten. Dieser Austausch fand auf 84 Seiten in den entscheidenden Kriegsjahren 1942 und 1944 statt. Dabei erreichten die Rundbriefe sogar Pfarrer, die an der Ostfront im Kriegseinsatz waren. Dies ist umso bewundernswerter, weil sie schließlich mit einem jederzeitigen Verhör durch die Geheime Staatspolizeistelle Kassel im Falle des Bekanntwerdens ihrer Aktivitäten rechnen mussten. Schließlich leisteten auch die Pfarrer seit dem 2. Mai 1938 – ähnlich wie bei der Reichswehr bereits seit dem 2. August 1934 – einen persönlichen Eid auf den „Führer“ und Reichskanzler Adolf Hitler. Ein Grund mehr, ihre Rundbriefe einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zumal so ein interessanter Blick in die Gedankenwelt der mehrheitlich von Landgemeinden geprägten Pfarrer während des Zweiten Weltkriegs ermöglicht wird.
Einer der beteiligten Pfarrer führte seine Pfarrstelle in Homberg/Efze aus, drei in den Borkenern Ortsteilen Dillich, Nassenerfurth und Singlis, einer in Felsberg-Wolfershausen, zwei in Neuenstein-Raboldshausen (Kreis Hersfeld-Rotenburg) und zwei weitere in den Waberner Ortsteilen Harle und Niedermöllrich. Hinzu kommt Emilia Dippel, die Witwe des Homberger Pfarrers Helmut Dippel, die nach dessen Tod im Sommer 1941 im Verteiler der Rundbriefe verblieb.
Die Existenz der Rundbriefe ist einerseits umso erstaunlicher, weil im nördlichen Hessen seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchaus rechte, rechtsradikale und antisemitische Strömungen politisch die Stimmung teilweise beherrschten. Andererseits gab es auch in Nordhessen durchaus eine Opposition bzw. widerständisches Denken gegen das NS-Regime.
In dieser Ambivalenz sind die Rundbriefe der 13 Pfarrer einzuordnen, die in dieser Publikation erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Erstaunlich dabei ist, dass die Pfarrer den Krieg selbst nie in Frage stellten und auch die Analysefähigkeit vermissen lassen, Kriegsursachen und den Verlauf des Krieges in Verbindung zu setzen. Die Bombardierung der Stadt Kassel wird breit beklagt, aber die Hintergründe, warum dies geschah, werden nicht hinterfragt.
Die biografischen Schicksale von sechs weiteren Pfarrern, die sich auf dem heutigen Kreisgebiet in der Opposition und im Widerstand gegen den Nationalsozialismus befanden oder hier geboren wurden, ergänzen die Rundbriefe. Dieser Band erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, im Gegenteil, er möge Anlass dafür sein, weitere Pfarrerschicksale der Region in der nationalsozialistischen Zeit zu erforschen.
Das 338 Seiten starke Buch unter dem Titel „Kirchliche Opposition gegen das nationalsozialistische Regime im Raum Homberg/Efze im Zweiten Weltkrieg – Die Rundbriefe Nr. IV des Kreisbruderkreises Homberg vom September 1942 bis November 1944“ kann für 13,50 € bei Amazon erworben werden. (pm)
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