
Bürger im DGH Wiera über Windenergiepläne informiert
SCHWALMSTADT | WILLINGSHAUSEN. Die Gemeinde Willingshausen plant unmittelbar an den Gemarkungsgrenzen eine Fläche für eine noch nicht festgelegte Anzahl Windenergieanlagen. Das führt zu Protesten und vielen Fragen, vor allem in Schwalmstadt. Für gestern Abend hatte die Energiegenossenschaft Schwalm Knüll eG zu einer Informationsveranstaltung ins DGH Wiera eingeladen.
Simon Geiselsöder, unüberhörbar Franke und Projektentwickler bei der EAM, lässt keinen Zweifel daran zu, dass er nicht nur weiß, sondern auch liebt und lebt, was er tut. „Schön, dass so viele hier sind!“ Freut er sich und zelebriert seine Präsentation schlüssig, schnörkellos und schon mit Antworten auf jedes Gegenargument bewaffnet. Vorher wissen, welche Argumente kommen? Klar! Er hat bereits viele Windenergieanlagen gebaut und jedes sachliche Gegenargument schon Hunderte Male pariert. Er weiß, woran sie juristisch scheitern können, welche Fehler Planer vermeiden müssen und wie viel man in welcher Phase sagt.

Klare Vorstellungen einerseits – Fragen und Betroffenheit andererseits
An seiner Seite Horst Kaisinger, Landwirt und Vorstand der Energiegenossenschaft Schwalm-Knüll eG mit 20 Jahren Erfahrung in der regenerativen Energienutzung sowie Werner Braun, Ex-VR-Bankdirektor und Aufsichtsratsvorsitzender der Energiegenossenschaft, Jahrzehnte darin geübt, über Finanzierungen zu entscheiden oder Projekte zu fördern, die es wert sind und sachlich abzuweisen, was nicht infrage kommt. Außerdem Willingshausens Bürgermeister Luca Fritsch, eloquent und vertriebserfahrener Betriebswirt.
Auf der anderen Seite betroffene Bürgerinnen und Bürger aus Wiera gemeinsam mit ihren Nachbarinnen und Nachbarn aus Treysa – vielleicht ein paar aus Wasenberg – insgesamt 50 an der Zahl. Allesamt motiviert, die eigenen Bürgerinteressen zu vertreten. Die Veranstaltung war nicht medial angekündigt. Sie hat sich herumgesprochen und nh24 hat sie am Rande einer Pressemitteilung der Bürgerinitiative von der Metze/Igelsheide in Treysa erwähnt.
Immer noch ein bisschen zu wenig Fleisch am Knochen …
Das Thema Windpark Wasenberg, der geografisch eher Windpark Wiera/Igelsheide heißen könnte, beschäftigt die Menschen dort, seit die Energiegenossenschaft Planungen erwähnt und die Gemeinde Willingshausen die Änderung des Flächennutzungsplanes auf den Weg gebracht hat. Alle geplanten Windräder stehen in der Gemarkung Wasenberg. Schwalmstadt ist entgegen allerersten Ideen „raus“. Bisher war „wenig Fleisch am Knochen“, jetzt gibt es etwas zu sagen. Sehr früh, wie Kaisinger und Braun von der Energiegenossenschaft Schwalm-Knüll finden. Eigentlich reicht eine Information im tatsächlichen Genehmigungsverfahren aus. Noch sind aber die Planungen nicht reif für einen Antrag, erklärt Simon Geiselsöder. Transparenz? Nee, alle Grafiken und Dokumente will man nur zeigen, nicht verbreiten.
Schon 2024 hat er eine erste Veranstaltung in Wasenberg moderiert im Rahmen der Bürgerbeteiligung und hat sich schon vor 10 Monaten bei einer Familie in Wiera über deren Sicht auf die Dinge und die vorgesehene Fläche informiert. Kurz die Fakten: Es geht im „Großen-Ganzen“ um CO2– und Klimaneutralität, im „Kleinen-Besonderen“ um 1.000 Meter Abstand zur Wohnbebauung, 600 Meter zu Einzelgehöften Beteiligung der Behörden bei Wasser-, Natur- und Artenschutz. Ja, das Projekt ist behördenseitig bekannt, tangiert Vögel, Fledermäuse und andere Arten nicht und es ist an einer Stelle geplant, an der Infrastruktur mit Stromtrassen von Tennet und Avacon sowieso schon die Landschaft beeinträchtigt. Jetzt kommen 4 Windräder im Offenland und zwei bis drei im Wald dazu. Nabenhöhe 162 Meter, Gesamthöhe bei senkrechtem Rotorblatt 249,5 Meter, also kleine 320 Meter, wie wohl durchaus möglich und mal angedacht.
Weniger als 320 Meter, mehr als 1.000 Meter …
Besser „wenige tragen viel“, als „alle tragen gleichviel“? Der geringste Abstand zu bewohnten Gebäuden beträgt nach jetzigen „Ideen“ 1.200 Meter. Weder die Schutzzonen 1 und 2 bei Brunnen, noch die vielen Landschafts- und Vogelschutzgebiete werden tangiert und eine Entwertung von Immobilien kennen die Planer selbst an der Küste nicht, wo sich viel mehr Windräder drehen. Geiselsöder: „Moderne Anlagen sind kaum zu vergleichen mit alten Anlagen“, auch nicht im Bezug auf ihre Geräusche. Er durchforstet das Internet und liest von Borhammer-Lautstärke. Sie kommen aber außerhalb der Tabuzone nicht über 35 oder 45 dB(A). Enercon Anlagen für Menschen am angenehmsten: „Das sind die Anlagen mit den grünen Füßen.“ Grün, damit sie in ihrer grünen Umgebung weniger auffallen.
Michael Schenk aus Wiera ergreift als erster das Wort. Die Autobahn jetzt auf unserer Seite, die Eisenbahn und die Bundesstraße teilen den Ort, die Stromtrasse ist sichtbar, weitere Windräder werden Richtung Florshain geplant und inzwischen kann man im Dorf kaum schlafen ohne Ohrstöpsel. Warum jetzt so nah an Wiera, will er wissen. „Sie kommen aus Willingshausen und stellen uns das vor.“ Warum geht Willingshausen nicht Richtung Röllshausen, wo der Berg höher ist oder Richtung Neustadt? Ein weiterer Anwohner aus Wiera schaut auf 29 Windräder. Er wollte sogar die Autobahn und hört sie natürlich …
Zu einer vorhandenen Beeinträchtigung kommt (nur) noch eine hinzu?
Geiselsöder bleibt in seiner Argumentationskette: Dort sei die Landschaft durch die Stromtrasse schon beeinträchtigt und schließlich muss die produzierte Strommenge – 6 bis 7 mW pro Anlage – auch ins Netz. Ein Umspannwerk direkt an der 380 kV-Trasse sei optimal.

Schließlich zeigt er Grafiken mit Artenvorkommen, Siedlungs-mindest-Abständen, Wasser und Naturschutzzonen und danach bleibt tatsächlich nur ein stellenweise winziger Streifen für eine Potenzialfläche von 300 Hektar, auf dem überhaupt gebaut werden könne. Das klingt nach Alternativlosigkeit. Entweder so oder gar nicht. Auf die Frage, wo denn die einzelnen Räder genau stehen werden, gibt es nur die Antwort, dass das in dieser frühen Planungsphase nicht möglich sei. Vieles kann das noch beeinflussen. Also: Noch keine echten Zahlen und reale Standorte, gegen die sich irgendjemand im Saal wehren könnte. Immerhin: Geiselsöder nimmt keine Jubelschreie mit und den Wunsch, nicht an die Grenze der Potenzialfläche zu gehen. Aber genau in dieser wird gebaut, nirgendwo anders. Ersatzgebiete wurden alle schon geprüft. In einem Jahr wisse man mehr.
Viele Finanzielle Anreize und Verlockungen?
Dr. Dirk Prokesch möchte wissen, wo der Vorteil für die Bürger ist? Werner Braun betont, dass durch einen regionalen Investor auch die Wertschöpfung in der Region bleibt. Jedes einzelne Grundstück kann verdienen. Alle Grundstücke innerhalb einer roten Linie werden an der Pacht beteiligt. 70 % drumherum. 30 % dort, wo der Beton im Boden ist. Gemeinden profitieren laut EEG im 2,5 km-Radius mit 0,2 Cent pro kWh. 60 – 70.000 Euro werden auf diese Weise verteilt.
Die Ersten, die etwas davon haben, sind Eigentümer. Dann kommen Gewerbesteuer, Spenden an Vereine. Positive Beispiele sind Gemeinden ohne Kindergartengebühren oder neue Feuerwehrgerätehäuser. Alle können außerdem Genossenschaftsanteile und Nachrangdarlehen zeichnen. Renditen zwischen 3 und 7 Prozent waren das bisher. Der Aufsichtsratsvorsitzende erklärt zwei Möglichkeiten: „Wir können sachlich mit dem Thema umzugehen oder sagen, ich will gar nicht. Stand jetzt ist das, was genehmigungsfähig und -pflichtig wäre.
Lärm wird in der Summe gemessen – der Letzte ist der Dumme …
Erika Meder will mehr zu den Lärmimmissionen wissen. Nachts gelten für Wohngebiete 35 dB(A) und tagsüber 50 dB(A) in der Summe aller Belastungen (Autobahn + Eisenbahn + Windenergie). Ob es bei möglichen Abschaltungen dann noch wirtschaftlich wäre, gibt sie zu bedenken.
Nach Fakten wird gefragt. Geiselsöder ist um keine Antwort verlegen: Die Flachfundamente haben nur 50 Zentimeter Einbindetiefe, Rotorblätter sind erosionsarm und beheizbar (kein Eisschlag), Rotmilane haben keine Probleme zu erwarten. Es sterben statistisch 10 bis 15 % durch Abschuss, weitere auf der Straße oder in Güllegruben.
Bürgermeister Luca Fritsch (Willingshausen) spricht in Wiera von 4 Jahren
Bürgermeister Luca Fritsch dankte schließlich für den „frühen“ Austausch. Er dürfe dabei sicher auch für seinen Schwalmstädter Kollegen Tobias Kreuter sprechen, der nicht zugegen war und antwortete auf die Frage nach dem Plan B: Wichtig sei die Gattung, die hier lebt: Der Mensch! Man werde sicher noch die einen oder andere Planung einstampfen. Es gab den ersten Plan eines gewerblichen Investors ohne viel regionale Wertschöpfung mit sogar bis zu 13 Anlagen. Das ist jetzt also bereits der Plan B!

Planung und Prüfung dauern, so Fritsch, 1, 5 Jahre, die Genehmigung 1 weiteres. Realistisch folgen jetzt 4 Jahre. Er habe gehört, niemand sei gegen erneuerbare Energie, Bedenken könne er nachvollziehen.
Fazit … ?
… Ein klares „entweder oder“ bezüglich der Fläche, noch keine konkreten Standorte auf dieser Fläche, eine hohe Belastung und die Abwägung zwischen finanziellen Interessen (und Möglichkeiten) und Klimaschutz. Ob das im rechtlichen Rahmen ist, wird kaum ohne weitere Auseinandersetzungen beurteilt werden. Wie sehr die persönliche Betroffenheit sogar auf beiden Seiten ein Kriterium sein kann, wird deutlich, als sich Werner Braun – verständlich für alle – im Saal verabschiedet, weil er sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmern muss. Am Ende geht es immer um die Lebensqualität der Menschen, die an einem Prozess beteiligt und tangiert sind. Wessen Päckchen ist das schwerste? Weil tatsächlich niemand wirklich gegen alles war, könnte es eine Lösung geben, mit der alle leben können? (rainer sander)


2 Kommentare
Warum war kein einziger Vertreter der Stadt Schwalmstadt bei dieser Veranstaltung? Der Bürgermeister muss doch bei so was reagieren. Schließlich geht es um das Wohlbefinden der Schwalmstädter Bürger. Willingshausen macht sich das einfach. An der Gemarkungsgrenze sowas zu planen ist natürlich politisches Kalkül. Frankreich plant seine Kernkraftwerke an der Grenze zu Deutschland, Polen seine Ölplattformen an der Ostsee in Sichtweite zu Heringsdorf. Also immer die gleiche Vorgehensweise. Wenn Wasenberg unbedingt einen Windpark möchte warum dann nicht südlich der Gemeindegrenze Richtung Willingshausen oder Neustadt? Achso; da fehlt den ehemaligen Bankern der Zugang zu den Landwirten. Angeblich kassieren die Landwirte Pachten von 80.000 bis 100.000 pro Rad pro Jahr.
Das Potenzialgebiet ist nicht Vorranggebiet des Landes Hessen laut Internetseite des RP Kassel!! dort heißt es:
Die Errichtung und der Betrieb raumbedeutsamer Windenergieanlagen sind daher ausschließlich in den im Teilregionalplan Energie ausgewiesenen „Vorranggebieten für Windenergienutzung“ (VRG WE) zulässig. In diesen hat die Nutzung der Windenergie Vorrang vor entgegenstehenden Planungen und Nutzungen. Außerhalb der Vorranggebiete ist die Planung und Errichtung dieser Anlagen ausgeschlossen (§ 8 Abs.7 ROG).
Dann muss man das RP und die Landesregierung fragen warum sich nicht an die eigenen Vorschriften gehalten wird!!??