„Dorfrocker“ im Homberger Autokino
HOMBERG/EFZE. 1200 Livekonzerte haben die Dorfrocker laut Wikipedia bisher gespielt. Das sind im Schnitt 85 jedes Jahr. Alle sechs Wochen sind sie rein statistisch im Fernsehen zu sehen. Mit richtigem Rock und richtigen Partytexten haben sie sich in die Herzen und vor allem die Tanzbeine eines Millionen-Publikums gespielt.
Knackige Rockmusik spielen sie und dichten dazu absolute Mitsing-Schlager-Texte. Mehr geht für eine gute Party kaum. Mit Dauerbrennern wie „Und ab geht die Lutzzzi“, „Vogelbeerbaum“, „Auf der Alm“, „Tiefkühlpizza“, „Hey Schakkeline, wo ist die Vaseline“? oder „Engelbert Strauss“ haben sie sich in die Herzen und auch der Stimmbänder der Party- und Ballermann-Szene gespielt. Eine Party ohne Dorfrocker ist zwar theoretisch noch möglich, aber praktisch kaum vorstellbar. Wie ist es da, wenn man zur Untätigkeit verurteilt ist?
Alle Diesel-Fahrer hupen!
Es ist also richtig schwer still zu stehen oder gar zu sitzen, wenn die drei Brüder Thomann zusammen mit Gastmusikern losrocken. Also genau das Richtige für ein Autokino? Wie das so ist, wusste das Quintett „vor Homberg“ auch noch nicht. Aber sehr schnell gab es die richtigen Ideen. Wo sonst mal die Männer und mal die Frauen, mal die rechte oder mal die linke Seite des Publikums „Laut geben“ sollen, hieß es jetzt: „Alle Diesel-Fahrer hupen!“ Oder „Jetzt alle Benziner Lichthupe!“ Bei „Alle Teslas!“ kam allerdings noch nichts im Homberger Autokino. Insgesamt fast 100 Autos hatten Weg ins Autokino gefunden.
Mit dem Lied „Feuerwehren“ haben sie die aktuelle Hymne der freiwilligen und berufsmäßigen Feuerwehren geschrieben, von denen auch in Homberg eine Menge dabei waren. Seit einigen Jahren Dauerbrenner ist „Dorfkind“ aus dem Jahr 2012. Es beschreibt das Lebensgefühl von Menschen, die im dörflichen Umfeld aufwachsen und wo könnte das – außer nach Unterfranken, wo die Dorfrocker herkommen – besser passen als in der Region zwischen Schwalm und Chattengau?
Dorfkinder sind aus gutem Holz und halten Abstand
Dass Dorfkinder aus gutem Holz sind, würde hier jeder bestätigen, selbst Menschen aus Fritzlar, Homberg oder Schwalmstadt. Und hilfsbereit sind sie auch. „Das erste Auto, das uns jetzt ein frisches Veltins bringt, hat gewonnen“, rief Markus Thomann und prompt gab es eine Flasche Bier aus der ersten Reihe, auch ohne loszufahren. Lebenshilfe gab’s, „Wasser ist zum Waschen da“ und neue Weltsichten: „in Afrika ist Muttertag“.
Live covert die Band auch schon mal Kollegen, so war „Mama Laudaaa“ der erste richtige Mitsing-Hit auf der leisen Bühne. Die Musik kam wie immer aus dem UKW-Radio und nicht aus der PA, aber diesmal – der leichten Lockerungen wegen – auch aus allen geöffneten Autofenstern. Neben dem Auto Stehen ist kein Vergehen mehr, wenn 1,50 Meter Abstand eingehalten werden.
Endlich wieder feiern und trotzdem an Oma Hanna denken
Die Bilder verraten viel von der ausgelassenen Stimmung zwischen Musikern, die seit Langem zum ersten Mal wieder auf einer Bühne gestanden haben – und das zweite Mal nach vorgestern in einem Autokino – sowie einem Publikum, das schon seit einem Vierteljahr nichts mehr feiern darf. nh24 war im Dialog zwischen Markus Thomann und Rainer Sander denn auch live dabei und hier sind die versprochenen Fotos.
Bei aller Freude gab es auch nachdenkliche Töne, Philipp, Tobias und Markus Thomanns Oma Hanna ist gerade mit 91 im Altenheim gestorben und die drei Brüder haben sie zuletzt vor Corona gesehen. So wenig kann man vor der Realität fliehen, aber schön ist es, wenn das Leben in neuer oder alter Normalität weitergeht. Dazu haben die Dorfrocker mit ihren Titeln wie „Zamm halten“ und „Stille Helden“, beide aus dem Jahr 2020, auf ihre Art beigetragen.
Nächstes Konzert: My’tallica
Beim nächsten Konzert im Autokino wird es metallisch. Am 20. Juni kommen My’tallica. (Rainer Sander)