Baunataler Stadtverordnete und Ausländerbeirat unter Hochspannung
BAUNATAL. Genau die Punkte, bei denen man wenig Diskussionen erwartet, waren Streitpunkte, andere winkten die Baunataler Stadtverordneten eher durch. Das man sich hinsichtlich eines Antrages aus dem Ausländerbeirat uneins sein könnte, war zu ahnen. Aber der Reihe nach…
Pehlül Karahan wies auf die Änderung der Hessischen Gemeindeordnung bezüglich der Wahlen zum Ausländerbeirat und die Möglichkeit zur Bildung einer Integrationskommission anstelle eines Ausländerbeirates hin. Der Baunataler Ausländerbeirat würde die Bildung einer Kommission als Rückschritt und Einschränkung seiner Arbeit empfinden. Lieber mitsprechen, als regiert werden, so der Tenor. Das impliziert, dass jemand in Baunatal andere Interessen haben könne, was tatsächlich niemand unter den politischen Repräsentanten so formuliert hat. Er begrüßte die Einrichtung eines muslimischen Bereiches auf dem Hauptfriedhof. Kurz und knapp der Bericht.
Der erste Antrag, den je ein Ausländerbeirat in Baunatal gestellt hat, wurde dann – nach kontroverser und emotionaler Diskussion – nicht einstimmig angenommen. Dem „Hessischen Plädoyer für ein solidarisches Zusammenleben“ unter dem Thema „Die Würde des Menschen zu schützen ist Sinn der Demokratie“, konnten nicht alle Stadtverordneten zustimmen.
Christian Strube (SPD) kritisierte nicht nur Rassismus und Gewalt, sondern auch die zunehmenden Pauschalierungen und in diesem Zusammenhang auch die unsäglichen Äußerungen der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken zur Polizei. Die SPD werde dem Antrag zustimmen.
Sebastian Stüssel: Toleranz und Respekt sind keine Einbahnstraße!
Sebastian Stüssel (CDU) wollte das ganz anders bewerten. Offenheit: „Toleranz und Respekt sind keine Einbahnstraße“, formulierte der Fraktionsvorsitzende. Leider passe das das nicht zum Verhalten des Baunataler Ausländerbeirates in der jüngsten Zeit: „Respekt und Toleranz sind für den Baunataler Ausländerbeirat offensichtlich nicht gefragt, sonst hätte es die persönlichen Angriffe gegen Mitglieder der CDU und der GRÜNEN nicht gegeben.“ Bisher habe es keine Entschuldigungen gegeben. Und weiter: „Wer mich als Rassist angreift, weil ihm meine Meinung nicht gefällt, ist selbst ein Rassist!“ Wohin soll ein solcher Umgang führen, will Stüssel wissen. Das beleidige die Würde dieses Hauses. „Und von Personen, die keine Einsicht zeigen, nehmen, wir auch keine Ratschläge an!“ Und er wolle schon gar keine Worthülsen über Toleranz. Die Angelegenheit sei dennoch bedauerlich. Von der Mehrheitsfraktion – also er SPD – habe man sich mehr Fingerspitzengefühl erwartet. Für Rassismus, Diskriminierung und Intoleranz sei dennoch in Baunatal kein Platz, so die abschließende Klarstellung von Stüssel.
FDP und GRÜNE kritisieren Äußerungen, wollen aber zustimmen
Dr. Reiner Oswald (FDP) fand den Antrag anfangs eher unsinnig, weil alles über die Grundrechte abgedeckt ist. Der von Herrn Stüssel angesprochene Vorgang sei im Ältestenrat ausführlich besprochen worden und der Inhalt sei keine Einbahnstraße, sondern gelte auch für die Antragsteller.
Dr. Edmund Borschel (B90/GRÜNE) hat viele Jahre im Ausland gearbeitet und weiß deshalb das Grundgesetz zu schätzen. Viele Länder in Europa, nicht nur Ungarn und Polen innerhalb der EU, beispielsweise auch die Türkei und Russland außerhalb der EU, pflegten einen anderen Umgang mit ausländischen Mitbürgern. Eine gute Verfassung mit Gewaltenteilung reiche nicht. Wer Respekt erwarte, müsse ihn auch zeigen. Damit zeigte sich Der Grünen-Fraktionsspreche ebenfalls betroffen von Rassismusvorwürfen aus dem Ausländerbeirat. Trotz der Konflikte wollten die Grünen dem Antrag aber zustimmen.
Pehlül Karahan: Stüssel soll sich entschuldigen!
Pehlül Karahan verteidigte sein Verhalten ohne Korrektur. Eine Entschuldigung habe der Ausländerbeirat von Herrn Stüssel erwartet. Alle Fraktionen waren eingeladen. Die CDU war als einzige nicht dabei, als es um die Abschaffung des Ausländerbeirates gegangen sei. Dass es in Baunatal friedlich zugeht, habe die Stadt auch dem Ausländerbeirat zu verdanken. „Was“, möchte er von Herrn Stüssel hören, „stört Sie an dem Antrag? Sie sind derjenige, der sich nicht bemüht hat!“
Magistratsmitglied Andreas Mock (CDU) konnte als persönlich angesprochener in der Stadtverordnetenversammlung eine persönliche Erklärung abgeben: „Ich bin als Rassist bezeichnet worden, CDU-Mitglieder als Vorbereiter der AFD und als Rechtsradikale, nur weil sie einer Einladung nicht gefolgt sind. Herr Karahan habe aber Herrn Erdogan mehrfach gelobt und für diese Demokratiefeindlichkeit habe Mock eigentlich eine Entschuldigung erwartet. Sebastian Stüssel erwiderte den Vorwurf der Missachtung oder Feigheit mit einer Erklärung zu seiner Person. Er habe vor nichts und niemandem Angst und sei bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Es wäre angesichts der Verteidigung von Herrn Erdogan im Ausländerbeirat interessiert zu erfahren, wie viele Kurden dort vertreten seien. Niemand wolle einen Ausländerbeirat abschaffen! Das sei eine Unterstellung.
Edmund Borschel: Das Gesetz lässt keine Abschaffung von Ausländerbeiräten zu
Darauf ging Herr Karahan nicht ein. Er versuchte die CDU zu spalten und blickte in die Vergangenheit: Mit Herr Albrecht und Herrn Tyrasa habe es immer eine gute Zusammenarbeit gegeben. Die CDU verließ bei dieser erneuten Wortmeldung – bis auf Herrn Stüssel – die Stadtverordnetenversammlung. Christian Strube (SPD) bot daraufhin an, ein Gespräch zwischen CDU und Ausländerbeirat zu moderieren.
Edmund Borschel (B90/GRÜNE) möchte einer Legendenbildung vorbeugen. Im Gesetz stehe etwas anderes, als das, was in der Diskussion mehrfach gesagt wurde. Im Gesetz stehe, dass überall dort, wo es Ausländerbeirate gibt und diese wieder zur Wahl antreten, auch solche gewählt werden müssen. Aber dort, wo das nicht möglich ist, können alternativ nun wenigstens Kommissionen gebildet werden. Also eine Verbesserung für die ausländischen Mitbürger. Auch Borschel fordert: Kulturelle Vielfalt der Baunataler Bürger müsse im Ausländerbeirat repräsentiert werden und auch der Geschlechterproporz berücksichtigt werden. Nur eine Frau sei zu wenig. Die Akzeptanz des Ausländerbeirates wird umso höher steigen, so der Grünen-Fraktionschef, als die Wahlbeteiligung ist. Unter 10 Prozent sei ein Wert, den man steigern könne.
Daniel Jung: Inhalt sollte Demokraten verbinden
Erster Stadtrat Daniel Jung lenkte die Diskussion auf den eigentlichen Tenor des Plädoyers zurück. Gemeint seien die Zunahme von Hass und damit einhergehend die zunehmende Bedeutung rechtspopulistischer Parteien. Das sollte über unterschiedliche Tendenzen hinweg alle Demokraten verbinden.
Stüssel: Ausländerbeirat hat sich 25 Jahre nicht eingebracht
Sebastian Stüssel konnte und wollte nicht zurückweichen: „Was die CDU hier zeigt, ist auch Zivilcourage. Wenn man etwas fordert, muss man es auch selbst einhalten!“ Der Ausländerbeirat habe sich in den 25 Jahren, die Herr Karahan als persönlichen Erfolg bezeichnet, noch bei keiner einzigen Vorlage im Stadtparlament beteiligt, obwohl er bei allem hätte mitreden können.
Gerhard Sell (CDU) hat die Situation persönlich betroffen gemacht. Im Ausländerbeirat habe man gesagt, bei der CDU und den GRÜNEN gäbe es Rassisten und sich nicht dafür entschuldigt. Auch eine Richtigstellung oder Erklärung sei nicht erfolgt. Und nun solle sich der Beleidigte entschuldigen, weil er nicht da war. Edmund Borschel bat um das Ende der Debatte und eine Behandlung im Ältestenrat.
Der Stadtverordnetenvorsteher Henry Richter schlug eine Vertagung der Abstimmung nach einem Gespräch vor. Antragsteller Karahan fand hingegen, dass man auch nach der Abstimmung noch reden könne. Die Abstimmung erfolge gegen die Stimmen der CDU aber mit allen anderen Fraktionen für die Erklärung. Was bleibt, ist eine missliche Stimmung. (Rainer Sander)