
Stimmungsvoll-nostalgischer Nachmittag auf der Märchenbühne
GUDENSBERG. Es gibt extrem wenige Künstler, die nie sterben. Vielleicht in Wirklichkeit, aber nicht in Echt … Eigentlich gibt es so richtig nur einen, auf den das zutrifft. Elvis lebt! Jahrzehnte haben Hardcore Fans das reflexartig behauptet. Unbewältigte Trauer erfriert in der Phase der Leugnung. Nichts kann sein, was nicht sein darf. Eine „Ehre“, die zuvor nur John F. Kennedy so zuteilwurde.
Es gehört also eine riesige Portion Individualität, Charisma und Ausstrahlung dazu, zudem das maximale Ausspielen der Karten auf der Hand, also der eigenen Talente. Es ist das Einzigartige und dass er sich genau dessen bewusst war, was er tat, was den King of Rock ’n’ Roll zu seinem Kultstatus verholfen hat. Elvis war 100 Prozent Elvis, in jeder Zelle, mit jedem Wort und mit jeder Note. Sonst nichts!

Keine Kopie, sondern eigene Originalität
Das macht es per se unmöglich, diese Legende zu kopieren. Nichts wird wirklich so sein wie Elvis Presley und nichts wird so echt – und authentisch – aussehen. Aber es kann so schrecklich peinlich werden, wenn halb Gute Sänger kopieren, was man nicht kopieren kann und performen, was nicht so bewegt werden kann. Dass Lothar Grunwald alias Elvis Young und seine Band – um Keyboarder (und Lo Limit Frontmann) Michael Bolzmacher – den König des Rock ’n’ Roll so gut und so erfolgreich am Leben halten, hat eher mit dem Spaß, den sie daran haben, zu tun, dass sie ihre Stimmen und Instrumente perfekt beherrschen und nie in die Versuchung geraten Stimme, Hüftschwung und Choreografien zu kopieren.
Lothar „Elvis“ Grunwald wirkt am Sonntagnachmittag oft introvertiert und spricht meist ganz unvorbereitet aus, was ihm gerade durch den Kopf geht. Nichts ist choreografiert oder einstudiert. Außer der Musik, die authentisch herüberkommt und mehr als wohl klingt! Die Band rollt gleich mit „See See Rider“ über die Bühne, gibt immer alles und bleibt sich selbst treu: Die Las Vegas Kings. Es geht um die Las-Vegas-Shows. Die passen nicht auf die Märchenbühne, weil sie auf keine Bühne jenseits von Nevada passen. Die Band und Grunwald spielen Elvis auf ihre Weise so, dass es Freude bereitet zuzuhören, mitzusingen, sich zu bewegen.
Niemand „lonesome this night“, aber voller „Sweet Inspiration“
Die Seele der Musik kommt rüber, das Outfit passt, aber alles, was albern wirken könnte, findet nicht statt. Es ist die musikalische Essenz, die sehr echt und handwerklich gespielt wird. Michael hat eine alte Orgel dabei, die genauso klingt wie eine Orgel aus den 50 ern und 60 ern. „Are You Lonesome Tonight“ kommt live ohne die berühmte Lach-Eskalation von Elvis, Lieder wie „Love Me Tender“ und „Return To Sender“ sind nicht nur 2 von 34 auf der Setlist, sondern Musikgeschichte.
Nach der Pause traten die Background-Sängerinnen Marion und Petra ins Rampenlicht. „Sweet Inspiration“ war das Lied, welches Elvis eigens für seine Begleiterinnen schrieb. Ohne den „King“ aber doch ganz in seinem Geiste, klang es warm und soulig, das Publikum in den Bann ziehend. Überhaupt jagte im zweiten Set ein Höhepunkt den nächsten: „That’s Allright“, „Heartbreak Hotel“ und „Suspicious Minds“, das Lieblingslied des Originals, wie Grunwald erklärte, ließen die Märchenbühne beben. Bei „Jailhouse Rock“ setzten die Bläser ein – anders im Original, sondern in der bekannten Blues-Brothers-Version, die dem Song eine ganz eigene Energie verleiht. Das Publikum hielt es schwer auf dem Beton.
„Now or Never“ forever
Ganz still wurde es dagegen bei „In The Ghetto“. Die intensive Ballade über soziale Ungerechtigkeit erreichte spürbar die Seele der Gudensberger – ein Moment, der zeigte, dass Elvis Young nicht nur die großen Show-Nummern beherrscht, sondern auch die leisen, berührenden Töne. Der einziger Nummer-1-Erfolg von Elvis Presley in den deutschen Charts. Noch mehr Gänsehautmoment? „It’s Now or Never“! Grunwald sang mit kraftvoller Stimme, ging immer wieder ins Publikum, weckte Erinnerungen und klang zugleich zeitlos.
Zum Finale spannten die Las Vegas Kings den Bogen von „American Trilogy“ bis zu „Can’t Help Falling in Love“. Spätestens hier sang das ganze Publikum mit. Mit den Zugaben „Lawdy Miss Clawdy“ und „Devil in Disguise“ verabschiedete sich die Band nach fast drei Stunden Musikgeschichte von der Märchenbühne – und hinterließ das Gefühl, dass Elvis für einen Abend tatsächlich da war. (rainer sander)


