Museum Währungsreform von 1948
FULDATAL-ROTHWESTEN. Wer Lust hat auf echte Krimi-Atmosphäre oder eine richtige Agentengeschichte wie aus der Feder von John Le Carré, wird im Währungsreformmuseum von 1948 in Fuldatal-Rothwesten Adäquates finden. Vielleicht keine Agenten, aber dort trafen im Jahr 1948 14 Menschen zusammen, die Geheimes diskutierten.
Ein Konklave fand statt im Haus Posen der Kaserne von Rothwesten. Sie lag günstig und hatte ein Flugfeld. Das Gebäude hatte eine eigene Küche, einen hohen Zaun, es gab Schießbefehl und die amerikanischen Soldaten in der Kaserne erfuhren nichts über die wahren Gründe der Zusammenkunft. NS-Funktionäre wurden hier angeblich bis zum Prozess verhört und eingesperrt.
Sie kamen in einem Bus mit verschmierten Fenstern. Niemand sollte sehen, wer hier 49 Tage lang eingeschlossen wird. Außer ein paar Amerikanern waren es deutsche Finanz- und Wirtschaftsfachleute, die eine spannende Aufgabe hatten: die Einführung und vor allem die Organisation einer neuen Währung. Ein Konklave wie zur Papstwahl. Freiheit gab’s erst wieder mit einem Plan zum Druck und der Einführung einer neuen Währung, einschließlich Umstellungsquote, Freibetrag und Festquote, Kopfbetrag, Erstausstattung der öffentlichen Hand, reibungslose Kreditversorgung und Lastenausgleich. Ihr „Chef“: Der amerikanische Ökonom Edward A. Tenenbaum.
Spannungsfeld zwischen Sozialismus und Kapitalismus
Wer die Geschichte verstehen will, beginnt den Museumsbesuch bei der Potsdamer Konferenz und den Vier-Mächte-Gesprächen. Die wurden schnell zu Zwei-Seiten-Gesprächen. West und Ost hatten einen gemeinsamen Wirtschaftsraum für Deutschland beschlossen, aber tatsächlich verstand die Sowjetunion darunter sozialistische Planwirtschaft und der Westen die liberale westliche Wirtschaft.
160 Mark verdiente damals ein Arbeiter. Die Lebenshaltungskosten betrugen schon 240 Mark. In dieser Zeit fiel der Wert der deutschen Währungen ins bodenlose. Der Schwarzmarkt blühte, die Zigarettenwährung hatte Konjunktur. Ob Reichsmark oder Rentenmark. Im bereits geteilten Deutschland galt überall die gleiche Währung. Aber beide Seiten haben 1948 eine Währungsreform vorbereitet. Aus Sicht der Westalliierten musste verhindert werden, dass Geld aus dem sowjetisch besetzten Deutschland in die anderen Zonen gelangt und die Inflation antreibt. Es galt, vor den Sowjets eine neue Währung zu präsentieren und diese als alleiniges Zahlungsmittel schlagartig zu etablieren.
Geheim bis zur letzten Minute
Die Währungsreform musste also geheim bleiben. Die Deutsche Mark ist nicht vom Himmel gefallen, aber per Schiff gekommen. Aus den USA und offiziell deklariert als Warenlieferung über Frankfurt nach Barcelona, in unvorstellbarer Menge von 23.000 Kisten. Selbst im Hafenbuch der Hansestadt gab es keine Aufzeichnungen über den wahren Anlass der „Operation Bird Dog“. Die Geschichte der Geheimhaltung ging weiter. Erst am Vorabend der Einführung von Deutscher Mark und Pfennigen gab Ludwig Erhard im Radio bekannt, was am nächsten Tag, dem 20. Juni 1948 passiert. Im Grunde der Aufbruch in die Soziale Marktwirtschaft. Alle LKW erreichten pünktlich die Zielorte und die Einführung der Währung gelang fast reibungslos.
Tondokumente aus den Radioaufzeichnungen dieser beiden Tage sind im Museum zu hören. Auch die Stimme eines Schwarzmarkthändlers, der überzeugt war, dass alles beim Alten bleibt. Er hatte sich getäuscht. Tatsächlich wurde der Schwarzhandel sofort unterbunden. Selbst heimlich nach Berlin gelangte die Währung, was die Abriegelung der Westsektoren und die Sowjetunion und schließlich die Luftbrücke zur Folge hatte. Der Tisch, an dem verhandelt wurde, steht dort im Original, die Transportkisten und die ersten Scheine findet man auch in den Vitrinen. Sogar eine durchschnittliche Kalorienmenge ist als Mahlzeit mit ein paar Schnitten Brot ausgestellt.
Ein bisschen ziviler Ungehorsam gehört dazu
Die Ausstellung im Museum geht unter die Haut, weil sie Geschichte erlebbar macht und ein Stück Vergangenheit konserviert, welches viele noch erlebt haben und das unser aller Leben und den aktuellen Wohlstand erst ermöglicht hat. Dass die entscheidenden Schritte im Reinhardswald vor den Toren Kassels vorbereitet wurden, wissen bis heute die wenigsten Menschen in der Region. Ein Grund mehr, das Museum zu besuchen, das übrigens auch deshalb existiert, weil ziviler Ungehorsam durch „Nichtstun“ des früheren Museumsleiters verhindert hat, dass Zeitdokumente vernichtet wurden.
Heute führt ein Verein mit 70 Mitgliedern das Museum ehrenamtlich und komplett selbstfinanziert. An jedem 1. Samstag im Monat von 13 bis 17 Uhr ist das Museum mit seinem liebevoll und stilvoll eingerichteten Museumscafé geöffnet. Im Internet findet man einen digitalen Rundgang unter www.waehrungsreform1948.de. Die Ausstellung ist auch ein Stück deutsche Demokratiegeschichte und vielleicht gerade jetzt wertvoller denn je für Interessierte, Schulklassen oder Gruppen. Die Hessische Landeszentrale für politische Bildung erstellt gerade ein Buch über die Ereignisse vor 75 Jahren. (Rainer Sander / aus Landkreis Kassel Spezial)
1 Kommentar
Die Deutsche Mark war eine Erfolgsgeschichte. Kann man das vom Euro auch sagen? Wohl kaum,ich meine zwei Krisen und dann die Inflation in so kurzer Zeit.
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