WILLINGSHAUSEN. Willingshausen ist um eine visuelle Attraktion reicher: In der Carl-Bantzer-Straße direkt neben dem Dorfplatz ist jetzt das neue großformatige Bild „Schwälmer Tanz“ an einer Scheunenwand montiert worden und damit für die Öffentlichkeit wahrnehmbar.
Das Bild auf einer Tischlerplatte als Malgrund ist mit Acrylfarben von 10 Ortsbewohnern mit Anleitung der Künstlerin Elke Anders in einem dreitägigen Workshop gestaltet und ausgemalt worden.
Bei einer gemeinsamen Einweihung der malbegeisterten Laienmaler mit Workshopleiterin Anders war es deren Aufgabe, das weiße Tuch vom Rahmen zu ziehen. Die im Halbkreis stehenden Beteiligten und einige Nachbarn hatten ihre Augen erwartungsvoll auf die Fachwerkwand der Scheune von Kerstin Schäfer gerichtet. Wer in diesem Moment die gegenüberliegende Apotheke „Malerstübchen“ verlassen hatte, wurde ebenfalls Zeuge dieser ungewöhnlichen Bildvorstellung an einer denkwürdigen historischen Örtlichkeit im Malerdorf Willingshausen.
Maler in Willingshausen und das Motiv „Schwälmer Tanz“
„Im Jahr 1849 hat der junge Ludwig Knaus einen ersten längeren Studienaufenthalt in Willingshausen verbracht. Er konnte wenige Meter von hier den Dorftanz unter der Linde erleben und beobachten. Später ist dies eines seiner berühmten Gemälde geworden“, sagte Hartwig Bambey für die Initiative Jugend-Kunstschule Willingshausen als Veranstalter der Workshopreihe.
Nach Ludwig Knaus kamen Adolf Lins, Emil Zimmermann und viele weitere Maler zu sommerlichen Malaufenthalten. Carl Bantzer kam im Jahr 1887 zum ersten Mal nach Willingshausen. Sein berühmtes Gemälde „Schwälmer Tanz“ hat er im Spätsommer 1897 begonnen und im Jahr 1898 vollendet. Bei der Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast München wurde es 1898 erstmals ausgestellt. Im Jahr 1900 wurde es auf der Weltausstellung in Paris präsentiert und Carl Bantzer erhielt eine Bronzemedaille.
Nach Carl Batzer haben viele andere Maler den Schwälmer Tanz in eigenen Zeichnungen und Gemälden festgehalten. Otto Ubbelohde, Wilhelm Thielmann, Carl Mons und Emil Beithan sind hier zu nennen. Der Grafiker Vincent Burek hat Jahrzehnte später den Schwälmer Tanz in einem ausdrucksstarken Linolschnitt verewigt.
Zum neuen „Schwälmer Tanz“ von Elke Anders & Team
Carl Bantzers berühmtes Gemälde „Schwälmer Tanz“ hat Elke Anders gefallen. Sie hat sich daran begeben eine eigene, vereinfachte Version mit Acrylfarben zu malen, die sich an Bantzers Gemälde anlehnt. Indem die in Morschen lebende Künstlerin das Bild in Farbfelder zerlegte, ist konnte ein eine Schwarz-weiss-Skizze entstanden, die sie dann zum Ausgangsmotiv für ihren Workshop gemacht hat.
Nachdem Elke Anders diese Skizze auf die große weiß grundierte Tischlerplatte übertragen hatte, konnten Amanda, Luis und Erika beim Workshop im August am Freitagnachmittag beginnen, mit Pinseln Farben aufzutragen. Am Samstag kamen weitere (Aus-)Maler/innen dazu und haben miteinander diesen neuen „Schwälmer Tanz“ farbig vollendet.
An drei Tagen war in der Carl-Bantzer-Straße in Willingshausen eine Scheune zum Atelier geworden. Das Experiment der Einbeziehung von interessierten Laien ist vortrefflich gelungen, meint Workshopleiterin Anders. Die zufriedenen Gesichter und leuchtenden Augen bei der Aufhängung des großformatigen Bildes 4 Wochen später machten dies erneut anschaulich.
„Amanda wird bestimmt wieder dabei sein wollen, wenn demnächst ein ähnlicher Workshop angeboten wird“, sagte Erika Schäfer über ihre sechsjährige Enkelin. „An zwei Tagen hat sie mit Begeisterung Felder ausgemalt und hat nebenher noch ein eigenes Bild auf einer kleinen Tischlerplatte gemalt. Vielleicht bringt sie eine Freundin mit“, war von der Oma zu vernehmen.
Texttafel informiert über die Entstehung des Großbildes
Direkt neben dem neuen „Schwälmer Tanz“ am Fachwerkgiebel der Scheuneist eine Texttafel am Scheunentor angebracht, mit der Passanten und Bildbetrachter über die Entstehung informiert werden. Darauf finden sich auch die Namen aller 11 Beteiligten am ersten Workshop „Das Dorf als Leinwand“ benannt.
Der Standort hat nicht alleine besondere historische Bezüge. Zur Apotheke „Malerstübchen“ direkt gegenüber, die in der früheren Dorfschule seit Jahrzehnten in Betrieb ist, kommen viele Menschen aus Willingshausen und den umliegenden Orten, um sich ihre auf Rezepten verschriebenen Medikamente abzuholen.
Ab sofort fällt ihnen dabei der farbenfrohe „Schwälmer Tanz“ ins Auge und damit eine gehörige Portion Lebensfreude als Morgengabe für das Wohbefinden.
Hintergrund
Die Initiative Jugendkunstschule Willingshausen geht mit der Malschule Willingshausen neue Wege und will Impulse geben für eine Öffnung und Weiterentwicklung der Kursangebote, die seit 1992 von Ulrike Schulte geleitet werden.
Insbesondere Schüler und junge Menschen aus der Region und darüber hinaus werden in Kreativ-Kursen – über Zeichnen und Malen hinausgehend – angesprochen und zur eigenen Betätigung angeleitet und begeistert. Neue Künstler bieten dafür entsprechend vielfältige Kurse an.
Die Veranstaltungsreihe „Das Dorf als Leinwand“ wird in 2023 und 2024 vom Fonds Soziokultur mit Bundesmitteln gefördert.
Nach Elke Anders wird Jan Luke aus Marburg einen nächsten Workshop im Oktober anbieten. Dann soll die Scheune mit dem „Schwälmer Tanz“ in der Carl-Bantzer-Straße in Willingshausen ein weiteres Mal zum ungewöhnlichen und produktiven Atelier werden. (Hartwig Bambey/pm)
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