Sozialausschuss: Sportentwicklungsplan / Streit um Basketballplatz
BAUNATAL. Ist Baunatal Sportstadt oder nicht, verdient sie solch ein inoffizielles „Prädikat“ oder verliert sie es? Was macht eine Stadt zur Sportstadt und wann ist sie es nicht mehr? Über alles, was nicht objektiv messbar ist, lässt sich streiten. Das passiert in der Volkswagen-Stadt gerade. Anlass: zwei abgeschraubte Basketballkörbe.
Diese kosten im Sport-Fachhandel in der „belastbaren“ Version rund 300 Euro. Gleichzeitig wird angesichts der Sanierung oder Renovierung von Sportstätten über ein Sportentwicklungskonzept gesprochen. Für die einen ist es lebensnotwendig zum Erhalt der Sportstadt, andere fragen sich, wofür es gut sein kann. Bisher gibt es ein solches Konzept jedenfalls nicht, was einige für dramatisch halten, andere nicht. Aber auch wenn es existiert, dürfte es nicht lange dauern, bis selbst darüber die Meinungen auseinandergehen.
Die Lösung des einen Problems könnte das andere womöglich gleich mit lösen, wobei die Basketballkörbe nicht für das Sportkonzept stehen, andersherum ein Sportentwicklungskonzept aber sagen könnte, wo denn die Basketballkörbe stehen (sollten). Mit beiden Themen hat sich jetzt der Sozialausschuss der Baunataler Stadtverordnetenversammlung beschäftigt.
Ein Sportentwicklungsplan für die Sportstadt
Jetzt will der Magistrat einen Sportentwicklungsplan bei der „Deutschen Berufsakademie Sport und Gesundheit“, die in Baunatal ansässig ist, in Auftrag gegeben. Die Berufsakademie bringt seit 2016 die Sportwissenschaft nach Baunatal. In demnächst drei Studiengängen, mit aktuell 64 und zukünftig 134 Studierenden, sind hier praxisorientierte Studiengänge möglich.
Bürgermeisterin Silke Engler betonte, dass dieses Thema die Stadt schon lange beschäftigt und es nicht nur um einen Sportstättenplan gehe. Ein fertiges Konzept, in das man nur den Ortsnamen Baunatal einträgt, gäbe es indes nicht. Es sind auch sportwissenschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, genauso wie das Lokalkolorit.
Wer, was, wo und wofür?
Prof. Dr. Kuno Hottenrott von der Berufsakademie Akademie, stellte zusammen mit Prof. Dr. Matthias Obinger die Idee für dieses Sportentwicklungskonzept vor. Zur skizzierten Vision von der Sportstadt Baunatal gehören die Förderung von Gesundheit, Fitness und Wohlbefinden durch Bewegung, Sport und Spiel, das Entgegenwirken von Zivilisationserkrankungen und das Schaffen von Bewegungsmöglichkeiten für alle Menschen. Dabei geht es um Angebote für Kinder und Jugendliche genauso, wie für Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen, um vereinsunabhängigen Gesundheitssport und Sportvereinszentren. Zur Organisation eines Sportentwicklungsplanes gehören neben der Vereinsentwicklung auch die Kooperation von Sportvereinen mit anderen Vereinen und Institutionen, interkommunale Zusammenarbeit, eine optimale Sportstättenbelegung, die Pflege und der Betrieb von Sportanlagen oder die Sportförderung. Damit tangiert ein solches Konzept die städtebauliche Gestaltung, bewegungsfreundliche Schulhöfe, Freizeitspielfelder und Bewegungsräume, Rad-, Wanderer-, Inliner-und Reitwege, Sportaußenanlagen, Sporthallen, Sportzentren und gerade in Baunatal den Sport- und Freizeitpark.
Natürlich gehört auch ein Sportstättenkataster zu diesem Konzept. Zunächst aber sollten zwei Fragen beantwortet werden:
- Wie treiben die Baunataler bisher Sport?
- Wie arbeiten die Vereine zusammen?
Auf die Zielanalyse folgt also die Bedarfsanalyse und die Schlussfolgerung, welche Sportanlagen und Sportgelegenheiten in welche Anzahl, in welcher sportfunktionellen und baulichen Ausgestaltung, mit welcher Ausstattung und an welchen Standorten für die Bevölkerung vorzuhalten sind.
Trias der Datenerhebung
Eine Schriftliche Einzelbefragung soll anhand von Zufallsstichproben über die Meldedatei das Verhalten und die Wünsche der Baunataler von 18 bis 80 Jahren erfassen. Dann wird überprüft, ob und wie dies mit den Auffassungen und Vorstellungen von Praktikern aus Politik, Verwaltung und organisiertem Sport korrespondiert. Hinzu kommt eine Ad-Hoc Befragung in allen Stadtteilen im Rahmen einer Bürgerinformationstour. Die Fragebögen sind bereits fertig. Material für ein Sportanlagenkataster ist bereits vorhanden. Er werden aber nicht nur die Anlagen, sondern auch die Sportgelegenheiten erfasst. Danach werden Sportverhalten und Sportstätten bewertet, analysiert und Empfehlungen für Vereine und politische Gremien erstellt. Kein Querschnitt, sondern ein Längsschnitt, wie die beiden Hochschullehrer betonen. Im nächsten Schritt wird sich die Stadtverordnetenversammlung mit diesem Thema beschäftigen.
Reiner Heine (SPD) machte deutlich, dass es auch um Fragen bis hin zur Vereinsfusion geht und Sportstätten für Trendsportarten. Wenn man vor Alternativen und Reihen Folgen in der Umsetzung geht, stellt sich zukünftig die Frage, ob zuerst Sportstätten saniert oder Radwege gebaut werden, ob eine Tribüne zu sanieren ist oder lieber Bolzplätze gebaut werden und wie der nicht vereinsbezogene Sport einbezogen wird. Und damit ging es sofort von der Theorie in die Praxis:
GRÜNE für Basketballkörbe
Die Stadt hat indes zwei Basketballkörbe demontiert und darüber ist öffentlicher Streit entbrannt, der über Presse und soziale Medien ausgetragen wird. Florian Pfeiffer (B90/GRÜNE) griff das Thema im Sozialausschuss für seine Fraktion auf. Lärm im Wohngebiet, ausgehend von einem Sportfeld neben der Sportwelt (KSV Baunatal) war der Anlass. Warum aber so drastisch, fragte er. Sebastian Stüssel (CDU) wünscht sich ebenfalls eine Diskussion über das Thema.
Bürgermeisterin Silke Engler resümierte die öffentliche Darstellung und blickt zunächst zurück: Vor 10 Jahren hat die Sportwelt die gesamte Fläche überbauen wollen. Damals hatten sich bereits 35 Jugendliche dazu geäußert, woraufhin eine öffentliche Fläche erhalten werden sollte. Danach kam es zu dem Beschluss, ein Baugebiet auf der alten Fläche der Theodor-Heuss-Schule zu realisieren. Allen waren die Sportanlagen bekannt. Seit Herbst letzten Jahres wurde berichtet, dass die Nutzungsfrequenz des Basketballplatzes zunimmt. Es wird dort auch gegrillt und Shisha geraucht. Es wurde allerdings auch immer gefordert, dass die Nachbarn sich untereinander verständigen sollen.
Schwierige Kommunikation unter Corona-Bedingungen
Als die Proteste unüberhörbar wurden, hat die Stadt Handlungsbedarf gesehen. Wobei in Corona-Zeiten nicht immer alle erreicht und alle an einen Tisch bringen kann. Nutzer, Nachbarn, Vereine und Streetwork wurden eingeladen. Es waren alle gekommen, nur die Jugendlichen nicht, wobei sie – weil nicht registriert – allerdings auch schwer anzusprechen sind. Verschiedene Varianten wurden besprochen. Dazu gehörten auch Türen und Schließdienst. Die Fläche wird aber auch aus der Nachbarschaft und vom Verein unterschiedlich und zu verschiedenen Zeiten genutzt. Die Ziele: Geräusche reduzieren, Treffpunktcharakter herausnehmen. Bei allen Varianten stand immer auch die Basketballnutzung im Vordergrund. 500 Meter entfernt vom Objekt des Disputes, befindet sich am Second Home ein weiterer Basketballplatz, der eine zumutbare Alternative sein könnte.
Inzwischen hat es auch ein Gespräch gegeben, das Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter (B90/GRÜNE) initiiert hat.
AKTUALISIERT: Dabei waren (laut Nachfrage) die Politik aber nicht die Verwaltungsspitze eingeladen. Silke Engler: „die öffentliche Wahrnehmung berücksichtigt nicht, dass es eine gute Alternative gibt. Wenn diese nicht den Anforderungen entspricht kann man sie allerdings ertüchtigen.“
Drohmail gegen die Bürgermeisterin
Wie sehr die Diskussion inzwischen eskaliert ist, macht die Bürgermeisterin mit der Darstellung darüber deutlich, wie sehr sie inzwischen persönlich betroffen ist: Eine Drohmail an die Bürgermeisterin und eine herabwürdigende Fotomontage in den Sozialen Medien würden als Mittel eingesetzt. Gegen die Drohmail wurde Strafanzeige erstattet.
Florian Pfeiffer (B90/GRÜNE) stellte die Frage danach, wie effektiv ein Ortstermin sein kann? Es müsse Defizite in der Kommunikation gegeben haben. Die Alternativen würden nicht angenommen. Man könnte auch die Nutzungszeiten auf dem alten Platz einschränken und ein Alkoholverbot aussprechen. Gisela Harte (FDP) möchte Vorentscheidungen noch weitere Fragen geklärt haben, beispielsweise wie lange die Lärmbelästigung ist. Von 17 bis 21 Uhr oder länger? „Ich weiß, wie hässlich es ist, wenn unser Nachbar Basketball spielt.“
Sebastian Schlüssel: „nicht die falschen bestrafen!“
Silke Engler konnte darauf sofort antworten: Es gibt keine empirische Erhebung. Man kann bei Social Media allerdings Fotos sehen! Was man nicht feststellen kann, ist wer, wann, was macht. Der Platz wird an allen 7 Wochentagen genutzt und auch in unterschiedlichen Sportaten. Sonntags Yoga ist naturgemäß am leisesten. Auch nach 22 Uhr findet Nutzung statt. Frau Engler verschließt sich nicht gegen weitere Gespräche, betont aber, „es gibt weiterhin Basketball, nur am anderen Ende des Stadtparks.“
Sebastian Stüssel (CDU) betonte: „Sie müssen sich nicht persönlich angreifen lassen! Bei allen anderen Sachen kann ich ihnen nicht Recht geben. Da hat die Verwaltung einen riesigen Bock geschossen!“ Die politischen Gremien sein über Probleme nicht informiert worden. Das Problem, so Schlüssel, ist nicht der Basketball, sondern dass dort gerne über einen Durst getrunken wird. Ein Platz der Zusammenkunft. Sein Fazit: „Wir bestrafen die Basketballer, weil andere dort feiern!“ Die Sportler auf einen anderen Platz zu bringen sei falsch. Es sei eine Frage der Sanktionierung, denn, „wenn ich nachts um 12 meinen Rasenmäher anstelle, dann kommt die Polizei und bei Lärm oder Grillen müssen auch hier die Polizei oder das Ordnungsamt kommen!“ Seine Forderung: Körbe wieder anbringen, ein falsches und zu lautes Gitter gegen einen Maschendraht tauschen, auch ein freiwilliger Polizeidienst wäre eine Möglichkeit.
Wasserwaage oder Wasserpfeife – Wie schlecht ist die Alternative?
Florian Pfeiffer (B90/GRÜNE), ergänzte dass es auch lärmreduzierende Körbe und lärmreduzierenden Belag gebe. Ob die Körbe zurückkommen soll mit den Anwohnern geklärt werden. Gisela Harte (FDP) möchte gerne die Polizei fragen, ob sie aktiv geworden ist. Silke Engler (SPD) betonte noch einmal, kein Argument gehört zu haben, warum der andere Platz nicht genutzt werden kann. Dort sollte es einen Ortsterin geben. Bei mehreren Plätzen müsse erlaubt sein, die Nutzung zu steuern. Die Betroffenen sollten sagen, was dagegenspricht. Man solle nicht über Glaubenssätze reden, sondern über Fakten.
Einer der Nutzer kam in der Sitzung zu Wort: „da müsste was gemacht werden. Der Ausweichplatz ist nicht gänzlich ungeeignet.“ Gegenüber nh24 sagte ein Betroffener, der Platz habe Gefälle. Angeregt wurde von Jugendlichen auch, den jetzigen Platz am Stadtpark sporttechnisch aufzurüsten und den anderen Platz für Feiern und zum Shisha rauchen freizugeben. Also: Wasserwaage oder Wasserpfeife? Das ist übrigens kein typisches Bauntalaler Problem. In Schwalmstadt beispielsweise möchte die CDU mit einem Antrag auf einen Basketballplatz an der Peripherie, feiernde und lärmende Jugendliche aus der Stadt herausbugsieren: SIEHE LINK
Erneutes Gespräch ist geplant
Nach einem Geplänkel über das Initiativrecht des Sozial-Ausschusses nach HGO wurde festgelegt, dass zu einem Termin des Magistrats und der Verwaltung mit Anwohnern und Nutzern – einschließlich Sportverein – auch der Sozialausschuss mit 10 Personen eingeladen wird.
AKTUALISIERT: Dass gleichzeitig Platz am Baunsberg geschlossen wurde, ist allerdings den Sanierungsarbeiten im Kinderhort nach Wasserschäden geschuldet. Dort werden Container aufgestellt. Auch dort gibt es eine Alternative zum Basketballspielen. (Rainer Sander).