
©Symbolfoto: nh24 | Wittke-Fotos
FRANKFURT / LOLLAR. Angesichts der deutschlandweit katastrophalen Zustände im Schienenverkehr fordert der PRO BAHN Landesverband Hessen die Einberufung von „Schienennotstandsgipfeln“ auf Bundesebene und in allen 16 Bundesländern, heißt es am Freitag in einer Pressemitteilung von Pro Bahn.
Die gegenwärtige Situation erfordert eine klare Verantwortungsübernahme aller gesellschaftlichen Akteure, sowohl in der Politik als auch in den Organen und Unternehmen des Verkehrswesens.
Seit rund zwei Jahren zeigt sich ein staatspolitisches Versagen, da über Jahrzehnte versäumt wurde, die Weichen für die Vermeidung des aktuellen Notstands zu stellen. Woche für Woche werden Zugfahrten kurzfristig abgesagt und Stellwerke stellen innerhalb weniger Stunden ihren Betrieb ein. Der aktuelle Bahnnotstand erreicht historische Ausmaße, vergleichbar nur mit Kriegszeiten und den Nachkriegsjahren in den 190 Jahren Bahngeschichte.

Die „Bahnnotstandsgipfel“ sollen alle Fakten auf den Tisch bringen. Die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen müssen insbesondere personelle Details offenlegen. In einem klaren, transparenten Fahrplan für die kommenden Jahre soll dargelegt werden, welche Schienenverkehrsleistungen umsetzbar sind. Dies sollte auf jede Bahnlinie und -strecke heruntergebrochen sein, um den Personaleinsatz, vornehmlich von Lok- und Triebfahrzeugführern, Fahrdienstleitungen/Stellwerksbesetzungen und Zugbegleitpersonal, zu sichern. Die Ausbildung und Weiterbildung von neuem Personal für diese Berufe muss verständlich dokumentiert werden.
An den Bahnnotstandsgipfeln sollen Vertreter von Verkehrsverbünden, lokalen Nahverkehrsorganisationen, Aufgabenträgern, Bahnverkehrsunternehmen, Politikern von Regierungen und Parlamenten, Vereinen, Verbänden für Fahrgäste sowie Fahrgastbeiräten teilnehmen.
Vornehmlich in Hessen wurde die Situation über viele Jahre durch Pressemitteilungen des Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) in einem zu positiven Licht dargestellt. Die Politik in Land, Kreisen und Kommunen wähnte sich durch diese übertrieben positive Darstellung jahrelang in Sicherheit. Nun ist es an der Zeit, die Realität anzuerkennen.
Seit den 1990er Jahren wurde durch die Einführung von Gruppentickets vermehrt Gelegenheitsfahren in Vereinen und Gesellschaften gefördert, um neue Fahrgäste zu gewinnen. Doch der Bahnnotstand der letzten zwei Jahre hat zu einer deutlichen Distanzierung in der Gesellschaft geführt und das Vertrauen, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde, zerstört.
PRO BAHN Hessen sieht die Notwendigkeit, diese Notstandsgipfel auch auf kommunaler Ebene, in Landkreisen und Städten mit über 50.000 Einwohnern, durchzuführen. Auch bei Lokal- und Stadtbussen, Straßen- und U-Bahnen sei die Situation mittlerweile verheerend.
Falls es nicht gelingt, über solche Bahnnotstandsgipfel Ergebnisse zu erzielen, wird der Spott und Vertrauensverlust in Staat und Demokratie weiter zunehmen. PRO BAHN betont die Bedeutung eines stabilen und verlässlichen Fahrplans auf Grundlage personeller und infrastruktureller Leistbarkeit für die kommenden Jahre, um das Vertrauen der Bevölkerung in öffentliche Verkehrsmittel wiederherzustellen.
PRO BAHN sieht einen handfesten Skandal in der Aufgabenwahrnehmung einiger leitender RMV-Mitarbeiter, die sich gegen die Bedürfnisse von rund einer Million Einwohnern in der Region Mittelhessen stellen. PRO BAHN fordert eine strukturelle Neuorganisation des RMV.
Für die Linien RE98 und RE99 fordert PRO BAHN Hessen die Anschaffung neuer Züge mit etwa doppelter Sitzplatzkapazität. Dies entspräche den Zügen auf den parallel verkehrenden zweistündigen Doppelstockzügen des RE30 zwischen Frankfurt, Gießen, Marburg und Kassel. Die bisher eingesetzten Stadler-Flirt-Züge könnten als Regionalbahnen auf denselben Strecken zum Einsatz kommen, insbesondere als Ergänzung auf den Linien RB41 Frankfurt-Gießen-Marburg-Treysa und RB40 Frankfurt-Gießen-Marburg-Dillenburg. Auch hier setzt die Hessische Landesbahn (HLB) vergleichbare Triebfahrzeuge des Typs Alstom Coradia Continental ein. PRO BAHN betont die Notwendigkeit, verantwortungsbewusst mit größeren Zügen für die beiden betroffenen Nahverkehrslinien umzugehen, angesichts der Szenarien an den Bahnsteigen und in den Zügen. (wal)
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