
Sommer Open Stage in Gudensberg
GUDENSBERG. Lieder, Gedichte, Liebesbriefe, Bilder, Spagat oder Jonglieren, alles ist möglich auf der Open Stage. Jeder, ob Musiker, Künstler, Visionär oder Artist, darf sein Talent zeigen. Vor 300 Zuschauern auf der Märchenbühne. So viel Sitzplätze hat die Freilichtanlage im Stadtpark der Chattengau-Hauptstadt. Kaum ein anderer Ort könnte passender sein …
Betty Bier hat das Format von Olli (Andreas Olbrich) „geerbt“, betont leidenschaftlich die unbegrenzten Möglichkeiten der Veranstaltungsreihe. Inzwischen kommen stets neue Protagonisten auf die Bühne. Menschen, die sich trauen, vor Publikum etwas zu zeigen, was bisher nur vor dem Spiegel, dem Freundeskreis oder der Familie zur Aufführung kam.
Die Stimme im Kopf verschwindet nie
Wenn Caroline zum Beispiel, deren Familie aus dem Kongo kommt und die Wurzeln auf zwei Kontinenten geschlagen hat, selbst geschrieben „I Call You Family“ singt, haben alle im Publikum das Gefühl, ihre Welt zu verstehen und schauen vielleicht in den eigenen Spiegel. Adelina ist gerade 18 geworden, hat Jazz in der Stimme, klingt unglaublich reif und wenn sie scheinbar unbekümmert Lieder wie Valerie von Amy Winehouse singt, entsteht das Gefühl, das Lied könnte auch für sie komponiert sein.

Die Erfahrung – auf der Bühne – ist so viel wert, sagt Betty Bier, die es mit über 15 Jahren Bühnenpräsenz wissen muss. Aber „die Stimme im Kopf verschwindet nie“, beschreibt sie das, was Künstler Lampenfieber nennen. Einst habe sie als Gast auf der Open Stage das Publikum mit Edgar Allan Poes „The Raven“ in Englisch genervt. Man muss trotzdem tun, was man eben tun muss …
Stand-up & 60 ziger
So geht auch Benjamin, von Beruf Krankenpfleger als Stand-up-Comedian. Zum ersten Mal vor Publikum. Mit 40 Lebensjahren müde und missverstanden. Am Samstagabend haben ihn 300 Menschen verstanden: „Einmal tief zusammen einatmen …“ Ein kleiner Moment Ruhe hat geholfen? Müde ist der Dauerzustand der Gesellschaft, die Benjamin stellvertretend auf der Bühne repräsentiert. Situationskomik und Gegenwartsironie vom Besten! :“Meine Frau findet mich nicht lustig, ich probier’s aber immer wieder … Kennen Sie Aramsamsam?“ Das ist kein Lied, sondern ein neurologischer Belastungstest“, verrät er Eltern und angehenden Eltern. Ein Auftritt, wie „Medizin mit Räucherstäbchen“.
„Two Of Us“ machen komische, andere Sachen. Seit sieben Jahren sind Klaus und Gabriele ein Duo. Angefangen mit Country und Folk aus den 60ern. Erster Song, um herunterzukommen: „Feeling Groovy“ von Simon & Garfunkel. Ein bisschen Pop, mit dem mystischen „Summer Wine“ singen sie sich durch die Genres mit Van Morrison, Beyoncé oder CCR. Kein „Bad Moon Rising“ in der Vollmondphase.
„Gänsehaut mit Breeze“
Unbestritten die Entdeckung und zugleich der Gänsehaut-Moment war Breeze. Die junges Schrecksbacherin, die im Alltag für schnelle Glasfaserverbindungen sorgt, schreibt und singt eigene Lieder am Klavier, ohne das Instrument jemals gelernt zu haben. Sie verbindet auf der Open Stage „Gold und Diamanten“. Musik ist Selbsttherapie, „I am Free! Betty empfindet die Lieder wie Zeilen aus dem privaten Tagebuch. „Ich weine Musik ohne Tränen, sagt Breeze: „Crying On White Paper“. „The One“ ist ihre persönliche Ode an die Musik, „Where Is The Light“ beschreibt unsere duale Welt. Kein Licht ohne Schatten …
Franzi aus Hanau, eine Schulfreundin von Betty Bier, erfreut nicht nur das Publikum nach einer Pause: „I Can See Clearly Now“. „Mama, ich bin stolz auf Dich!“ ruft ihre Tochter, die nach dem ersten Lied die Bühne stürmt. Open Stage eben …
Völlig verzaubert …
Jörg kann eigentlich nicht zaubern: „Ich tu so, als ob. Es wäre schön, wenn Ihr auch so tut, als ob es Euch gefällt“, sagt der „Zauberer“ im bunten Outfit. „Frank, kannst Du die Karte sehen? Dann bist Du noch verrückter …“ Jörg zeigt, was man alles mit Karten machen kann. Zu sehen ist er jeden 1. Montag im Monat in Goethes Postamt in der Kasseler Goethestraße.

Anschließend singen Martin und Betty selbst die besten Lieder ihrer Partyband. „Islands In The Stream ziehen vorüber, „Stumblin‘ In“ „Regenbogenfarben“. „Freiherr“ Helmut Kriegelstein präsentiert mit Band sein neues Album, das gerade jetzt erschienen ist: „Hello“! „Ich bin leicht zu haben“, persifliert er in bestem nordhessischen Blues den Zustand der Gegenwart: „Einer muss es machen“ …
Finale bis zum Herbst
Gemeinsam machten es schließlich alle gemeinsam: Time Of My Live (ohne Hebefigur) alle gemeinsam zu Finale der Open Stage. Weiter geht’s im Winter im Bürgerhaus Gudensberg am 19. Dezember. (rainer sander)


