
In Schwarzenborn tagt der Kreistag Schwalm-Eder © Archivfoto: Rainer Sander
Kommunale Finanznot bleibt Thema
SCHWARZENBORN. Trotz eines Defizits von über zwölf Millionen Euro und steigender Sozialausgaben hat der Kreistag Schwalm-Eder soeben den Haushalt für das Jahr 2025 sowie das Investitionsprogramm bis 2028 mit jeweils großer Mehrheit verabschiedet.
Die Debatte spiegelte nicht nur die finanzielle Lage des Kreises wider, sondern war geprägt von deutlicher Kritik an Bund und Land, einem Aufruf zur politischen Verantwortung – und ungewöhnlich viel Einigkeit.
Alle im selben Boot
Landrat Winfried Becker (SPD) zeigte sich am Ende der mehrstündigen Sitzung erleichtert über den sachlichen Ton. „Wir sitzen alle im selben Boot“, so Becker. Gemeint waren Kreis und Kommunen, die mit einer um 2 Prozentpunkte moderateren Erhöhung der Kreisumlage, statt zunächst geplant 3 Prozent, leben müssen – einem Änderungsantrag, der ebenfalls mit Mehrheit beschlossen wurde. Die Schulumlage bleibt bei 15,35 Prozent.
Finanzierung aus Rücklagen – aber wie lange noch?
Der beschlossene Haushalt schließt nach der ursprünglichen Vorlage im ordentlichen Ergebnis mit einem Fehlbedarf von 12,63 Millionen Euro. Zwar können Rücklagen diesen Fehlbetrag 2025 noch abfedern – doch bereits ab 2027 drohen größere Lücken, die nicht mehr gedeckt werden können. Auch die laufende Verwaltungstätigkeit bringt ein Minus von über 14 Millionen Euro. Ein strukturelles Problem, das viele Redner beschäftigte.

- Michael Schär (CDU) nannte die Lage „alles andere als zufriedenstellend“. Zwar sei man im Vergleich mit anderen Landkreisen noch mit einem „blauen Auge“ davongekommen, doch „die strukturellen Defizite lassen sich nicht länger übertünchen.“ Schär erinnerte an die im Vorjahr einstimmig beschlossene Resolution aller hessischen Landräte, in der gegenüber Wiesbaden und Berlin mehr Unterstützung eingefordert wurde – bislang ohne Ergebnis.
Einigkeit in der Kritik – Uneinigkeit in der Perspektive
- Günther Rudolph (SPD) betonte, der Schwalm-Eder-Kreis sei im Vergleich noch gut aufgestellt. Er verwies auf hohe Investitionen in Schulen und warnte davor, „Rattenfängern“ das Feld zu überlassen, die den Staat schlechtreden. Gleichzeitig forderte er – wie auch andere – mehr Konnexität: „Wer bestellt, muss auch bezahlen.“
- Dem schloss sich Achim Jäger (FWG) an. Der FWG-Fraktionsvorsitzende rief dazu auf, „Demokratie zu bewahren“ – in Zeiten multipler Krisen, von Pandemie bis Ukraine-Krieg. „Die Menschen müssen spüren, dass sich Politik um sie kümmert.“ Eine niedrigere Kreisumlage sei ein wichtiges Signal an die Kommunen.
Linkspartei fordert Umverteilung – Grüne langfristige Strukturplanung
- Hans-Jochen Böhme-Gingold (LINKE/fraktionslos) nannte den Haushalt eine „Mangelverwaltung“, forderte eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine stärkere Besteuerung der Reichen. Nur so könne kommunale Handlungsfähigkeit langfristig gesichert werden.
- Manfred Hollstein (B90/GRÜNE) kritisierte die kurzfristige Änderung der Haushaltsplanung und forderte ein stärkeres strukturelles Vorgehen – etwa durch Einführung eines Doppelhaushalts, um auch politischen Druck aus dem Wahlkampf herauszunehmen. Er sieht mittelfristig Potenziale in der interkommunalen Zusammenarbeit – auch mithilfe von KI.
FDP warnt vor Radikalisierung – FW für interfraktionelle Haushaltsarbeit
- Dr. Ralf-Urs Giesen (FDP) lobte die Arbeit des Kreisausschusses, warnte jedoch vor wachsendem Unmut in der Bevölkerung: „Wenn Geld für Daseinsvorsorge fehlt, profitieren die politischen Ränder.“ Die FDP fordert ein zukunftsorientiertes Bildungsverständnis und betonte die Notwendigkeit wirtschaftlicher Stärke als Grundlage politischer Gestaltungsfähigkeit.
- Für die FW rief Rüdiger Staffel zur interfraktionellen Zusammenarbeit auf. Die Verantwortung für eine strukturelle Neuaufstellung dürfe nicht allein beim Kreisausschuss liegen. Im vergangenen Jahr hatte die FW noch eine Anhebung der Schulumlage gefordert. Das wurde nicht aufrechterhalten.
Investitionsprogramm einstimmig angenommen
Das Investitionsprogramm bis 2028 wurde einstimmig angenommen. Es sieht Investitionen in Höhe von über 30 Millionen Euro im Jahr 2025 vor, etwa in Schulen, Straßenbau, Digitalisierung und Ganztagsangebote. Auch Maßnahmen im Rahmen der Programme „Hessenkasse“, „Digitalpakt Schule“ und „KIPG“ sind enthalten.

Resolutionen ohne Widerhall?
Unverändert blieb der Unmut über die fehlende Reaktion der Landes- und Bundespolitik auf die Lage der Kommunen. „Die kommunale Selbstverwaltung ist in Gefahr“, so Landrat Becker. Damit stehe auch die Demokratie selbst auf dem Spiel.
Fazit: Verantwortung anerkannt – Spielräume begrenzt
Die Mehrheit im Kreistag zeigte sich der finanziellen und politischen Herausforderungen bewusst. Viele Redner plädierten für parteiübergreifende Kooperationen, strukturelle Reformen und eine realistischere Erwartungshaltung gegenüber der eigenen Handlungsfähigkeit. Die nun 16 Millionen Euro Defizit werden aus Rücklagen ausgeglichen. Der Haushalt wurde bei zwei Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen verabschiedet – ein klares Zeichen für Stabilität in unsicheren Zeiten. (rs)

2 Kommentare
Der größte Rattenfänger und Dummschwätzer und seine Kohorten in der SPD sind seit Jahrzehnten bekannt.
Wie so oft muss man eben auch hier nach den Gründen suchen und selbstverständlich nach praktikablen Lösungen. Es mag vielen Menschen nicht gefallen, aber eine einfache und praktiable Lösung wäre eben auch die tiefere Zusammenarbeit mit umliegenden Gemeinden. Doppelstrukturen können eingespart werden und wichtige Dienstleistungen zeitgleich mit mehr Personal besser angeboten werden. Die Zeiten sind halt schon lange lange vorbei wo jede Stadt und Gemeinde das eigene Süppchen kochen kann. Wenn man kompetent, transparent und ohne falsches Ego sich dransetzt gäbe es ein riesiges Potenzial. Wichtig ist es eben Bürger mitzunehmen. Es gibt immer Bereiche die im Zusammenschluss von Gemeinden zusammenarbeiten können und es keinen Qualitätsverlust in der Leistung als solches gibt, eher sogar eine Steigerung. Das setzt aber eben auch eine unaufgeregte Debatte voraus.