Festival der „Alten Helden“ mit Unterbrechung in Fritzlar
FRITZLAR. Die gute Nachricht des Abends vorweg: Die BMA (Brandmeldeanlage) in der für über 7 Millionen €uro umgebauten Fritzlarer Stadthalle funktioniert! Hurra! Die Feuerwehr durfte beim Rockfestival „Best of“ über 30 Minuten lang mitspielen, fast so lang wie die fünf Bands auch: Mike Gerhold And Friends, Chip’n Steel, Andreas Diehlmann Band, Next Chapter und Steven Stealer Band.
Als die Story vor etwa 20 Jahren begann, lagen die 70er und 80er noch gar nicht so weit zurück, hatten aber nach gut 10 bis 35 Jahren bereits den Charme beginnender Nostalgie. Den sympathischen Übersetzungsfehler im Namen 70th, 80th (70., 80.) inklusive hat sich das Festival der „Alten Helden“ zwischen den Jahren gegen den Mallorca-Party-Trend durchgesetzt und behauptet. Die Veranstaltung ist immer ausverkauft und jedes Jahr schimpfen die Gleichen, dass sie keine Karten mehr bekommen haben …
„Come Together“ nach vier Jahren Pause …
Dreimal fiel die an Veranstaltung aus wegen Corona und dem Stadthallenumbau und so fand am 29. Dezember – nach vier Jahren Pause seit 2019 – das inzwischen 16. Rockfestival erstmals wieder statt. Die Stadthalle ist größer geworden, aber es dürfen statt 800 nur noch 700 in die Halle. Für die 700 einschließlich Thekenpersonal, Security und Musiker gab es reichlich musikalischen Genuss. Zum Auftakt einen der größten Helden bereits der 60er und schließlich der 70er bis 10er: Joe Cocker. Niemand – wirklich niemand – schlüpft besser in die Figur des Ausnahmesängers als Michael Dippel von Chip’n Steel. Die gleichen Bewegungen und das seit Woodstock bekannte „Zappeln“ (Wikipedia), die gleiche raue Stimme, die passende Mimik und dank der hervorragenden Band auch die authentische musikalische Performance. Von „You Can Leave Your Hat On“, über „Come Together“, „Respect Yourself“ sowie anderen Cocker-Dauerbrennern bis zur Woodstock-Hymne „With a Little Help From My Friends“ war vieles vom Besten dabei. Schön, dass sie nach rund zehn Jahren Pause wieder zurück waren, befand auch Ex-Keyboarder und Mitveranstalter des Festivals Kalle Paltinat.
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Turn The Page! Irgendwie war es nebenbei die Veranstaltung der Ex‘n. Mike Gerhold hat früher in der Steven Stealer Band gesungen und stand jetzt mit einigen Freunden auf der Bühne. Mit „Turn The Page“ hat Bob Seeger die Hymne für (alternde) Rockmusiker auf Tour geschrieben. Dazu passt Mikes rauchige Stimme wie kaum eine andere, und sie passt sogar zu Fleetwood Mac. Überraschung: „Daddy Cool“ steht „Am Fenster“ und stellt fest, „Nothing Else Matters“. Aber wer hätte es gedacht, „Jolene“ ist nicht die Schwester von Marianne Rosenberg, sondern die „Lady In Black“. Man lernt nie aus! Zombie singen die Fischer Chöre. Oder besser Fritzlar Chöre? Frischer Chöre der 700 im Saal!
Aus der Blues-Hall-Of-Fame
Zählt die Anerkennung im Feuilleton, dann war Andreas Diehlmann mit Band am Freitagabend klar die Nummer 1. Er gilt als einer – wenn nicht – DER beste(n) Bluesgitarristen in Deutschland. Hinter der Bühne wirkt Andreas eher unscheinbar bescheiden, auf der Bühne geht die Post dann richtig ab. Auftakt mit Fleetwood Macs „Oh Well“ im Diehlmannstil und nach dem Aufwärmen dann sein Diehlmaneskes Purple Rain von Prince. Diesmal gab‘s weniger Eigenkompositionen. Immerhin „Boogie Woogie Rock’n‘ Roll“, ein Titel, bei dem niemand stillstehen kann. „The Guitar Was My Only Joy – Ok. Das scheint auch die größte Freude zu sein. „Hey Joe“ hat er gefühlt schon gespielt, als Jimi Hendrix danach zum ersten Mal die Bühne verlassen hat. Seine Managerin, Tourpsychologin und Ehefrau will immer ZZ-Top aus 1971 hören. Auch das gab’s in Perfektion und der klassischen 3er Formation. Am Bart könnte noch gearbeitet werden.
Inzwischen liegen die 90er und 00er Jahre genauso weit zurück wie bei der ersten Best-of-Veranstaltung die 70er- und 80er-Jahre und haben – obwohl früher selbstverständlich alles besser und noch früher alles viel besser war – genauso ihre Patina bekommen und werden nostalgisch mitgesummt. Auch die Eltern der 90er- und 00er-Jahre haben angefangen, ihren Kindern zu erzählen, wie schön die Musik in dieser Zeit gewesen ist – als Mama und Papa sich den ersten Kuss gaben …
Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann …
Geküsst wurde Freitagabend auch, vor allem von der Muse. Next Chapter – der Name war sozusagen Programm – bewiesen als vierter Act mit Hochdruck, dass Musiker aus dem letzten Jahrtausend durchaus die Musik des aktuellen Jahrhunderts verstehen. Da fanden die 70er und 80er nicht mehr statt. Das Quartett hinter Sängerin Sandra Siebert aus Bad Zwesten wertete den Abend definitiv auf. „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ (Nena) zum Start war nicht Ausdruck von Desorientierung, sondern die Brücke in die musikalische Gegenwart. Ganz gleich, ob „In The End“ (Linkin Park), „Enjoy The Silence“ (Depeche Mode) oder – endlich „zum Schmusen“, wie Sandra ankündigte – Killing In The Name“ (Rage Against The Machine), die Bühne stand pausenlos unter musikalischen Dauerfeuer und funkensprühenden Stimmbändern der charismatischen Sängerin.
Tatsächlich hat das die Brandmeldeanlage etwas später aber nicht deshalb ausgelöst. Oder doch? „Barracuda“ von Heart schaute aus den 70ern vorbei und Doro Peschs „Für immer – Deep Inside My Heart“ ging schließlich wirklich ans Herz, bevor rotes Blinklicht und schrille Warntöne Publikum und Musiker überraschten. Irgendwie hatte irgendwo etwas zuerst die Brandmeldeanlage (BMA) und schließlich eine etwas längere Unterbrechung ausgelöst. Mitveranstalter Walter Mayer hatte zur Begrüßung um 20 Uhr auf das Rauchverbot hingewiesen. Das scheint aber nicht der Auslöser gewesen zu sein. Der Grund blieb bisher ungeklärt.
Irgendwann hätte vielleicht einmal jemand klären sollen, was eigentlich passiert, wenn so etwas passiert. Eine Frage an die Security, ob jetzt geräumt wird, wurde beantwortet mit: „Dafür sind wir nicht zuständig!“ Ich ahne, das hätte irgendjemand im Ernstfall irgendwie anders bewertet. Auf der Seite der Feuerwehr Fritzlar steht zu lesen, dass die Halle geräumt wurde. Das geschah tatsächlich sogar schon nach – doch irgendwie langen – 20 Minuten(!). In der Zeit bis dahin war nicht deutlich ersichtlich, nach was die anwesende Feuerwehr eigentlich sucht. Offensichtlich konnte nicht einmal geklärt werden, an welcher Stelle in der Halle ein Sensor überhaupt ausgelöst hatte. Irgendwo halt. Die Räumung erfolgte scheinbar nur, damit zumindest erklärt werden konnte, dass sie irgendwann geräumt war? Wenige Minuten danach durften alle den Saal wieder betreten. Alles gut!? Inzwischen liegt nh24 auch ein Video vor, welches die Seelenruhe im Saal während des Alarms zeigt.
Das Beste kommt immer zum Schluss
Die Unterbrechung war zumindest eine originelle Abwechslung. Ich habe in dieser Zeit Petra aus Frankenberg kennengelernt – wie schön! Vielleicht stehen hier bis zum Hessentag eine Überarbeitung der Meldetechnik, eine Schulung der Feuerwehr und eine Handlungsanweisung für Veranstalter auf der Agenda? Es könnte ja mal ein Ernstfall eintreten. Ein als Besucher anwesender Feuerwehrmann aus Frielendorf gegenüber nh24 augenzwinkernd: Ich hätte als Note eine 6 gegeben.
Davor und danach ging’s allerdings nicht um Schulnoten, sondern um Noten im Violin- und Bassschlüssel, vornehmlich im Dreivierteltakt. Diese beherrscht in Nordhessen kaum jemand so originalnah und authentisch wie die Steven Stealer Band. Ich hätte mir nach der Zwangspause ironischerweise „Smoke on The Water“ gewünscht: „We all came out to Fritzlar, on the river Eder shoreline …“ 😉 Auf der Setlist ganz oben stand das nicht, aber dennoch Deep Purple: „Perfect Stranger“. Mit Titeln wie „Runaway“ (Bon Jovi), „Cocaine“ (Eric Clapton) oder „School“ (Supertramp) bediente die Band fast alle musikalischen Stilrichtungen der Ära 70 – 80. Eine wunderschöne Version von „Hotel California“ (Eagles), „Wish You Were Here“ (Pink Floyd), „Hush“ (Deep Purple) aus den 60ern oder der „bandeigene“ Led-Zeppelin-Mix mit „Whole Lotta Love“ und „Kashmir“ beendeten den offiziellen Teil des Abends.
Gekrönt wurde die Veranstaltung schließlich durch die gemeinsame Zugabe aller Akteure des Events: „Sweet Home Alabama“ und „Knocking On Heaven‘s Door“. Lynyrd Skynyrd und Bob Dylan hätten zumindest – wie jedes Jahr – geschmunzelt! Das Publikum tat‘s und war zufrieden – nicht nur irgendwie! Nicht irgendwann und nicht irgendwo, sondern zwischen den Jahren 2024 in der Fritzlarer Stadthalle findet die nächste feuerfeste Party statt! Und nein, Karten gibt es noch nicht 🙂 (Rainer Sander)
1 Kommentar
Eine “ 6 “ ist zu niedrig gegriffen.
Offensichtlich gab es keinerlei Pläne, keine Auflagen und zu den ausgsechilderten Notausgängen, wenn richtig und vorhanden, fehlen auch Aussagen.
Wenn das wirklich gebrannt hätte ,wäre es eine richtige Katastrophe geworden.
Fehlten nur noch verschlossene Türen oder Fluchtwege die vor einer mauer enden – wie ich es in Marbug Unuklinik auf den Lahnbergen vor Jahren vorgefunden habe.
Das man trotz einer BMA nicht weiß, wo ausgelöst wurde, zeugt nicht bgerade von qualittaiv hochwertiger Technik und da fehlt dann auch noch der Fachmann, der das alles abgenommen hat.
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