SCHWALMSTADT-TREYSA. Champions League, Borussia Dortmund gegen AC Mailand. Willi R. (87) hatte sich lange auf den Abend mit Sportschau und Sofa gefreut. Seine Frau war schon im Bett, der 87-Jährige ging nur schnell zur Toilette.
Dann konnte er auf einmal sein rechtes Bein nicht mehr bewegen. Willi R. hatte einen Schlaganfall erlitten. Seine schnelle Reaktion und die Behandlung in der Hephata-Klinik retteten ihm das Leben.
„Das war schon dramatisch. Ich kam von der Toilette zurück und merkte, dass ich keine Kraft mehr im rechten Bein hatte. Ich bin bis zum Sofa gekommen, dann ging nichts mehr. Ich habe um Hilfe gerufen, aber im Haus hat mich niemand gehört. Ich habe sofort an einen Schlaganfall gedacht“, erinnert sich der 87-Jährige. Ihm war klar, dass er möglichst schnell ans Telefon kommen musste, doch das stand an der andere Ecke des Wohnzimmers. Dem 87-Jährigen gelang es, einen Sessel heranzuziehen und sich über ihn langsam auf den Boden gleiten zu lassen. „Dann bin ich über das Parkett gerobbt, bestimmt eine halbe Stunde lang. Bis ich am Telefon war, war es kurz vor zwölf.“
Im wahrsten Sinne des Wortes. „Bei Herrn R. war nur ein relativ kleines Areal im Gehirn betroffen und er konnte noch selber Hilfe holen. Vor allem aber ist er rechtzeitig zu uns gekommen“, sagt Dr. Sven Fuest, Chefarzt der Abteilung Neurologie und Leiter der Schlaganfall-Station der Hephata-Klinik in Schwalmstadt-Treysa. In der Klinik ging es sofort ins CT, um eine Blutung auszuschließen, die eine mögliche Ursache für einen Schlaganfall sein kann. Ist dies nicht der Fall, sondern verstopft ein Blutgerinnsel ein Gefäß, kann dieses bei vielen Patienten mit einer Lyse-Therapie aufgelöst werden. Dabei verabreichen die Ärzte ein blutverdünnendes Medikament über die Vene. Einziger Haken: Die Lyse-Therapie kann nur innerhalb von viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Symptome angewendet werden. Bei Willi R. war dies der Fall. Schon am nächsten Tag konnte der 87-Jährige sein Bein wieder fast normal bewegen.
„Ich habe das Gefühl, als ob nichts gewesen ist“, sagt Willi R. nach fünf Tagen. „Wir könnten deutlich mehr Patienten helfen und bleibende Behinderungen vermeiden, wenn sie schneller zu uns kämen“, sagt Dr. Sven Fuest. In den ersten viereinhalb Stunden kommen jedoch nur 40 Prozent aller Schlaganfall-Patienten in der Hephata-Klinik an. Zehn Prozent sind unter 50 Jahren, die meisten über 80. „Das Alter stellt heute nicht mehr das Problem dar. Problematisch ist vielmehr, dass ein Schlaganfall zunächst keine Schmerzen verursacht, wie vielleicht ein Herzinfarkt, und es sind auch keine Wunde oder Blut zu sehen. Viele Betroffenen nehmen Anzeichen wie ein Kribbeln im Arm oder Bein nicht ernst, legen sich ins Bett und warten ab. Das kann fatale Folgen haben.“
Willi R. hatte keine unmittelbaren Anzeichen, die Lähmung kam urplötzlich: „Vor ein paar Jahren habe ich ein Kribbeln im Arm gehabt, das aber nach ein paar Minuten von alleine wieder weggegangen ist. Daran musste ich jetzt denken.“ Zu Recht, denn viele Schlaganfälle kündigen sich bereits Wochen, Monate oder auch Jahre vorher an, meistens mit milden Symptomen, die von alleine wieder verschwinden, oftmals aber bereits einen kleinen Schlaganfall darstellen und einen größeren nach sich ziehen können. „Der Schlaganfall ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, daher sollten auch leichte neurologische Ausfälle nicht auf die leichte Schulter genommen werden – rufen Sie lieber einmal zu viel als einmal zu wenig den Rettungsdienst“, so Fuest. „Denn in jeder Minute, in der ein Schlaganfall nicht behandelt wird, sterben Gehirnzellen ab und werden Schäden im Gehirn verursacht.“
Willi R. wird im Anschluss an die Behandlung in der Hephata-Klinik eine Reha antreten. Außerdem muss er nun Tabletten einnehmen, die das Risiko für künftige Schlaganfälle senken, und wird zu regelmäßigen Kontrollen in die Schlaganfall-Sprechstunde kommen. „Ich bin sehr froh, dass das alles so gut gelaufen ist.“
Die Schlaganfall-Notfallnummer der Hephata-Klinik ist rund um die Uhr zu erreichen: 06691 18–2028.
Unabhängig davon gilt für Notfälle die Telefonnummer: 112
Hintergrund Schlaganfall-Station
In der Hephata-Klinik wurden im vergangenen Jahr 284 Menschen mit einem Schlaganfall behandelt. Die Fachklinik hat dafür eine eigene Abteilung mit 14 Betten. Hier steht 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr ein interdisziplinäres Team aus Fachärzten, Medizinisch Technischen Assistenten, Pflegern, Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten bereit. Die Klinik verfügt über CT, MRT und einen Hubschrauber-Landeplatz.
Hintergrund Schlaganfall
Ein Schlaganfall ist eine plötzlich („schlagartig“) auftretende Erkrankung des Gehirns, die oft zu einem länger anhaltenden Ausfall von Funktionen des Zentralnervensystems führt und durch Störungen der Blutversorgung des Gehirns verursacht wird. Typische Symptome für den Schlaganfall sind Kribbeln in Armen und Beinen, halbseitige Lähmungserscheinungen, Kopfschmerzen und Schwindel, plötzlich herabhängende Mundwinkel, Sprechstörungen, die Unfähigkeit, Gesprochenes zu verstehen oder richtig zu sehen. Grob unterscheiden lassen sich die Schlaganfälle in plötzlich auftretende Minderdurchblutung (Hirninfarkt) und die akute Hirnblutung. Statistisch gesehen erleidet weltweit einer von vier Erwachsenen einen Schlaganfall. In Deutschland sind laut der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe jedes Jahr 270.000 Menschen betroffen. Ein Schlaganfall ist die häufigste Ursache für Behinderungen im Erwachsenenalter, rund 60 Prozent benötigen danach Hilfsmittel, Therapien oder Pflege. Aber: Fast doppelt so viele Menschen als noch vor 25 Jahren überleben einen Schlaganfall.
FAST-Test für Schlaganfälle: Der „FAST“-Test ist nach den englischen Begriffen Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit) benannt:
Face: Bitten Sie die Person, zu lächeln. Ist das Gesicht einseitig verzogen, deutet dies auf eine halbseitige Lähmung hin.
Arms: Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, sie sinken oder drehen sich.
Speech: Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
Time: Wählen Sie unverzüglich die 112 und schildern Sie die Symptome. (pm)