Kontroverse trotz breiten parlamentarischen Konsenses
GUDENSBERG Erwartungsgemäß konfrontativ ging es vor der Abstimmung über das neue Baugebiet Gudensberg Süd zu. Dirk Schütz (SPD) beschreibt die Online Informations-Veranstaltung mit 130 Teilnehmern als Erfolg, schließlich waren weit mehr Menschen einbezogen, als bei der letzten Offline Bürger Information im Bürgerhaus.
Eine solche „Versammlung“, ganz gleich ob Online oder Offline sei dennoch nur ein Zusatz und werde im Verfahren nicht gefordert. Das Bebauungsplanverfahren verlangt nur die öffentliche Auslegung der Pläne.
Jochen Noll (SPD): Wohnt neben dem Kindergarten am Kastanienweg und freut sich, den Kindern beim Spielen zuzusehen. Schulen, Kultur und eine funktionierende Wirtschaft haben aus Gudensberg eine attraktive Stadt gemacht, aus der die Kinder nicht „fliehen“, wenn sie das Berufsalter erreicht haben. Warum solle man sich also darüber wundern, dass 200 Anfragen auf Baugrundstücke vorliegen? Trotzdem stellt auch er die Frage: Wird durch die Ausweisung eine Baugebietes die Natur geschädigt? Diese könne dadurch sogar aufgewertet werden. Die Gesamtstruktur entscheidet. Er hat selbst gebaut und erkennt, dass damit nicht das Recht verbunden ist, dauerhaft freie Sicht garantiert zu bekommen. Dass die Bürger auch von Zuhause aus die Möglichkeit hatten, sich zu informieren wertet er als zusätzliches Plus. Nirgends sei solch eine großer Gegenwind zu spüren. Er hofft, dass bei den Protesten nicht die persönlichen Interessen im Vordergrund stehen.
Grüne Lunge oder ungepflügter Acker?
Petra Gottwald (B90/GRÜNE) beschreibt das Baugebiet Gudensberg Süd als ein Reizthema. Die Aussage, man würde das Gebiet aufwerten, grenze an Arroganz. Eine Aufwertung könne man nur durch ökologische Bearbeitung, aber nicht durch Versiegelung erreichen: „Das ist die Grüne Lunge Gudensbergs! Will man, um 200 Bauwillige zufriedenzustellen dafür eine Mehrheit der Bürger verärgern, nur um auf 10.000 Einwohner zu kommen?“ So ihre provokative Frage. Auch die Grünen sind für neue Baugebiete, aber nicht dort.
Dieter Heer (CDU) erkennt in der Fläche für das Bebauungsgebiet keine Grüne Lunge von Gudensberg. „Ich habe dort nur ungepflügten Acker gesehen!“ Natürlich sei Ackerland wertvoll, aber man müsse sich von der Vorstellung trennen, dass Gudensberg ein kleines verschlafenes Provinzstädtchen bleiben könne. Das Rad der Entwicklung ließe sich nicht zurückdrehen. Alle Gegner müssten sich selbst fragen, wie sie leben und ob für ihr Einfamilienhaus nicht auch Bodenflächen geopfert wurden.
Kritiker haben selbst dort gebaut – Livestream nur Klamauk?
Antonio Gottwald (B90/GRÜNE) findet: „Wir machen weiter wie bisher!“ Warum mache man nicht schlechteren Boden zu Bauland, fragt er: „Wo gehen wir in 20 bis 30 Jahren hin?“ Die Grünflächen sorgen für Luftfeuchtigkeit. In den Häusern werde es Schwitzzellen geben. Man müsse jetzt alle Bürger von Gudensberg fragen. Bei „irgendeiner Livestream-Sendung“ reiche es nicht aus, nur die Fakten aufzählen. Man könne um das Areal auch herumbauen.
Tim Herbst (SPD) reagierte auf die Anspielung von Frau Gottwald (B90/GRÜNE) bezüglich der 10.000 Einwohner und der kolportierten Vermutung einer höheren Bürgermeister-Besoldungsstufe: „Das funktioniert so nicht!“ Mehrmals gab es zwischendurch Proteste aus dem Zuschauerraum, die in Parlamenten – ganz gleich welcher Ebene – grundsätzlich nicht zugelassen sind. Alexander Höhmann (SPD) reagierte darauf: „Der Zwischenrufer hat vor fünf Jahren selbst erst dort hingebaut!“ Und Bürgermeister Frank Börner reagierte entschlossen: „Eine Stadt, die den jungen Leuten kein Baugebiet in ihrer Heimatstadt anbieten kann, hat keine Zukunft.“
Die Abstimmung, dass Rückhaltegebiet und Straße aus dem Bebauungsplan herauszunehmen erfolgte einstimmig, bei der Abstimmung über die nun beschlossene Offenlegung gab es 3 Gegenstimmen der Grünen. CDU und SPD votierten geschlossen und mit großer Mehrheit dafür.
Wohnraum statt alter Waffelfabrik
Auch mit dem Bebauungsplan „Hinter dem Hahn“ stand auf der Tagesordnung. Auf dem Gelände der ehemaligen Waffelfabrik ist eine verdichtete Bebauung geplant, die Fabrik selbst ist bereits abgerissen. Die Auslegung war bereits im November/Dezember erfolgt. Julian Brand (SPD) erläuterte: „Innenausbau geht vor Außenausbau“. Zurecht hätten sich die Bürger zu Wort gemeldet, aber man könne es nicht recht machen. Marcel Breidenstein (B90/GRÜNE) begrüßte, dass eine seit Langem versiegelte Fläche weiter genutzt wird und Wohnungen entstehen. Einstimmig haben die Gudensberger Stadtverordneten am Donnerstagabend Baurecht geschaffen.
Finanzierung der Kindertagesstätte im Stadtteil Maden nicht gefährdet
1,5 Millionen Euro Zuschuss waren für die fünf ruppige Kindertagesstätte im Stadtteil Maden beantragt und durften nach den Richtlinien auch erwartet werden. Der Landkreis hat nun mitgeteilt, dass Mittel des Programms seitens des Landes allerdings erschöpft sind. Es entsteht eine Lücke im Haushaltsplan. Einstimmig beschlossen die Stadtverordneten jetzt zur Schließung der Lücke entweder Rücklagen verwenden oder Kredite aufzunehmen.
Michael Höhmann (SPD) befand: „wir stehen vor einem Rätsel!“ Schon jetzt seien 10 Prozent des Haushaltes für die Kinderbetreuung eingeplant. Nun fehlen nicht nur die Betriebskosten. Es fließen insgesamt nur 1,3 Millionen Euro für acht Kindergarten-Projekte in den Kreis. Es habe aber auch einen gewissen Charme auf die Rücklagen zurückzugreifen, schließlich zahle man ja Zinsen für das gesparte Geld. Auf jeden Fall solle der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz erfüllt werden.
Keine Kindergartenbeiträge für April und Mai
Mit einer Änderung der Kostenbeitragssatzung über die Benutzung der Kindergärten verzichtet Gudensberg auf die Kostenbeiträge für die Monate April und Mai 2020. Tim Herbst (SPD) begrüßte die Einigkeit der 27 Bürgermeister im Kreis untereinander. Das Land lasse die Kommunen wieder einmal allein. In vielen anderen Bundesländern sei das nicht so.
Dieter Heer (CDU) erkennt zwar: „Wir können das auf Dauer nicht leisten“, natürlich könnte aber ohne Leistung kein Geld verlangt werden. Er zitierte zudem aus einem Brief, den Eltern an alle Mandatsträger und die Kindergartenleiterin geschickt hatten und in dem sie kritisieren, die Kindergärten wären 3 Monate lang nicht mit den Kindern in Kontakt getreten und Erzieherinnen hätten Ärger für Kontakte sogar bekommen? Er zeigte sich dankbar für das Schreiben, möchte aber wissen, „was ist da passiert?“ Die CDU-Fraktion interessiert, ob Eltern einen falschen oder richtigen Maßstab anlegen. Das solle in der nächsten Sitzung beleuchtet werden.
Bürgermeister Frank Börner (SPD) reagierte unmittelbar: der Brief sei in der Sitzung des Kindergarten-Elternbeirates besprochen worden und die Elternbeiräte hätte sich mehrheitlich vom Inhalt distanziert.
Änderungen beim städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK)
Die Anerkennung des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) stand erneut auf der Tagesordnung. Die Stadtverordnetenversammlung der beschloss für das Städtebauförderprogramm „Lebendige Zentren“:
- die nach den Auflagen des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen überarbeitete Fassung des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) und
- die Neudefinition des Fördergebiets durch die Verlegung der südlichen Grenze auf die nächst südliche Parzellengrenze am Fuß des Schlossbergs anhand der vorliegenden Kartierung.
Michel Höhmann (SPD) sieht durch eigene städtische Maßnahmen die Kommunikation und die Wirtschaft gefördert.
Solaranlagen auch in der Altstadt möglich – gesplittete Abwassergebühr kommt
In der Abwägung zwischen Erscheinungsbild und Nachhaltigkeitsinteressen beschlossen die Stadtverordneten einstimmig auch in der Altstadt Solaranlagen auf Dächern – parallel zur Dachfläche – zuzulassen.
Als eine der letzten Kommunen im Landkreis führt die Stadt Gudensberg außerdem die gesplittete Abwassergebühr ein. Gudensberg hat mit Luftbildern sieben Kategorien gebildet und eine wahre Herkulesaufgabe wie bewältigt. Zurzeit laufen in zwei Dorfgemeinschaftshäusern die Beratungen. (Rainer Sander)