Haupt- und Finanzausschuss gegen Mittel-Aufstockung um 500.000 Euro
HOMBERG. Die CDU hat einen Antrag in den Kreistag zur Förderung der „Digitalen Infrastruktur“ in den Schulen im Schwalm-Eder-Kreis eingebracht, mit dem sich der Haupt- und Finanzausschuss am heutigen Mittwoch in einer Sitzung in der Stadthalle Homberg befassen musste:
Der Kreistag soll am 29. Juni 2020 beschließen, dass aus den Mitteln der Wirtschaftsförderung 200.000 €uro und aus dem Kreisausgleichsstock weitere 300.000 €uro umgewidmet werden, um 500.000 €uro in die digitale Infrastruktur der Schulen für die Schülerinnen und Schüler zu investieren. Die Begründung: Schulen leisten unter den schlagartig geänderten Vorzeichen zusammen mit den Eltern Enormes für die Schülerinnen und Schüler im Kreis. Es seien Lernsituationen notwendig geworden, die so in dieser Intensität nicht denkbar waren und hier gelte es, zu unterstützen. Es müsse Geld in die Hand genommen werden, um neben der Infrastruktur auch die notwendigen Gerätschaften bereitzustellen.
Landrat Winfried Becker: Kreis ist gut aufgestellt
Landrat Winfried Becker (SPD) erläuterte, dass 951.000 €uro Bundes- und Landesmittel für Endgeräte zur Verfügung stünden. Noch hätten aber nicht alle Bundesländer zugestimmt. Der Kreis, so Becker, ist bereits gut ausgestattet, die Schülerinnen und Schüler können Geräte leihen, wenn ihnen kein eigenes zur Verfügung steht. Sie seien gefragt worden.
Wiebke Knell (FDP) findet, es mache nur Sinn, wenn alle Schülerinnen und Schüler die gleiche Software benutzen. Was kostet es, alle Schüler im Kreis mit dem gleichen Standard auszustatten, möchte sie wissen. MdL Mark Weinmeister (CDU) ist erstaunt, dass das Interesse überschaubar zu sein scheint. Ist dann die öffentliche Diskussion falsch, stellt er als Frage in den Raum oder ist die Bevölkerungsstruktur anders im Schwalm-Eder-Kreis? Es wäre dann auf Landesebene sinnvoll zu überlegen, das Geld in solchen Fällen gezielt und nicht gleichmäßig verteilt auszugeben.
Weinmeister: Innovationswechsel nicht finanzierbar – Hessler: Lehrer müssen erst lernen
Der Innovationswechsel sei außerdem sehr hoch, stellt der Staatssekretär mit Staatsexamen als Lehrer fest. Alle zwei Jahre müssten Geräte deshalb ausgetauscht werden. Das spräche für gezielte Unterstützung.
Landrat Winfried Becker (SPD) erklärt, der Schwalm-Eder-Kreis habe über 19.000 Schüler. Geräte, wie sie jetzt in Altenheimen (zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte) für 150 Euro ausgegeben werden, reichten für Schulen nicht aus. Diese kosten mindestens 600 Euro. Alle zwei Jahre neue Geräte für alle diese Schülerinnen und Schüler neu anzuschaffen, sei finanziell nicht leistbar. „Es muss in jedem Haus auch die entsprechende Bandbreite vorhanden sein. Wir können froh sein, dass das Breitband-Projekt umgesetzt ist,“ freut sich der Landrat. Die Programme seien alle Cloud-basiert. Daher würde sich die Frage nach der Kompatibilität, wie von Frau Knell befürchtet, nicht stellen. In den Schulen fehlten allerdings dafür zum Teil noch die Voraussetzungen. Wie, so fragt der Landrat, findet Schule nach den Sommerferien statt? Der Virus wird noch da sein!
Bernd Heßler (SPD) unterstützt den Landrat: „Es hat nicht jeder Haushalt einen W-LAN-Anschluss!“ Achim Jäger (FWG) gibt zu bedenken: „Es reicht nicht aus, iPads zu kaufen, es müssen auch die Lehrer da sein, die damit umgehen.“
Dietrich Hahn: Rückschritt nach Corona verhindern!
Dietrich Hahn (CDU) bittet darum, den Antrag ohne die wochenalte Begründung lesen: „Es wird eine Post-Corona-Zeit geben, in der dann jetzt entstehende digitale Konzepte weitergeführt werden.“ Sinnvolles dürfe nicht zurückgedreht werden. Auch dann müssten die Voraussetzungen stimmen und deshalb sei es wichtig, jetzt Mittel zur Vorbereitung auf die Nach-Corona-Bedingungen eingesetzt werden.
Landrat Winfried Becker (SPD) sieht keine Notwendigkeit. 2,5 Millionen €uro Eigenmittel seien für die Digitalisierung sowieso in den Haushalt eingestellt, um mit 7,5 Millionen €uro Bundesmittel, insgesamt 10 Millionen €uro für die Digitalisierung aufwenden zu können. Es würde Zeit brauchen, einen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen.
Winfried Becker: E-Learning nur sinnvolle Ergänzung – Lehrer und Anschlüsse die Nadelöhre
Es gäbe Schüler, die E-Learning nutzen, so Winfried Becker, aber auch solche, die 10 Wochen Ferien gemacht haben: „Es geht nicht alles aus dem Wohnzimmer. Präsenzunterricht war ja nicht jahrzehntelang falsch!“ E-Learning sei eine sinnvolle Ergänzung.
Bernd Heßler (SPD) ergänzte: „Man kann mit dem Geld jetzt gar nichts anfangen, eine Haushaltsänderung würde alles ad Absurdum führen. Auch der studierte Lehrer Hans Joachim Böhme-Gingold (LINKE) vermisst den großen Wurf, um Geräte didaktisch sinnvoll im Unterricht umzusetzen. Lehrern müsse man Ängste nehmen. Hier liege das große Nadelöhr, das dafür sorge, dass die Geräte am Ende möglicherweise nicht genutzt werden.
Wiebke Knell (FDP) möchte wissen, wie der Bedarf ermittelt wurde. Winfried Becker erkennt den Flaschenhals nicht in den Endgeräten. Die Pädagogen selbst seien ein Flaschenhals und noch immer hätten nicht alle Haushalte schnelles Internet. „Wir haben“, erinnert Becker, „150 Millionen Euro in den Breitbandausbau investiert. Glasfaser in alle Haushalte hätte 1,4 Milliarden Euro gekostet.“ Man solle bitte nicht den Eindruck suggerieren, mit Geld ließen sich alle Probleme lösen. Der Schwalm-Eder-Kreise habe 1.300 Geräte zum Ausleihen, vermutlich die gleiche Anzahl noch einmal von Fördervereinen.
CDU: „Wach werden!“
Reinhard Otto (CDU) möchte bei Zukunftsthemen „einfach mal wach werden“ und Dietrich Hahn vermutet, die Art der Kommunikation habe Einfluss auf das Ergebnis. Ist gefragt worden, wer ein Gerät braucht, will er wissen? Kann es sein, dass sich Familien nicht trauen zu sagen, dass sie bedürftig sind? So die Vermutung.
Winfried Becker erklärt, die 10 Millionen €uro im Haushalt aus dem Digitalpakt reichen, die Lieferzeiten lägen sowieso in der Menge bei 6 bis 12 Monaten. Wir werden Zeit brauchen, an Geld mangelt es nicht, sondern an der Umsetzung, so das Resümee des Landrates.
Zusätzliche Mittel finden keine Mehrheit
Mit Mehrheit von SPD und FWG überstimmte der Haupt- und Finanzausschuss – bei der Vorbereitung der nächsten Kreistagssitzung – CDU und FDP und lehnte zusätzliche Mittel ab. (rs)