MARBURG. Joachim Gauck, Alt-Bundespräsident und ehemaliger Pastor, besuchte auf Einladung des Landkreises Marburg-Biedenkopf die Lutherische Pfarrkirche St. Marien, um im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen des Kreises aus seinem Buch „Erschütterungen – Was unsere Demokratie von außen und innen bedroht“ zu lesen.
Trotz ernster Themen zeigte sich Gauck in guter Stimmung und begann seine Lesung mit einem humorvollen Kommentar über die Atmosphäre in der Kirche.
In seiner Lesung betonte Gauck die Bedeutung einer liberalen Demokratie und warnte vor den Gefahren, die drohen, wenn man nicht wachsam ist. Er hob die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte hervor und appellierte an das Publikum, diese zu verteidigen und zu schätzen. Gauck erinnerte an seine erste Teilnahme an freien Wahlen nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes 1990, ein Moment, der ihn zutiefst bewegte und ihm die Bedeutung der Demokratie bewusst machte.
Gauck sprach auch über die internationale Politik, insbesondere über Russland und Wladimir Putin, und kritisierte die deutsche Außenpolitik der vergangenen Jahre. Er warnte davor, Putin zu unterschätzen und rief zu einer entschlossenen und kritischen Haltung auf.
Ein weiteres Thema seiner Rede war der Umgang mit Rechtspopulismus in Deutschland. Gauck forderte Entschlossenheit und Zivilcourage im Umgang mit Rechtspopulisten und betonte die Stärke der deutschen Demokratie. Er warnte jedoch davor, rechte Parteien zu wählen und rief dazu auf, andere davon abzuhalten.
Im Anschluss an seine Lesung diskutierte Gauck mit Landrat Jens Womelsdorf und Ralf Laumer, dem Leiter des Landratsbüros, über die Entstehung seines Buches und die Bedeutung der Demokratie. Gauck riet dem Landrat, stets verständlich und nahbar mit den Menschen zu sprechen.
Joachim Gauck, der von 2012 bis 2017 der elfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland war, blickt auf eine beeindruckende Karriere zurück. Zu DDR-Zeiten war er Pastor und Kirchenfunktionär in Rostock und spielte eine führende Rolle im Neuen Forum während der friedlichen Revolution. Nach der Wiedervereinigung leitete er die nach ihm benannte „Gauck-Behörde“, die die Stasi-Unterlagen verwaltet.
Die Veranstaltung in der Lutherischen Pfarrkirche St. Marien war ein eindrucksvolles Plädoyer für die Demokratie und eine Mahnung, die Errungenschaften der Freiheit stets zu verteidigen. (wal)