ALSFELD. Die Kooperationseinrichtung zwischen Vogelsberger Lebensräume und Beratungszentrum Vogelsberg in Alsfeld feiert dieser Tage das 20-jährige Bestehen des Betreuten Wohnens für Menschen mit einer Suchtmittelproblematik.
Seit zwei Jahrzehnten steht das Team aus Sozialpädagogen und Sozialarbeitern fest an der Seite von Suchtkranken, deren Leben längst aus dem Ruder gelaufen ist.
Entstanden ist die Idee für die gemeinsame Projektarbeit als der ehemalige Leiter des Beratungszentrums Harald Lachnit mit Harry Bernardis von den Vogelsberger Lebensräumen zusammensaß und die beiden Sozialpädagogen erkannten, dass sich aus der Tradition der Begleitung psychisch kranker Menschen und der Betreuung von Klienten mit Suchtmittelproblematik Übereinstimmungen ergeben. Auch wenn hier zwei völlig unterschiedliche Philosophien aufeinander trafen, so waren die Schnittmengen nicht zu übersehen und die Idee zum gemeinsamen Einsatz für diejenigen Menschen, deren autonomes Leben aus der Spur geraten ist, nahm Formen an. Die Herstellung eines Alltags ohne Abhängigkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und den Weg zurück in ein sicheres soziales Umfeld zu finden, war und ist bis heute der heere Anspruch der engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei „Betreutes Wohnen Sucht“.
Unter Einbeziehung von Kollegen beider Träger wurden Konzepte gewälzt und individuelle Aspekte entwickelt, bis schließlich im Juli 2000 ein eigenes Konzept für den Standort Vogelsberg beim Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen eingereicht werden konnte, das erfolgreich beschieden wurde. Was vor zwei Jahrzehnten mit drei Klienten und drei Mitarbeitern begann, hat sich im 20. Jahr des Bestehens mit sechs Sozialpädagogen und Sozialarbeitern bei durchschnittlich 35 Klienten längst konsolidiert und ist für viele Menschen mit Suchtmittelproblematik der rettende Anker.
„Wir unterstützen unsere Klienten in ihrem eigenen Lebensumfeld. Vorgeschaltet muss jeder Einzelne aber die freiwillige Entscheidung treffen, zu uns zu kommen und sich helfen zu lassen“, erklärt Sybille Heller die Vorgehensweise. Oft werden Betroffene über den Sozialdienst oder die Stationen der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie am Krankenhaus Eichhof, dem Beratungszentrum Vogelsberg oder dem LWV direkt vermittelt. „Ob Alkohol, Drogen, Spielsucht, Essstörungen oder Medikamentenabhängigkeit, wir können erst zur Seite stehen, wenn Menschen den Weg aus der Abhängigkeit auch wirklich wollen“, beschreibt Susanne Reinhold die Erfahrungen aus zwanzig Jahren.
Einzigartig ist der Zusammenhalt des trägerübergreifenden Teams, das sich in regelmäßigen Treffen abstimmt und gemeinsam entscheidet, wer welchen Klienten betreut. In einem ersten Gespräch mit dem Betroffenen werden die gewünschten Ziele besprochen sowie die Art und Weise einer möglichen Begleitung. Nach einem offiziellen Antrag auf Eingliederungshilfe beim Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) erstellt dieser gemeinsam mit dem Betroffenen einen integrierten Teilhabeplan (ITP), aus dem die Art und der Umfang der Hilfe hervor gehen. „Hierbei geht es nicht darum, was der Kostenträger für wichtig erachtet, sondern das, was der Klient will, steht im Fokus unserer Arbeit. Wir geben nur so viel Unterstützung und Begleitung, wie er oder sie es wünschen“, sagt Michaela Leicht. Der ITP wird in der Regel zunächst für ein Jahr genehmigt und legt fest, wie oft und wann die Besuche stattfinden. Eine Überprüfung erfolgt vor Ablauf der 12 Monate, doch aus Erfahrung wissen alle Sozialpädagogen im Betreuten Wohnen Sucht genau, dass manche Erkrankung schon viele Jahre währt, Rückfälle an der Tagesordnung sind oder sich neben der Sucht noch so manche Begleiterkrankung entwickelt.
„Wenn unsere Klienten in eine Krise geraten, dann können wir nur hoffen, dass sie zum Hörer greifen. Manches Mal hilft schon ein Gespräch, in anderen Fällen ein Spaziergang und zwar unabhängig davon, ob es während der Woche oder am Wochenende stattfindet. Oft ist da sein, zuhören und begleiten schon eine große Hilfe“, charakterisiert Christine Müller-Wolff das außergewöhnliche Engagement im Team. Die Klientel der Alsfelder Einrichtung ist so vielfältig wie die Suchtproblematik. Von 20 Jahren bis zum Rentenalter, ob Mütter mit Kindern, Berufstätige oder Arbeitslose – die Erkrankungen machen nicht halt vor Alter oder sozialer Stellung. Für den einen ist der Wunsch, etwas zu verändern und mit uns in Kontakt zu treten schon ein riesiger Schritt, andere brauchen Begleitung und Unterstützung auch im Umgang mit Angehörigen. Andere wollen Stück für Stück ihr eigenes Leben wieder in den Griff bekommen. In jedem Fall gilt: die Eintrittskarte ist der Wille, etwas zu verändern“, weiß Sybille Heller aus ihrer langjährigen Tätigkeit mit Suchtkranken.
Das Team gewährleistet, dass die Arbeitsstandards und -methoden aus beiden Arbeitsfeldern (Suchthilfe und Gemeindepsychiatrie) zusammengeführt, auf die individuellen Bedürfnisse des Klienten abgestimmt und passgenaue Arrangements getroffen werden. Dafür suchen sie immer den Dialog untereinander, nutzen die wöchentlichen Teamsitzungen sowie gemeinsame Supervisionen und Fortbildungen. Um dieses besondere Jubiläum nicht einfach so verstreichen zu lassen, hat das Team ein kleines Fest mit ihren Klienten geplant – mit großem Abstand und viel emotionaler Nähe.
Das Bild: Das Bild eines selbst betroffenen Künstlers steht für den eigenen Kampf mit der Sucht und für die Chance, die der Rettungsring „Betreutes Wohnen Sucht“ bieten kann. Darüber freuen sich (von rechts) Sybille Heller, Michaela Leicht, Susanne Reinhold und Christine Müller-Wolff. Es fehlen Sabine Reusch und Matthias Mäthrich.