7.300 Tage Betreuung und Pflege ohne Pause
BAUNATAL. „Stellvertretend für alle Pflegepersonen von Angehörigen bekommen Sie den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland!“ So ausgesprochen, würdigte Landrat Andreas Siebert vorgestern die Leistung von Hans-Jürgen Becker. Er ist einer von 3,2 Millionen Menschen, die sich um Angehörige ganz oder teilweise kümmern: „Leise und beständig“, weiß Siebert.
Kümmern heißt in diesem Fall, alles erledigen, was im Haushalt anfällt, die Körperpflege zu organisieren, Essen zubereiten und anreichen, An- und Auskleiden, bei der Ausscheidung unterstützen und vor allem den Angehörigen so viel Schönes wie möglich zu ermöglichen. Bei schwerstpflegebdürftigen Menschen bedeutet das auch, dafür zu sorgen, dass immer jemand da und ansprechbar ist. Am Tage genauso wie in der Nacht, wenn andere Urlaub machen oder arbeiten gehen. Das geht für pflegende Angehörige oft nicht, beziehungsweise ist stark eingeschränkt, wenn die Familie die Entscheidung trifft, stationäre Pflege nicht in Anspruch zu nehmen. Warum soll die Ehefrau gerade dann, wenn es ihr am schlechtesten geht, das traute Heim verlassen und auf geliebte Menschen verzichten müssen?
Einer trage des anderen Last
Diese Frage hat Hans Jürgen Becker klar mit Nein beantwortet und bisher nie darüber gesprochen, dass er schon über 20 Jahre seine MS-kranke Ehefrau, inzwischen mit dem höchsten Pflegegrad 5, versorgt, außerdem seine Mutter (Pflegegrad 4), die er zweimal wöchentlich besucht und von 2007 bis 2012 auch seine Schwiegereltern nach einer Reanimation und Rehabilitation des Schwiegervaters. 20 Jahre, das sind rund 7.300 Tage mehr oder weniger intensive Pflege, zusätzlich zu den Pflegediensten, um der Ehefrau und den Eltern von beiden Ehepartnern einen Pflegeheim-Aufenthalt zu ersparen.
Für Hans-Jürgen Becker ist das alles „nichts besonderes“, wie er selbst erklärt: „Eine Selbstverständlichkeit!“ Gemeinsam durch dick und dünn zu gehen, hätten sich die Eheleute vor 46 Jahren versprochen. „In guten, wie in schlechten Zeiten hat in der Hochzeitsurkunde gestanden“ erinnert sich der Geehrte: „Einer trage des anderen Last!“. Wir waren damals verliebt und ein Liebespaar sind sie noch heute. Vielleicht sogar viel inniger. Er sei auch nicht ganz alleine, denn die beiden Kinder unterstützen. Mit ihnen teilt er die Ehre gerne.
Vorschlag und Unterstützung aus der Nachbarschaft
Wie Millionen andere wäre er mit seiner unermüdlichen Hilfe für seine Liebsten im Verborgenen geblieben, hätte nicht ein bewundernder Nachbar so gut beobachtet und über das Baunataler Rathaus und den Hessischen Ministerpräsidenten dem Bundespräsidenten den Vorschlag zur Ehrung unterbreitet. Luigi Coppola kennt sich als engagierter Kommunalpolitiker aus und hat die Ehrung unterstützt.
Landrat Siebert verlas die Urkunde des Bundespräsidenten, übergab den Orden und Erster Stadtrat Daniel Jung betonte, dass dieses Engagement für ganzheitliche Pflege nach außen getragen werden muss. Hans Jürgen Becker, dessen Ehefrau und Familie im Rathaus dabei waren, freute sich und trotzdem merkt man ihm an, dass er aus Liebe tut, was er tut und eher zeigen möchte, wie dankbar dieser persönliche Einsatz sein kann. (rs)