
Katharina Koch ist immer Wurstehimmel © Foto: Rainer Sander
Zu Besuch im Wurstmuseum in Calden
CALDEN. So haben wir uns vielleicht das Paradies vorgestellt, als unsere Eltern vom Schlaraffenland oder dem Himmel erzählt haben. Die einen träumen von einem Himmel voller Geigen, für die anderen hängt er voller Würste … Da schauen wir genauer hin!
Gibt es nicht? Stimmt! Den Himmel voller Geigen hat uns noch niemand gezeigt und ob er irgendwo voller Würste hängt, das wussten wir bisher auch nicht. Viel schöner ist, dass es gar nicht nötig ist, darauf bis zum jüngsten Gericht zu warten oder den Weg über eine Himmelsleiter zu finden. Der Wust-Himmel ist dort, wo man aus Nordhessen auch Richtung Mallorca, Gran Canaria, Antalya, Sylt oder Usedom in den Himmel aufsteigen kann. In Calden!
Fest in weiblicher Hand
Aber dafür muss man nicht einmal in die Luft gehen. Der Wurstehimmel ist nah und greifbar. Ein Besuch – bitte angemeldet – in der Landfleischerei Koch reicht völlig, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich das im Paradies, im Schlaraffenland oder eben der Wurstehimmel anfühlen könnte. Das sagt der Autor übrigens als Vegetarier … Dazu weiter unten mehr … Der Landkreis Kassel führt diesen Schlaraffenlandhimmel als „offizielles Museum“.
Seit 5 Generationen wird in der Fleischerei Koch geschlachtet und Wurst verarbeitet. In der jüngsten Generation führt Katharina Koch den Betrieb seit 2018. Auch sie ist nicht als Fleischermeisterin geboren. Aber sie ist es inzwischen und Papa Thomas steht mit über 70 Jahren immer noch beratend an ihrer Seite. Über fast 15 Jahrzehnte hat die Fleischerei Koch nicht nur Handwerkskunst bewiesen, sondern dafür gesorgt, dass sie erhalten bleibt und war selbstverständlich auch daran beteiligt, als es darum ging, die Nordhessische Ahle Worscht (oder Wurscht?) als regionale Marke auf das gleiche Level wie Parmaschinken, Spreewaldgurke, Dresdner Christstollen oder vielleicht Champagner zu heben. Was liegt näher, als dieses anerkannte Kulturgut auch museal darzustellen?
5 Generationen seit fast 150 Jahren
Nicht nur das, Katharina Koch hat gleich auch noch ein Buch geschrieben. In dem Werk vom Gudensberger Wartberg-Verlag ist alles notiert und zu sehen, was man über das Nordhessische Kulturgut wissen sollte.
Wenn der Betrieb in 2 Jahren, also 2027, sein 150. Jubiläum feiern kann, dann werden all die Exponate, die sich seit 1877, dem Gründungsjahr angesammelt haben, sicher zur Geltung kommen. Im Moment muss der Betrieb einige räumliche Auflagen der umsetzen und hat deshalb die Ausstellungsbereiche etwas eingeschränkt. Trotzdem sieht man zwischen unfassbar vielen Stracken und Runden alte Bilder, Zeichnungen oder Werkzeuge aus dem Schlachthaus.
Unsere Bilder dokumentieren ordentlich, wie wundervoll es sein kann, im verzweigten Betriebsgebäude von Obergeschoss zu Dachboden von Dachboden zu Dachboden zu schreiten, dabei immer wieder neue Wurstsorten zu erleben, die in beachtlichen Mengen von der Decke baumeln und hungrig machen. Die Ahle Wurscht muss an der Luft trocknen und hat ihre eigenen Herstellungsgesetze. Spätestens sechs Stunden nach der Schlachtung muss sie warm verarbeitet werden. Das ist sportlich, angesichts immer weniger Schlachthäusern. In Calden wird noch selbst geschlachtet und damit dieses Kulturgut bewahrt.
Ein Herz für Vegetarier
Tatsächlich hat Familie Koch inzwischen auch ein Herz für Vegetarier. Schon mal veganes Weckewerk probiert? Katharina Koch findet, dass man die vegetarischen und veganen Produkte nicht der Industrie mit viel Chemie-Einsatz überlassen sollte. Auch hier gilt: So natürlich wie möglich, transparent und gesund.
Wer wissen will, was die Nordhessischen Würste so besonders macht, wie sie hergestellt werden und natürlich auch, wie sie schmecken, ist im „Wurstmuseum“ herzlich willkommen. Und natürlich darf man sie hier auch probieren und nach Herzenslust einkaufen. Bei Anruf Wurst! (rs)
