KASSEL. Mit dem Ende der Sperrfrist dürfen seit dem 1. Februar Äcker und Grünland grundsätzlich wieder gedüngt werden, um die Pflanzen mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen.
„Bis vor kurzem waren die Böden aber vielerorts noch stark durchnässt und nicht befahrbar. Viele Landwirtschaftsbetriebe mussten die Düngung daher verschieben“, erklärt der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), der landwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe berät.
Sobald dann wieder Gülle ausgebracht wird, fühlt sich manch einer in den ländlichen Regionen vom Geruch belästigt und verkennt mitunter die Bedeutung und den Wert der sogenannten Wirtschaftsdünger. „Doch Gülle ist besser als oftmals öffentlich dargestellt. Der aus der Tierhaltung stammende organische Dünger bringt einige Vorteile gegenüber mineralischen Düngemitteln mit. Und Gerüche können mittlerweile durch moderne Ausbringtechniken eingedämmt werden“, so der LLH weiter.
Gülle – ein Allrounder?!
Gülle, Mist und Co. sind in der Regel nicht nur günstiger als mineralische Dünger, Exkremente aus der eigenen Tierhaltung oder vielfach auch aus Gülle-Kooperationen oder Biogasanlagen bedeuten für die Betriebe eine größere Unabhängigkeit von den stark schwankenden Preisen für mineralische Dünger. Zudem enthalten Wirtschaftsdünger, verglichen mit mineralischen Düngern, gleich alle für das Pflanzenwachstum wichtigen Nährstoffe wie Stickstoff, Kalium, Phosphor und Schwefel. Letztlich fördern sie das Bodenleben und können die Bildung von organischer Masse (Humus), eine wichtige Kohlenstoff-Senke, unterstützen.
Gleichzeitig sind organische Dünger, also deren Lagerung und Ausbringung, für knapp 31 % der klimawirksamen Ammoniak-Emissionen und für gut 19 % der Methan-Emissionen in der Landwirtschaft verantwortlich – und eben auch für den markanten Geruch.
Die Abdeckung von Güllelagerstätten, die zeitnahe Einarbeitung in den Boden oder die Vergärung in einer Biogasanlage reduzieren diese Auswirkungen und tragen zum Klimaschutz bei.
Schnell in die Erde
Neben der subjektiven Wahrnehmung sind bei der Geruchsentwicklung Witterung und Windgeschwindigkeit, aber auch die Ausbringungstechnik bedeutend. Letztere hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt: „Modernste Ausbringungstechniken wie Schleppschlauch-, Schleppschuh- oder Schlitzgeräte bringen die Gülle streifenförmig, bodennah aus oder arbeiten sie direkt in den Boden ein. Im Ackerbau sind sie seit Februar 2020 vorgeschrieben, im Grünland und im mehrschnittigen Feldfutterbau ab 2025. Sie reduzieren so nicht nur die Stickstoffverluste in Form von Ammoniak, sondern ebenfalls die mit der Nase wahrnehmbaren Gerüche“, erläutert Philipp Heimel, LLH-Experte für Immissionsschutz.
Ordentlich mischen und gut?
Eine Behandlung der Gülle mit Schwefelsäure senkt ebenfalls die Ammoniakausgasungen. Bisher konnte sich dieses Verfahren in Deutschland mit Blick auf die Arbeitssicherheit und eine mögliche Korrosion der Güllebehälter nicht durchsetzen.
Im vom Hessischen Landwirtschaftsministerium geförderten Projekt EmiGüll wurden daher alternative Güllezuschlagstoffe untersucht. Eine Mischung aus Leonardit, Gesteinsmehl und Pflanzenkohle zeigte in Laborversuchen ein vielversprechendes Ammoniak-Reduktionspotenzial; im Stall und im Grünland konnte der Effekt nicht nachgewiesen werden.
Mach Energie aus Gülle!
Die Vergärung von Gülle in Biogasanlagen leistet nicht nur einen Beitrag zur Energiewende, der Prozess reduziert zugleich die Methan-Emissionen, die u. a. bei der Güllelagerung entstehen. Die überbleibenden Gärreste werden als Dünger eingesetzt und stehen der unvergorenen Gülle in puncto Nährstoffgehalt nicht nach, riechen aber weniger stark. Rund ein Drittel der in Deutschland anfallenden Wirtschaftsdünger erfahren aktuell diese Doppelnutzung – das spart bis zu 3 Mio. t CO2 pro Jahr (Quelle: Deutsches Biomasseforschungszentrum).
Nährstoffkreislauf nicht überlasten
Auch mit Blick auf den Nährstoffkreis kann Gülle punkten: Ein Großteil des enthaltenen Phosphors und Stickstoffs wird bei der Gülleausbringung recycelt, was den Einsatz von Mineraldüngern wirksam reduzieren kann.
Problematisch werden organische Dünger dann, wenn der Nährstoffkreislauf durch ungleich verteilte, konzentrierte Viehbestände sowie durch Nährstoffimporte überlastet wird.
Hessen ist mit rund 412.000 Großvieheinheiten und circa 765.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche davon weniger betroffen (Quelle: Landwirtschaftszählung 2020, Hess. Stat. Landesamt).
Im Gegensatz zu anderen Regionen haben die zuletzt geschrumpften Schweine- und Rinderbestände in Hessen die Abhängigkeit von Wirtschafts- und Mineraldüngereinfuhren sogar erhöht.
Fazit: Auch wenn es manchmal stinkt: Gülle, Mist und Co. leisten einen wertvollen Beitrag zur Pflanzenernährung. (wal)