7 Flüchtlinge backen Eiswaffeln
GUDENSBERG. Wer in Eistruhen im Supermarkt, auf Festen oder in Gaststätten leckere Eissorten kauft, hält oft – ohne es zu ahnen – ein Stück Nordhessen in der Hand. Eiswaffeln und Kunststoffteile für viele Marken, vornehmlich in der Nestlé-Gruppe (Schöller u.a.), werden in Gudensberg gebacken.
Als das Big Drum–Werk in Gudensberg allerdings vor einigen Jahren Insolvenz anmelden musste, stieg das weltweit agierende Unternehmen „Dupon Buscuits“ aus der belgischen „D’Hoore“ Unternehmensgruppe ein und übernahm die Produktion.
In Gudensberg blieben Arbeitsplätze erhalten und innerhalb der Gruppe hat das Werk im Chattengau – als einzige Produktionsstätte in Deutschland – eine sichere Zukunft. Mit einer Produktion von bis zu 330 Millionen Eiswaffeln im Jahr, kann das Werk wirtschaftlich arbeiten. Zusätzlicher Vorteil: In Gudensberg wird nicht nur gebacken, hier ist die zentrale Fertigung für Kunststoffteile und Kunststoff-Schieber.
Keine Arbeitskräfte mehr in der Region
Was die neuen Eigentümer nicht ahnten war, wie schnell in Nordhessen der Arbeitsmarkt aufgrund der boomenden Entwicklung, leergefegt sein würde. „Wir finden nicht mehr genügend Arbeitskräfte auf dem lokalen Arbeitsmarkt“, sagt Betriebsleiter Bernd Meyer-Wersinger. Erschwerend kam viele Jahre hinzu, dass Eiscreme ein Saisongeschäft ist und im Winter schlicht weniger produziert wird. Im Sommer steigt der Bedarf überproportional. Lebensmittel kann man allerdings auch nicht auf Vorrat herstellen. Das, so Meyer-Wersinger, relativiert sich aber gerade ein wenig. Allein dieses Jahr läuft die Produktion schon im zweiten Monat über die eigentliche Saison hinaus.
Was tun? Von den bulgarischen Zeitarbeitern, die lange hier tätig waren, hat man sich verabschieden wollen. Mit dieser Entscheidung rückten die Flüchtlinge in den Blickpunkt. Erste Versuche über die Arbeitsagentur scheiterten, aber der zweite Weg, zusammen mit Bürgermeister Frank Börner und dem Integrationsbeauftragten der Stadt Gudensberg, Herrn Sofyen Gharbie, fand man die ersten Arbeiter, die in Gudensberg lebten.
Hohe Anforderungen – ohne Deutsch geht es nicht
Und plötzlich lief das Projekt Integration bei Dupon an. „Wir sind ein zertifizierter Betrieb der Lebensmittelherstellung. Da sind die Anforderungen hoch“, sagt Bernd Meyer-Wersinger. Wer nicht Deutsch kann, bekommt von uns gesagt, bis wann er was lernen muss. Ohne Deutsch-Kurs gibt es auch keine Beschäftigung. Demnächst fängt der 7. Flüchtling bei Dupon an. Vor der Maschine, so der Betriebsleiter, stehen Iraker und Iraner nebeneinander und lächeln sich an. Außerdem arbeiten inzwischen Syrer, Eritreer, Afghanen und Pakistani im Werk.
Es gab natürlich die üblichen Vorbehalte, aber wenn man sich kennt und merkt, dass die Probleme und Gewohnheiten gar nicht so viel anders sind, klappt plötzlich fast vieles. „Kommunikation ist alles“, sagt Meyer-Wersinger. Beim traditionellen Saisonabschluss im August waren noch nie so viele Mitarbeiter gekommen wie dieses Jahr. Der Zusammenhalt im Unternehmen funktioniert über die Nationalitäten hinweg. Scheinbar besser als vorher.
Integration gegen verhärtete Positionen
Inzwischen haben die ersten ihre eigene Wohnung und genau so funktioniert Integration, sagt Sofyen Gharbie, der in der Gesellschaft verhärtete Positionen feststellt. In der Großbäckerei verhärten höchstens die Eiswaffeln, die menschliche Situation ist sehr entspannt und das spürt beim Rundgang durch die Produktion. (rs)
3 Kommentare
Besser hätte man es nicht sagen können !!!
Wär schon mal interessant zu erfahren, welchen Lohn man zahlt, welche Zuschläge, welche Fahrkosten die Mitarbeiter haben, was mit Schutzkleidung und waschen ist. Dazu die Arbeitszeiten . dann wird ein Schuh draus !
DAS wird bei allen Erfolgsmeldungen der Arbeitsagentur und der Jobcenter bundesweit verschwiegen. Immer nur die % Zahlen – die die Rahmenbedingungen !
Hier ist er, für alle, die schon drauf gewartet haben: derjenige, der wieder war zu meckern hat 😉
Warum stellt die Firma diese Flüchtlinge ein? Keineswegs möchte ich die guten Absichten der beteiligten in Abrede stellen und ich finde es gut, dass hier wirklich mal was sinnvolles für die Menschen getan wird. Jedoch komme ich nicht umher, die wirtschaftlichen Interessen zu hinterfragen.
Waren die bulgarischen Zeitarbeiter wohl zu teuer? Merkwürdig, dass Bulgaren die einzigen waren, die die Firma gefunden hat. Die Sache mit der Saisonarbeit und guten Konjunkturlage mag ja stimmen. Vielleicht ist aber der Lohn, der für die Arbeiten angeboten wird auch die Ursache für den Mangel. Und jetzt Flüchtlinge, denen kann man ja noch weniger bezahlen. Super für die Wirtschaftlichkeit.
Den Flüchtlingen ist jedenfalls zu wünschen, dass sie ihre Arbeit weiterführen können um sich ein geregeltes Leben aufzubauen. Irgendwer muss ja die gering bezahlten Jobs machen und die Rente für die 63er Generation bezahlen. Die Einwanderer von vor einigen Jahrzehnten haben da auch langsam keine Lust mehr drauf. Und irgendwo müssen ja die Leute kommen, die das deutsche Lohnniveau so verdammt niedrig halten.
So, genug jetzt mit der Meckerei. Los, verbessert mich!
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