
Nachts in der Stadtbücherei © Foto: Rainer Sander
Viel „Erhellendes“ im Baunataler Lesetempel
BAUNATAL. Man kann Abende wie gewöhnlich verbringen. Man kann aber auch in die Bibliothek gehen. Zumindest einmal im Jahr geht das jetzt in der Baunataler Stadtbücherei. Und da passieren dann ganz spannende Sachen zum Mitmachen. Außer Lesen, Sehen und Hören konnte man dort am Freitag auch noch 3D-Druck lernen oder Roboter programmieren.
Oder vielleicht Malen und Zeichnen oder Buch-Tangas häkeln? Klar, was sonst? Nachts bei Wölfen im Tierpark, nachts im Museum, im Planetarium, in der Disco oder schlaflos basteln, bis die Augen zufallen? Das kennen wir schon. Je nach Jahrgang ist das entweder Abenteuer oder gelebte Wirklichkeit. Aber nachts in der Bücherei ist für jedes Alter und jede Stimmung. Hier finden alle passende Erzählungen von Wölfen, aus der Historie, Science-Fiction oder Fantasy. An einem Freitagabend in der Stadtbücherei auch noch ein wenig mehr …
Zeile für Zeile …
Da wurden Shopper-Chips mit dem 3D-Drucker kreiert und gedruckt, Zeile für Zeile gelesen, was die Seiten hergeben, Buchränder kunstvoll verziert, Tangas gehäkelt oder Roboter programmiert. Renate Grothues vom Kunst- und Kulturverein hatte die Idee, nachdem einige Verlage anfingen, auch Buchschnitte zu bedrucken, diese Kunst in ihrem Bücherregal manuell nachzuvollziehen. Sie lud Groß und Klein dazu ein, ihre Lieblingsbücher kunstvoll zu verzieren. In der Schraubzwinge – damit keine Farbe zwischen die Seiten dringt – entstanden wunderbare Buch-Kunstwerke, jedes so individuell wie seine Leserin oder Leser.
Medienpädagoge Tom Gudella und Alexander Hoppe von der Kommunalen Bildungsplanung Baunatal programmierten mit jungen Besuchern erste Roboter in Python – auch Zeile für Zeile.
Luftmaschen und Stäbchen
Im Erdgeschoss erinnerte die Leseecke ein wenig an die Spinnstuben des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, als sich zwischen St. Marin und Lichtmess die unverheirateten Frauen trafen, um für die Aussteuer Handarbeiten zu verrichten. Das war ökonomisch, denn es musste für viele junge Frauen nur ein Raum geheizt und beleuchtet werden. Als dort zu viel offen geredet und wenn die jungen Männer die Mädels abholten, auch ausschweifend gefeiert wurde, verbot der Klerus die Spinnstuben. Die Strings, die in Baunatal in der „Nacht der Bibliotheken“ entstanden, dienten nicht der Ausschweifung, sondern um Bücher zusammenzuhalten. Auch war der Häkelkreis nicht den unverheirateten Frauen vorbehalten. Immerhin ein Mann traute sich und lernte Stäbchen sowie Luftmaschen.
Bis in die Nacht konnte geschmökert, gestaltet und gelauscht werden. Das Team um die Leiterinnen Katja Freitag und Jutta Kraut hatte sofort entscheiden, als der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) zur ersten bundesweiten Nacht der Bibliotheken aufrief, in Baunatal zum „Mondscheinschmökern“ einzuladen. Das Motto: „Wissen, Teilen, Entdecken“. Das hat wunderbar funktioniert, fanden auch Erster Stadtrat Daniel Jung und Sohn Lennon, die beide den Geschichten lauschten.

Alles spricht für Wiederholung
Lesen ist keine Frage des Alters, aber tatsächlich zog es vor allem Jüngere in den Lesetempel. Am Ausgange konnte mit Steinchen beurteilt und abgestimmt werden, wie’s war in der ersten Nacht. Die Füllstände sprachen für Wiederholung. (rs)
