Museum der Schwalm an einem geschichtsträchtigen Ort
SCHWALMSTADT. Das „Steinerne Haus“ am Ziegenhainer Paradeplatz, Ort des Schwälmer Weihnachtsmarktes, großer Musikveranstaltungen, des alljährlichen Kirmesauftaktes und der Stadtführungen ist Standort des „Museum der Schwalm“. Einst war es das Haus des Festungskommandanten und ist damit selbst ein Exponat.
Ein paar weitere Besonderheiten und Alleinstellungsmerkmale unterscheiden das Museum von anderen Regional- und Heimatsmuseen. Wer das Museum betritt, muss wissen, wo er sich befindet. Den Paradeplatz gab es vor 484 Jahren, als die Festung errichtet wurde, noch gar nicht. Die Altstadt von Ziegenhain war zu dieser Zeit dicht bebaut. Erst später sorgten Schlachten für eine Freifläche, von der auch die hessischen Soldaten unter Friedrich II. von Hessen-Kassel nach Amerika verschickt wurden, um die britische Krone im Unabhängigkeitskrieg zu unterstützen.
Festungsgeschichte, Konfirmation und Weißstickerei
Der Festung ist eine von sieben Abteilungen des Museums gewidmet. Das groß dimensionierte Modell der Festung, das ihren Zustand nach der Beschießung von 1761 zeigt, ist beeindruckend und einzigartig. Der Wallgraben um die Festung herum ist noch heute im Grunde vollständig erhalten und damit genauso einmalig. Genau in die Gründungszeit der Festung fällt auch die sogenannte Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung, Grundlage der Konfirmation, die in Ziegenhain „erfunden“ wurde und inzwischen weltweit zu den wichtigsten Ritualen der evangelischen Christen zählt. Die Ursprünge der Konfirmation sind im Museum dargestellt, der eigene Ausstellungsbereich ist noch in der Entwicklung.
Der kulturhistorisch vielleicht wichtigste Bereich ist die Darstellung der Schwälmer Weißstickerei. Sie gab es bereits vor der Schwälmer Tracht, die ältesten Techniken und Motive wurden bereits aus dem Mittelalter übernommen. Sie wiederholen sich und bestimmen die Art der Stickerei. Zu bewundern ist beispielsweise eine Bettdecke, für die eine Schwälmer Hausfrau einen ganzen Winter gebraucht hat. Entsprechend ist ihr Wert immens. Die Kunst der Schwälmer Weißstickerei ist inzwischen zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe angemeldet und nicht nur im Museum hofft man auf die Aufnahme dort. Dann würde hier dieses Erbe verwaltet.
Schwälmer Tracht und Handwerk
Die Darstellung der Schwälmer Tracht bildet eine weitere Abteilung im Museum. Die rote „Betzel“ diente den Brüdern Grimm als Vorlage für das Rotkäppchen, auch wenn die Ursprünge des Märchens älter sind als die Tracht. Ihr verdankt die Region den Namen Rotkäppchenland. Die Schwälmer Tracht ist eine besonders aufwendige und wertvolle Kleidung und bereits an den Farben konnte man das Alter ihrer Trägerin erkennen, aber auch, ob sie bereits verheiratet war. Viele Trachtenelemente verrieten zudem den Wohlstand der Familie. Besonders beeindruckend ist der Hochzeitszug. Auch Konfirmation und Abendmahl werden in Szenen dargestellt, schließlich außerdem eine Familiensituation, in der auf Knopfdruck ein Dialog in Schwälmer Platt abgerufen werden kann.
In einem weiteren Bereich ist das Schwälmer Handwerk zu bewundern, so sind eine Töpferei und eine Schusterei mit vielen Details, Werkzeugen und Produkten der Handwerkskunst und die Schwälmer Textilproduktion mit Webstuhl und Spinnrad dargestellt. Bereits damals hatten die Menschen mehrere Jobs, mitunter zu unterschiedlichen Jahreszeiten und also nicht nur eine Profession. Zu bewundern sind alte Werkzeuge sowie erste Maschinen, wie beispielsweise zum Fertigen der Schwälmer Kappen.
Sonderausstellungen und Vorgeschichte
Schließlich bereichern regelmäßig Sonderausstellungen zu bestimmten Künstlern oder Themen das Museum. Zuletzt eine Ausstellung mit Werken von Wolfgang Zeller. Zu bewundern waren unter anderem Zeichnungen und ein großes Ölgemälde. Noch immer werden im Fundus des Museums interessante Schätze entdeckt. So hat Museumsleiter Wilfried Ranft jüngst einen Schriftwechsel zwischen Wolfgang Zeller und Carl Bantzer entdeckt.
Im Erdgeschoss des Museums finden sich einige Fundstücke aus der Vor- und Frühgeschichte. Hier kann man erkunden, wie die Menschen zur Steinzeit gelebt haben. Und schließlich befindet sich hier ein Abdruck des Meteoriten von Rommershausen, der am 3. April 1916 um 15:25 Uhr mit lautem Getöse in der Nähe des heutigen Schwalmstädter Stadtteils niederging. (rs)