KASSEL. Die Geschäftslage in den über 17.000 Handwerksbetrieben in Nord‐, Ost‐ und Mittelhessen hat sich im 2. Quartal weiter leicht belebt. 44,7 Prozent der Befragten bewerten ihre aktuelle Lage mit gut, weitere 40,1 Prozent mit befriedigend. Sowohl gegenüber dem Vorquartal als auch gegenüber dem Vorjahr ist das eine günstigere Entwicklung, informiert die Handwerkskammer Kassel am Dienstag.
„Sorgen macht uns allerdings die schwächelnde Konjunktur im Bauhauptgewerbe. Der private Wohnungsbau ist komplett zum Erliegen gekommen. Hier werden insbesondere die zukünftigen Geschäftsaussichten skeptisch beurteilt. Auch die Ordereingänge sowie der Auftragsbestand sind hier deutlich rückläufig“, kommentiert der Kammerpräsident Frank Dittmar die aktuelle Konjunkturumfrage der Handwerkskammer.
Anders sei die Situation im Ausbaubereich. „Die Unternehmen, beispielsweise Installateure und Heizungsbauer oder Elektrotechniker, bewerten die Situation aktuell am besten, sie profitieren ganz besonders von der Umsetzung der Energie‐ und Klimawende“, so Dittmar weiter.
Während sich die Bewertung der aktuellen Geschäftslage über alle Branchen verbessert hat, verschlechterte sich die Einschätzung der zukünftigen Lage: Nur noch 6,5 Prozent der Befragten erwarten in den kommen‐ den drei Monaten eine Verbesserung der konjunkturellen Lage (Vorquartal: 17,3 Prozent), weitere 78,2 gehen von einer gleichbleibenden Lage aus (VQ: 65,9 Prozent). Dadurch verharrte das Geschäftsklima mit 108,7 Punkten auf dem Vorquartalsniveau. Gegenüber dem Sommer 2022 war das allerdings eine Verbesserung um 8,5 Punkte.
„Die Herausforderungen für unsere Handwerksbetriebe bleiben groß, die aktuell ordentliche Lage darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zahlreiche Risiken wie der Fachkräftemangel, die Verunsicherung der Konsumenten, die Inflation und die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen die Betriebe sehr besorgen. Die anhaltend hohe Inflation führt zu Kaufkraftverlusten und drückt auf die Einkaufslaune der Verbraucher, was die konsumnahen Gewerke besonders trifft. Hohe Kreditzinsen und gestiegene Materialkosten führen zu erheblichen Auftragsausfällen im Bauhauptgewerbe“, beschreibt Dittmar die Lage.
Die weitere Entwicklung der Sommer‐Konjunktur ist als „saisontypisch“ anzusehen, eine konjunkturelle Trendwende ist nicht zu erwarten. Zu Sorgenfalten führen die aktuellen Auftragseingänge, die gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind. Der Frühindikator der konjunkturellen Entwicklung deutet damit ebenfalls darauf hin, dass im zweiten Halbjahr 2023 kein weiterer Schub zu erwarten ist.
Bei Baumaterialien, Rohstoffen und Energie wurde der Preisanstieg et‐ was gebremst, aber immer noch mehr als jeder zweite Betrieb hat in den letzten drei Monaten höhere Preise bezahlen müssen. Die durchschnittliche Auftragsreichweite liegt, bedingt durch große Altbestände, immer noch auf hohem Niveau. Aktuell müssen die Kunden durchschnittlich elf Wochen auf ihr Handwerksunternehmen warten. Vor einem Jahr waren es 10,8 Wochen. Im Bauhauptgewerbe ist der Auftragsbestand binnen Jahresfrist um 4,6 Wochen gefallen (aktuell: 12,6 Wochen). Die Kapazitätsauslastung im Gesamthandwerk hat sich im aktuellen Sommerquartal saisonal bedingt wieder nach oben entwickelt und liegt bei durchschnittlich 80,5 Prozent (VJ: 80,4 Prozent).
Die Umsatzentwicklung verbesserte sich gegenüber dem Vorquartal, was insbesondere der saisonalen Entwicklung geschuldet war. Gegen‐ über dem Vorjahr war die Entwicklung hingegen etwas schwächer: 24,7 Prozent der Befragten verzeichnen ein Umsatzplus gegenüber dem Vorquartal (VJ: 31,7 Prozent). Umsatzeinbußen melden 24,2 Prozent (VJ: 25 Prozent).
Für die kommenden drei Monate erwarten die Betriebsinhaber eine ordentliche Geschäftsentwicklung, allerdings ohne weiteren Schwung. Mit einer besseren Entwicklung rechnen allein die Betriebe aus dem Ausbaugewerbe. Auch die Auftragslage wird branchenübergreifend skeptischer eingeschätzt als vor Jahresfrist. Diese verhaltenen Aussichten lassen keinen Aufschwung im nächsten Quartal erwarten. „Wir müssen dringend dem Wohnungsneubau auf die Beine helfen, hier braucht es große Investitionen für mehr Wohnungen, auch in Form von mehr staatliche Förderungsmaßnahmen. Auch eine Veränderung der Grunderwerbssteuer kann weitere Impulse geben“, resümiert Dittmar abschließend. (pm)