Beat The Drum – Runrig Experience im Lokschuppen
BEBRA. Bestuhlte Tische in langen Reihen, es duftet nach Speisen, Gäste über 60, der Schnitt vielleicht um die 70, unauffällige Kleidung, ein Sweatshirt „The Final Mile“ … Aha! Es ist Seniorennachmittag im Lokschuppen Bebra! Ok., unter Sakkos und Jacken ein Kilt und mehr Sweatshirt-Aufschriften: „The Last Dance“ oder „Runrig“. Doch kein Seniorencafé … ?
Es habe mal eine Band gegeben, sagte Matthias Bähr, Geschäftsführer im Lokschuppen gestern Abend, die habe er wohl recht spät entdeckt, aber schließlich hat ihn – wie bei allen Riggies – der Virus infiziert. Loreley 2013 (7.000 Fans), Deutsches Abschiedskonzert Lanxess-Arena (25.000 Besucher) und dann, nach zwei Farewell-Shows an der berühmten Brücke unter dem Schloss in Stirling (Schottland) 2018, Ende, Aus … Nach dem Tod von Sänger Bruce Guthro ist endgültig klar: Nie wieder Runrig.
Das alte Feeling ist zurück
Den Kölnern bleibt neben der Erinnerung an das letzte Konzert vielleicht für immer und ewig der deutsche Text der Höhner für die 1.FC Köln Hymne auf die Runrig-Version von Loch Lomond, „Mer stonn zo dir FC Kölle“. Und der Rest der Welt? Matthias Bähr erzählt dem versammelten Ü-60-Klub (Bei 50 Jahren Runrig mindestens) davon, dass er vor zwei Jahren, gleich nach Corona von einer Band erfahren hat, die so klingt, so spielt und das Runrig-Gen wohl in sich trägt. Da haben ein paar schon mit den Runrig-Musikern zusammen Klampfe gespielt und einer hat für das Original das letzte Video produziert.
Das sagt noch gar nichts und Probieren geht definitiv über Studieren. Zusammen mit einem Tourmanagement hat er vor einem Jahr Runrig Experience mit Beat The Drum zum ersten Mal nach Deutschland geholt, war absolut überzeugt, denn die Fünf (+ Percussion) haben‘s drauf! Und in diesem Jahr sind die Konzerte noch besser besucht als vor Jahresfrist. Es spricht sich herum unter Riggies (Runrig-Community), dass das nicht irgendein Cover Projekt ist, sondern mehr. Das alte Feeling ist zurück.
Eigener Stil reicht für Liste von „Wagnissen“
Los gehts energisch mit „Road Trip“ (so heißt auch die Tour) und gleich danach „Maymorning“: I’m alive again! Symbolträchtig … Ein bisschen Gaelic? Siol Ghoraidh perfekt gesungen, sauber gespielt inklusive keltischen Sprechgesang. Wirkten Duncan MacDonald (der Videoproduzent am Bass), Richie Muir (Gesang), Jason Laing (Gitarre)und Ben Marshall (Keyboard + Management) auf der letzten Tour noch etwas unsicher und streng bemüht, die Fußstapfen der Originale so gut wie möglich auszufüllen, präsentierten sich die Schotten/Briten gestern Abend im Lokschuppen von Bebra wesentlich entspannter und in der Rolle angekommen. Sie trauen sich einen eigenen Stil zu, wissen jetzt, dass sie bei den anspruchsvollen Fans sicher gelandet sind und so konnten sie eine „Liste der Wagnisse“ abarbeiten:
Zum Beispiel miteinander auf der Bühne „shakern“, so ein wenig Gitarren-Synchronschwimmen. Klar, geht! Auch wenn Malcolm und Rory das so wohl nie gemacht haben, es passt und wirkt authentisch. Da steht eben „Beat The Drum – The Runrig Experience auf der Bühne und nicht das Original.
Wir sind nicht Runrig aber wir lieben die Musik selbst
Wie Richie Muir gleich zu Beginn verkündete: „Wir sind nicht Runrig, wollen es auch nicht sein, aber wir lieben die Musik“. Die möchten Sie gerne erhalten Sie tun es auf eine wunderbar emphatische Art und Weise. Sie haben auch das sitzende Publikum schnell im Griff, leider erst bei den Zugaben gab‘s echte „Standing“ Ovations. „Rocket To The Moon“. „Canada“ und „In Search of Angels“ (einfach nur schön) folgen und dann großer Mut: „Every River“ in der „Party-On-The-Moor-Version“. Richie Muir allein mit Gitarre, wie einst Bruce Guthro im sintflutartigen Regen am Loch Ness. Unterstützt hat ihn dabei die Original-Gitarre von Bruce, die er in den letzten Jahren gespielt hat. Zaghaft die ersten Original Runrig-Choreografien im Publikum, „eins-zwei-drei“ …
„Book of Golden Stories“ erzählt von den Erinnerungen an schöne Erlebnisse. Das sind auf Runrig-Konzerten immer die Drum-Einlagen. Auch die waren diesmal dabei. „Dance Called America“, „In Scandinavia“ und „City Of Lights“ bringen Band und Publikum weiter zueinander, „Protect and Survive“ wird mehrheitlich mitgesungen.
Alba, Skye und Loch Lomond
„The Story“, ein wunderbarer Rückblick für Senioren wie uns vom letzten Studio-Album und dann etwas keltischer. „Engine Room“ mit Dudelsack (o. k., nicht in echt) und schließlich „Alba“ (gälisch für Schottland) – wie in echt – mit ausschließlich blauer Lightshow. So soll‘s sein! Das Lied über den „Geburtsort“ von Runrig, „Skye“ und am Ende des offiziellen Sets „Clash Of The Ash“.
Schließlich die Zugabe eingeleitet mit „There Must be a Place …“, wo Herzen wieder jung werden, was über zwei Stunden bei 300 Fans ganz gut funktioniert hat. Drei Lieder habe nicht nur ich persönlich auf Runrig Konzert IMMER gehört: „Every River“ und „Engine Room“. Fehlt also noch „Loch Lomond“. Wie üblich zum Schluss und in Stehen klappt auch die „Choreo“ – one, two, stretch … experimentierfreudig mit Spielmannszug-Trommel. Passt Schon!
Ein perfekter Konzertabend
Murren oder Kritik haben wir beides nicht vernommen, dafür in zufriedene und glückliche Gesichter vor und auf der Bühne geschaut. Also ein rundum perfekter Konzertabend an einem schönen Ort „unter der Sonne“. „There must be …“ Im nächsten Jahr geht’s weiter. (Rainer Sander)