Hephata-Jahresempfang setzt inklusive Jugendhilfe in den Mittelpunkt
SCHWALMSTADT-TREYSA. Am Freitag stand der Jahresempfang der Hephata Diakonie in der Hephata-Kirche in Schwalmstadt ganz im Zeichen des Themas „Zusammen statt getrennt: Inklusive Jugendhilfe“. Hierbei wurde das innovative Konzept der Hephata-Jugendhilfe vorgestellt, welches Kinder mit und ohne Behinderungen in inklusiven Wohngruppen gemeinsam betreut und fördert.
Etwa 100 geladene Gäste aus den Bereichen Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kirche waren der Einladung gefolgt und verfolgten nach der Begrüßung durch den Hephata-Vorstandssprecher Maik Dietrich Gibhardt eine engagierte Podiumsdiskussion zum Thema inklusive Jugendhilfe. Als Praxisbeispiel diente eine inklusive Kinder- und Jugendwohngruppe der Hephata-Jugendhilfe in Treysa. Auf dem Podium waren Bettina Röder-Niemand, Teamleiterin der Wohngruppe, Katharina Metzner, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Hildesheim, Judith Osterbrink, Leiterin des Jugendamtes der Stadt Kassel, und Hanna Eisenacher, Projektleiterin Inklusive Jugendhilfe bei Hephata, vertreten. Die Diskussion wurde von dem Journalisten Thomas Korte moderiert.
Die inklusive Theaterwerkstatt „Black Box“ erntete viel Applaus für ihr szenisch-musikalisches Stück. Der Singer-Songwriter Maik Garthe trug unter anderem „Kinder an die Macht“ von Herbert Grönemeyer vor. Im Anschluss bestand für die Teilnehmenden des Jahresempfangs die Möglichkeit, sich bei Fingerfood des „Catering Inklusiv“, serviert von den hauswirtschaftlichen Abteilungen der Hephata Diakonie, im Kirchsaal auszutauschen.
ANZEIGE
In seiner Begrüßungsrede erörterte Dietrich-Gibhardt die Herausforderungen, vor denen die inklusive Kinder- und Jugendarbeit in der Praxis steht: „In Deutschland leben rund 360.000 Kinder und Jugendliche mit einer seelischen, geistigen oder körperlichen Behinderung. Davon sind bislang nur die rund 100.000 Kinder mit einer seelischen Behinderung im Kinder- und Jugendhilferecht erfasst. Die 260.000 Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung gehören in den Rechtskreis der Eingliederungshilfe.“
Das 2021 in Kraft getretene Kinder- und Jugendstärkungsgesetz strebt an, diese Trennung nach Diagnosen zu überwinden. Eine inklusive Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe wurde im Sozialgesetzbuch VIII verankert. Ab 2028 übernehmen die Jugendämter die Kostenübernahme für alle Kinder, mit und ohne Behinderung, sodass durch die inklusive Kinder- und Jugendhilfe Hilfen aus einer Hand erfolgen können.
Inklusion muss jetzt beginnen
Katharina Metzner
Als einer von 61 Modellstandorten des bundesweiten Projekts „Inklusion jetzt!“ hat Hephata bereits vor vier Jahren begonnen, einen inklusiven Wohngruppenverbund zu entwickeln. Katharina Metzner, die den Transformationsprozess Hephatas im Projekt begleitet, sprach in ihrer Keynote darüber, dass Inklusion auch bedeutet, eine „differenzierte und bedarfsgerechte Angebotsstruktur zu schaffen“. Sie schlussfolgerte: „Inklusion muss jetzt beginnen, wir können nicht bis 2027 warten. Die Umsetzung ist schon jetzt möglich, sie ist aber ein gemeinsamer Prozess und eine gute Zusammenarbeit von Beginn an ist wichtig für das Gelingen dieses Prozesses.“
Egal, ob das Kind läuft oder rollt, spricht oder gebärdet
Bettina Röder-Niemand
„Egal, ob das Kind läuft oder rollt, spricht oder gebärdet“, sagte Bettina Röder-Niemand, Teamleiterin der Gruppe, in der Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam leben. Das A und O sei eine umfassende Kommunikation, ob mit den Eltern, Behörden und als allererstes mit den Kindern selbst.
Judith Osterbrink, Leiterin des Jugendamtes der Stadt Kassel, hob hervor, dass Kommunikation ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche inklusive Jugendarbeit sei. Sie bemängelte, dass „Eingliederungshilfe und Jugendhilfe leider immer noch etwas fremdeln“ und begrüßte das Inkrafttreten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes: „Das Gesetz hätte vor 30 Jahren schon kommen müssen.“
Für Hanna Eisenacher, Projektleiterin Inklusive Jugendhilfe bei Hephata, kann der von Dietrich-Gibhardt angesprochene Zeitpunkt der Kostenübernahme nicht schnell genug kommen. „Wie sollen wir einem Kind erklären, dass die Eingliederungshilfe nur einen Kleidungszuschuss von 30 Euro bewilligt, während die Jugendhilfe für ein Kind in derselben Wohngruppe 40 oder 50 Euro übernimmt? Unser Ziel ist es, diese Ungerechtigkeiten auszuräumen und für alle Kinder einheitliche Leistungserbringungen auf den Weg zu bringen – und zwar nicht erst 2028“, betonte sie. (pm/wal)
ANZEIGE