
Bauna-Sprinter Testfahrt 2024 © Foto: Rainer Sander
NVV: Keine Schienenverbindung Baunatal – Wilhelmshöhe
KASSEL | BAUNATAL. ÖPNV kostet Geld. Es gibt keine regionale Bahnverbindung in Deutschland, die außerhalb des subventionierten Systems Geld verdient. Es hat noch keine Linie jemals mehr Geld eingenommen als gekostet. Vor einem Jahr haben zwei Initiativen in Baunatal versucht, die Region für den Bauna-Sprinter zu begeistern. Natürlich auch eine defizitäre Angelegenheit.
Aber gerade werden viel Strecken reaktiviert und modernisiert, weil wir den Personen-Nahverkehr attraktiver gestalten, mehr Verkehr auf die Schiene bringen und CO2 einsparen wollen. Aber ja, das hat seinen Preis. Aber alles hat seinen Preis. Für das Handeln zahlen wir sofort, für Nichtstun später mehr.
Einigung mit Stadt Baunatal: Lieber mit der Straßenbahn – von wegen Transparenz
Der Nordhessische VerkehrsVerbund (NVV) strebt eine weitere Verbesserung der ÖPNV-Anbindung von Baunatal an, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Idee einer direkten Regionalzugverbindung von Kassel-Wilhelmshöhe zum Bahnhof Baunatal-Großenritte – auch „Bauna-Sprinter“ betitelt – wird hierbei jedoch nicht weiterverfolgt. Stattdessen soll nun die Möglichkeit einer Tramverbindung zwischen Baunatal und Kassel-Wilhelmshöhe geprüft werden.
Darauf, so der NVV, hätten sich NVV, Stadt Baunatal, Stadt Kassel, der Landkreis Kassel, der Zweckverband Raum Kassel (ZRK), die Hessische Landesbahn (HLB), die Regionalbahn Kassel (RBK) und die Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) verständigt. Grundlage dieser Entscheidung sei das Ergebnis der Vorstudie, die der NVV im Oktober 2024 in Auftrag gegeben hatte. Trotz des Versprechens zukünftig für mehr Transparenz zu sorgen und die Bürger in Baunatal an Entscheidu7ngen zu beteiligen, hat das Ergebnis viele jetzt überrascht.
Lorenz: Enttäuscht, Richter: Nicht das letzte Wort
Klaus-Peter Lorenz, der die Idee mitentwickelt und überhaupt ins Spiel gebracht hat, ist enttäuscht, erst über die Medien vom Ende der Überlegungen zu erfahren. Bürgermeister Henry Richter sagte dazu, es sei nicht das letzte Wort, es gäbe noch gar keine Machbarkeitsstudie.
Studie hat mehrere Gründe dagegen gefunden
Bei der Vorntersuchung wurden Möglichkeiten geprüft, das ÖPNV-Angebot zwischen Kassel und Baunatal mit spürbarem Mehrwert für die Fahrgäste auszuweiten, ohne das bestehende Angebot – insbesondere auf der Tramstrecke – einzuschränken. Eine weitere Prämisse war, dass eine mögliche weitere Zugverbindung zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Baunatal im Halbstundentakt verkehren müsste. Außerdem wurde untersucht, inwieweit Eisenbahnfahrzeuge mit alternativen Antriebstechnologien, die dann aufgrund ihrer Bauart länger sind und Auswirkungen auf die Infrastruktur haben, eingesetzt werden können.
Der Studie zufolge sprechen mehrere Gründe gegen die Einrichtung einer direkten Regionalzugverbindung zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Baunatal-Großenritte.
- Zum einen gelte auf dem Streckenabschnitt zwischen Altenbauna und Bahnhof Großenritte ein Fahrstraßenausschluss: Der Trambetrieb ist auf diesem Abschnitt nur möglich, wenn sich kein Eisenbahn-Fahrzeug auf der Strecke befindet.Das heißt: Regionalzüge könnten auf dieser Strecke nur fahren, wenn im Gegenzug das Tram-Angebot zwischen Kassel und Baunatal deutlich ausgedünnt würde.
- Zudem würde sich das Verspätungsrisiko auf der Strecke erhöhen.
- Hinzu kommt, dass die Fahrplanlagen der Tramlinie 5 in Baunatal nicht mit dem Fernverkehr in Kassel-Wilhelmshöhe zusammenpassen. Zumindest jeder zweite Zug im Halbstundentakt müsste unterwegs einen Stopp von mehr als 5 Minuten einlegen, um die in Baunatal und in Wilhelmshöhe jeweils möglichen Slots übereinzubringen. Durch die Fahrzeitverlängerung würde der Fahrzeitgewinn bei jeder zweiten Fahrt gegenüber einem Angebot auf der existierenden Tram-Infrastruktur gegen Null gehen.
- Zudem stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit des Projekts: Es wären erhebliche Investitionen in die Infrastruktur nötig – erforderlich wären unter anderem ein neues Stellwerk in Baunatal sowie Lärmschutzmaßnahmen zur Minimierung der Belastung der Stadtbevölkerung.
Höchstens zwischen Altenbauna und Wilhelmshöhe
Möglich wäre ohne erheblichen Infrastrukturausbau allenfalls ein Regionalzugverkehr zwischen Altenbauna und Kassel-Wilhelmshöhe. Dies umzusetzen, wäre jedoch nicht wirtschaftlich: Die Kosten stünden nicht im Verhältnis zum Nutzen für die Fahrgäste. Es wäre nur der östliche Rand Baunatals angebunden, der Zentrale Omnibusbahnhof würde nicht bedient, und die Umsteigeverbindungen zur Tram an den Haltestellen Baunsberg oder VW-Werk wären nicht optimal. Die detaillierten Ergebnisse der Studie sollen voraussichtlich im Juni veröffentlicht werden.
Baunatal verfüge schon jetzt über ein sehr gutes und vielfältiges ÖPNV-Angebot mit Regionalzug, RegioTram, Tram, Bus und StadtBus, heißt es seitens des Verkehrsverbundes. Eine weitere Verbesserung der Anbindung wäre aus NVV-Sicht aus mehreren Gründen sinnvoll: Bus- und Bahnlinien von und nach Baunatal sind bereits gut ausgelastet, eine Erweiterung der Kapazitäten wird daher immer wieder gefordert. Durch einen weiteren Angebotsausbau lassen sich zudem neue Fahrgäste für den Öffentlichen Nahverkehr gewinnen.
30 Minuten mit der Straßenbahn
Deshalb verfolgen die Beteiligten nun das Ziel, das Tramangebot zwischen Kassel und Baunatal auszubauen. Derzeit gibt es im Früh- und Nachmittagsbereich an Schultagen durchgängige Tramfahrten zwischen Baunatal und dem Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe. Die Fahrzeit beträgt etwa 30 Minuten. Es soll geprüft werden, ob und zu welchen Kosten eine Takterhöhung auf dieser Tramstrecke möglich ist und ob längere Fahrzeuge auf dieser Linie eingesetzt werden können. Zu klären wäre auch hier die Finanzierung des Angebotsausbaus.
Ob das auch die entscheidende Rolle spielt bei bei den Plänen zur Neuen Herkulesbahn, der Express-Bahn im Lossetal oder anderen Projekten?
12 Milliarden gehen weitgehend in den hessischen Süden
Die Deutsche Bahn ist großzügig mit Informationen über ihre Investitionen. Wer ein wenig sucht, findet eine Karte mit allen Aus- beziehungsweise Neubaumaßnahmen in Hessen, die für insgesamt 12 Milliarden Euro realisiert werden. Tatsächlich entstehen 19 Strecken neu oder werden ausgebaut. Das ist ordentlich. Mit der Neu-/Ausbaustrecke Fulda-Gerstungen befindet sich eine in Osthessen, mit der Ausbaustrecke Hagen-Siegen-Hanau tangiert eine Mittelhessen und mit der Kasseler Kurve steht als Neubaustrecke eine einzige in Nordhessen auf dem Programm und die soll nur den Güterverkehr vom Ruhrgebiet nach Sachsen-Anhalt vereinfachen. Für den Personenverkehr steht in Nordhessen nichts auf dem Plan. 16 Maßnahmen finden im Großraum Frankfurt statt (https://www.frmplus.de/projekte.html). Ob diese 12 Milliarden wirtschaftlicher angelegt sind, wird die Zeit beweisen.
Hintergrundinformation: Bestehendes ÖPNV-Angebot Baunatal
Baunatal ist wochentags zu den wichtigsten Verkehrszeiten, von etwa 6 bis 20 Uhr, je nach Stadtteil, im Viertelstunden-, Halbstunden-, teilweise sogar im 7,5-Minuten-Takt mit Bus und Bahn erreichbar. Alle Baunataler Stadtteile sind montags bis sonntags mindestens im Stundentakt mit dem ÖPNV angebunden. Auch abends und nachts werden viele Verbindungen angeboten. Die Verkehrsmittel mit den jeweiligen Fahrtzielen sowie in Klammern den jeweils bedienten Baunataler Stadtteilen:
- Tram 2 von/nach Kassel, Schulzentrum Brückenhof (Altenbauna, Großenritte)
- Tram 5 von/nach Kassel, Holländische Straße (Altenbauna, Großenritte)
- Bus 50 von/nach Kassel-Mattenberg (Hertingshausen, Rengershausen, Kirchbauna)
- Bus 51 von/nach Kassel-Wilhelmshöhe (Altenbauna, Altenritte)
- Bus 53 von/nach Kassel-Wilhelmshöhe/Schauenburg (Altenritte)
- Bus 54 von/nach Niedenstein/Gudensberg (Altenbauna, Großenritte)
- Bus 56 von/nach Fuldabrück/Guxhagen/Edermünde (Großenritte, Rengershausen)
- Bus 153 von/nach Schauenburg/Bad Emstal/Naumburg (Großenritte)
- Regionalzuglinien RB38, RB39, RE98 von/nach Kassel-Wilhelmshöhe/Kassel Hauptbahnhof/Frankfurt/Schwalmstadt-Treysa (Guntershausen, Rengershausen)
- RegioTram RT5 von/nach Kassel-Wilhelmshöhe/Kassel Hauptbahnhof/Guxhagen/Körle/Melsungen (Guntershausen, Rengershausen)
- StadtBus, Linien 60 bis 67 (Verknüpfung der Baunataler Stadtteile untereinander, alle Stadtteile außer Altenritte)
(pm/rs)