Begeisternder Vortrag von Bruder Paulus in Kassel
KASSEL. „Der Verstand ist auch getauft!“ Mit diesen Satz machte Deutschlands bekanntester Kapuzinermönch gleich am Anfang seines Vortrages im Kassel deutlich, um was es ihm geht: Bruder Paulus will, dass man den christlichen Glauben versteht und seine Herausforderungen annimmt.
Er begeisterte bei einem Vortrag, der Mut machen wollte und aufklären zugleich. Über 300 Menschen waren gekommen.. „Gott hat etwas von Tanz und Tango“, sagt Paulus und tänzelt durch die Kirche. Ihn bewege Gott, mache ihn fröhlich. Das nimmt man ihm ab. Er stellt den Glauben an diesen Gott vor und scheut auch die Provokation nicht. „26 Millionen ‚gelernte Atheisten‘ stellen als Neubürger nach der Wiedervereinigung ein größeres Integrationsproblem dar als 1 Millionen gläubige Moslems“, ist nur ein Satz dieses Abends, der Debatten ausgelöst haben dürfte. Nein, sein Vortrag predigt keine Kuschelkirche. „Wir haben aus der Religion einen bürgerliche Wohlstandsclub gemacht“ klagt er. Dabei schließt er seinen eigenen Orden von dieser Zustandsbeschreibung nicht aus. „Wir sind als Kapuziner so was von abgesichert, dass sich der Heilige Franziskus im Grabe rumdreht“.
Bruder Paulus ging in gewohnt packender Art dem Christentum an die Wurzel und legte die glücklichen Perspektiven frei. Engagiert, humorvoll und provokativ sprach er darüber, warum und wozu der christliche Glaube begeistert. Religion ist für Bruder Paulus eine Unterbrechung in dieser Welt. „Unterbrechungen erlebt man heute kaum noch. Sogar die Sendepause im Fernsehen ist abgeschafft und gleichzeitig sollen alle Geschäfte am besten rund um die Uhr geöffnet sein“, so der Kapuziner aus Frankfurt. Christinnen und Christen seien mit der Taufe auch dazu berufen immer wieder in der Welt einen Schritt zurück zu treten und zu fragen „ob das alles so richtig ist“.
Bruder Paulus machte keine Hehl daraus, dass Christinnen und Christen „anders sind“ und deshalb auch Millionenfach auf der Welt Verfolgungen ausgesetzt sind. „Beängstigend“ an den Christen sei für viele Staatsmänner, dass Christen revolutionär seien und wissen, dass nicht ein Staat oder Präsident das letzte Wort in ihren Leben hat. Das Spezifische am Christentum ist für Bruder Paulus, dass das „Gewachsene nicht das letzte Wort habe, sondern der, der das Gewachsene hat wachsen lassen“. Aus dieser Haltung der Freiheit heraus könnten sich Christinnen und Christen einmischen und mitmachen, damit sich die Welt verändert. „Das was ist, bleibt nie. Das können wir Christen fröhlich sagen, aber genau das ist auch ein Stachel“, weiß der Ordensmann zu berichten.
Das Besondere an der christlichen Gottesvorstellung sei, dass Gott die Sünder liebt und „nicht wie die Welt nach dem Motto „i first“ nur die Stars, Schönen und Besten“. Christen hätten einen Grund aufzustehen und einen Grund für ihr Leben, der nicht in Ego und Haben zu finden sei. Bruder Paulus: „Bei Gott bin ich wer. Gott baut mich auf und macht mich groß.“ Das habe auch die Kirche oft falsch gemacht: „Früher hat man Gott besonders groß dargestellt, um dann den Menschen besonders klein wirken zu lassen.“ Aber Gott sei ganz anders. Er gebe den Anstoß dazu, dass jeder Mensch etwas sei.
Angesichts von mehr Menschen mit anderer Religionszugehörigkeit in Deutschland sind die Christgläubigen neu gefragt: Was glaubt ihr eigentlich? Wer ist dieser Jesus? Und auch: Warum seid ihr so anders? – Ob wir so anders sind, stellen wir oft selbstkritisch in Frage. Es bleibt aber der Auftrag, den eigenen Glauben wieder deutlicher in den Blick zu nehmen und unter dem, was „man“ gewohnt ist, das Feuer zu entdecken, dass Gott in Jesus Christus unauslöschlich auf die Erde geworfen hat. Bruder Paulus Terwitte ist Priester an der Liebfrauenkirche in Frankfurt, Seelsorger, Streetworker, Journalist, Autor, Referent, Moderator, häufiger Gast in Fernsehsendungen.
Eingeladen hatte die Kirchengemeinde Sankt Elisabeth Kassel und der Kolpingwerk Diözesanverband Fulda mit der Kolpingsfamilie Kassel-Zentral im Bezirksverband Nordhessen. Musikalische Akzente setzte Regionalkantor Thomas Pieper mit Improvisationen an der Bosch-Bornefeld- Orgel. Birgit Gruß hatte zu Beginn das Kolpingwerk als Familien- und Sozialverband vorgestellt. Bruder Paulus ging in seinem Vortrag auch immer wieder auf die Rolle der Verbände ein und machte ihnen Mut, offen und kreativ für Neues und Neue zu sein. „Die Kolpingschwestern und Kolpingbrüder müssen im Dorf die Ersten sein, die sich über Neuzugezogene und zunächst Fremde freuen und sie mit offene Armen als Bereicherung empfinden“, so schrieb der Kapuziner den Zuhörern ins Stammbuch. Und in aller Herzlichkeit sollten sie dabei ruhig kritisch bleiben. „Denn wie gesagt: Der Verstand ist auch getauft!“ (Leitschuh | pm)