Zum Stand der Vernunftehe zweier „Kleinsparkassen“
SCHWALMSTADT. Stephen Arthur Stills (CSN&Y) hat ein Lied geschrieben mit den Worten: Well, there’s a rose in a fisted glove; and the eagle flies with the dove; and if you can′t be with the one you love, honey, love the one you′re with … Heute war Pressegespräch in den Räumen der Borkener Sparkassen-Geschäftsstelle zum Thema „zukünftige Geschäftsausrichtung“ der fusionierten Sparkasse.
Borkens Bürgermeister Marcel Pritsch hatte das erste Wort: „Die Bürgerschaft darf wissen, dass wir uns das nicht leicht gemacht haben!“ Das Wort „alternativlos“ fällt und wird postwendend zum Unwort erklärt. „Man möchte partnerschaftlich Dinge erhalten, die gewachsen sind.“ O. k., da ist sie die Rose im Fausthandschuh und sticht?
Regeln der EU und des Marktes erhöhen den Aufwand
Die Haltung der EU zu den deutschen Sparkassen streift der Bürgermeister lediglich, aber sie ist durchaus ein Treiber der Fusionswelle, in deren Folge in den letzten Jahren bereits 200 Sparkassen verschwunden sind, wie der Vorstandsvorsitzende Wilhelm Bechtel aus Schwalmstadt feststellt. Irgendwann waren Borken und Schwalmstadt auf den beiden letzten Plätzen im bundesdeutschen Sparkassen-Ranking angekommen. Wie schön, dass sie auch geografisch beieinanderliegen. Bereits 2012, so Bechtel und sein Kollege aus Borken, Christoph Ernst, habe man miteinander geredet. Seitdem gäbe es bereits ein gemeinsames Meldewesen an übergeordnete Stellen. Mehr war noch nicht drin, der letzte Druck hat gefehlt.
Für den hatte am Ende der Markt gesorgt. Die Regularien der Bankenaufsicht tun das eine, dass man für Risiko-Management, den Compliancebereich, also den Bereich der Regeln und gesetzlichen Bestimmungen, sowie das Wertpapiergeschäft inzwischen jeweils geschulte Profis braucht, die bei einer kleinen Bank aber nicht auszulasten wären, spricht für die größer „Einheit“. Also fliegt der Adler mit der Taube? Nicht klar ist, wer hier Adler und wer Taube ist. Was gut ist, und dazu später mehr.
Ökonomische versus politische Entscheidungen
Schwalmstadts Bürgermeister Tobias Kreuter hätte es nicht schöner erklären können: Als die Fusion der beiden kleinsten deutschen Sparkassen beschlossen wurde, war er noch nicht im Amt, sondern hat auf der gegenüberliegenden Seite gesessen. Als Bundesbanker hat er genau die Melde-Formulare entworfen, welche die Sparkassen ausfüllen mussten. Damit war er Teil dieser regulatorischen Instanz, die den Aufwand – insbesondere für die kleinen Geldhäuser – erhöht hat. Aber auch das, so Kreuter, folgte nicht immer und ausnahmslos ökonomischen und schon gar nicht finanzökonomischen Bedingungen. Oft, so Kreuter, habe er selbst den Kopf geschüttelt, wenn er gegenüber Brüssel Fragen nach dem Sinn von Regeln gestellt hat und zur Antwort bekam: Das seien politische Entscheidungen, die man in der Bundesbank vielleicht nicht nachvollziehen könne.
Es gibt also immer etwas Höheres? Damit ist zumindest klar: Die Richtung geht stets nach oben. Die Weisung erfolgt umgekehrt nach unten …
Seitenwechsel …
Mit Seitenwechseln kennt sich der Fußballer Kreuter sowieso aus. Jetzt gehört er als Stellvertreter zum Aufsichtsgremium der fusionierten Sparkasse. Der Vorstandsvorsitzende der Schwalmstädter Stadtsparkasse, Wilhelm Bechtel, wird auch Vorstandsvorsitzender der fusionierten Sparkasse sein, der Bürgermeister der Borkener Sparkasse, Marcel Pritsch, führt den Verwaltungsrat, also das Aufsichtsgremium an. Christoph Ernst und Mario Jahn aus Borken vertreten in dieser Reihenfolge Herrn Bechtel.
Auch in der Kundenbetreuung deutet sich ein Seitenwechsel an. Haben die Sparkassen ihre Kunden immer damit beruhigt, dass die Schließungen der Filialen in den Dörfern überhaupt keine Auswirkungen auf die Kundenfreundlichkeit einer Sparkasse haben, so wird genau diese Nähe zu den Kunden in den noch bestehenden beiden Geschäftsstellen als Argument dafür benutzt, warum der große Zusammenschluss mit der Schwalm-Eder Sparkassen die schlechtere Lösung gewesen wäre. Dafür sprechen aus Sicht der Beteiligten folgende Gründe:
In der Nähe liegt der Mehrwert – mit „Gottes Segen“
Der Mehrwert über den persönlichen Kontakt bleibt erhalten, genauso wie die vertrauten Gesichter für die Kunden. Die Unternehmenskulturen passen zusammen und schließlich wurden beide Banken mehrfach bundesweit als gute Sparkassen ausgezeichnet. Ohne die Nähe zu den Kundinnen und Kunden wäre das nicht möglich gewesen. Alle Beteiligten betonen, dass der Sparkassenverband genau das alles für gut befunden habe. Na dann! Zumindest „Gottes Segen“ ist also sicher …
Zwangsehen sind in Deutschland nicht vorgesehen, Liebesheiraten (gemessen an ihrer „Haltbarkeit“) ausgesprochen selten. Den Protagonisten ist anzumerken, dass es keine Liebe, aber immerhin große Zuneigung ist. Zumindest wird der Ehevergleich auch vom Standesbeamten Pritsch gerade zwischen den Fusionspartnern gerne benutzt. Ich komme zurück auf Stephen Stills: Wenn Du nicht mit der Person zusammen sein kannst, die du liebst, liebe die Person, mit der du zusammen bist. So wäre es also zu Ende gedacht: Aus Vernunft wird Liebe …
Abstimmung erfolgt am Schalter
Vielleicht sind es tatsächlich solche Ehen, in denen die Verliebtheitsphase ausgeblieben ist, die am längsten halten. Die Zeit wird zeigen, ob die emotionale Bindung ausreicht. In Schwalmstadt haben die Kundinnen und Kunden bereits eine Wahl. Ob ein 16-jähriger Auszubildender, der für das Lehrlingsgehalt sein erstes Konto eröffnet, dies lieber bei der Kreissparkasse im Stadtteil Ziegenhain tut oder bei der Treysaer Sparkasse, die im Namen zuerst Borken führt, wird schlicht und ergreifend die Zeit zeigen. Gegen einen ganz neuen, neutralen Namen habe man sich entschieden, weil damit die Identität völlig verloren gehen würden. O. k.!
Auf die Frage, ob denn der „Elefant im Raum“, also die Kreissparkasse, sehr gegenwärtig ist und möglicherweise in den Köpfen auch schon eine Rolle spielt, widersprach Bürgermeister Marcel Pritsch leidenschaftlich: „Wir würden diesen enormen Aufwand nicht betreiben, wenn wir das Gefühl hätten, dass es nur eine Zwischenstufe ist“. Erst im letzten Satz räumte er ein, dass er nicht sagen kann, ob das auch in ein paar Jahren noch die Position ist. Jetzt und nur das zählt ist diese Version der Sparkasse näher an den Bürgern.
Was wird sich ändern?
Erst einmal ändert sich noch gar nichts, denn die technische Fusion erfolgt erst im Oktober. Dann allerdings bekommen die Schwalmstädter Kunden dreistellige Durchwahlnummern statt bisher zweistellige. Sie behalten auf jeden Fall IBAN und Kontonummer. Die Borkener Kunden bekommen eine andere IBAN, weil die – auf dem Papier übernehmende Bank – selbstverständlich den Vorrang hat, und sie müssen statt 05682 zukünftig 06691 am Telefon wählen. Im Moment arbeiten beide Banken mit getrennten EDV-Systemen, die aber schon seit Jahren auf dem gemeinsamen Server des gleichen Sparkassendienstleisters liegen. Also einen Knopfdruck voneinander entfernt.
Tatsächlich dürften die Kundinnen und Kunden fast nichts merken. Entscheidend ist, dass am Ende alle mit der neuen Sparkasse und dem Konstrukt leben können, eine große Übereinstimmung und Zufriedenheit – wenn auch nicht das ganz große Glück – herrscht und die meisten Schmerzen Phantomschmerzen sind. Glück ist immer, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft und genau das ist gerade passiert. Mehr nicht und am Ende bleibt ohnehin nichts für immer so, wie es gerade ist
Zwei Kleine sind noch lange keine Große …
Die fusionierte Sparkasse Borken-Schwalmstadt – mit Sitz in Borken – ist noch immer unter 361 deutschen Sparkassen die zehntkleinste. Das ist nur in der B-Klasse keine Abstiegszone. Es reicht, um auch größeren Firmen Kreditangebot zu machen, aber nicht um einen auf dicke Hose zu machen. Das liegt „Schwälmern“ und „Borkanern“ ohnehin nicht.
Mal so in den Raum gestellt: Borken war schon mal quasi finanziell am Ende und hat sich mühevoll befreit. Schwalmstadt hat nur deshalb den Schutzschirm verpasst, weil die Stadtwerke nicht im Haushalt waren. So richtig zukunftsfähig sind beide nicht. Dazwischen liegt nur Frielendorf, einst Schutzschirmgemeinde Nummer 1 in Hessen. Was also spräche dagegen, wenn drei der ärmsten Kommunen in der Region fusionieren würden, bevor die nächste Gebietsreform etwas anderes anordnet und alle drei irgendwo Juniorpartner würden? Es wäre zumindest die gleiche Logik … (Rainer Sander)
13 Kommentare
Ich gehe davon aus, dass sich durch die Fusionierung auch das Gehalt des Vorstands erhöht?
Hallo? Irgendjemand muss ja nun wirklich mal von dem Quatsch profitieren 😉 Ich habe folgendes gefunden: „Das Gehalt richte sich dabei nach der Größe, dem Volumen in Kredit- und Depotgeschäft sowie dem Umfang der Notfallreserven einer Sparkasse“ OB die Fusion (und die gestiegene Größe) schlussendlich wirklich den großen Unterschied macht weiß ich nicht.
Auch das war alles öffentlich, da die Bilanzsumme der fusionierten Bank immer noch unter dem nächsten Step liegt, erhöhen sich die Gehälter nicht. allerdings spart man auf der anderen Seite, weil ja ein Vorstand auf Dauer entfällt. alle diese Informationen waren im Spätherbst 2022 öffentlich verfügbar. was allerdings ein bisschen in den Kommentaren auffällt ist dass viele soooooo interessierte Menschen von dem ganzen Prozess offenbar erst jetzt etwas mitbekommen. spannend ist auch, dass bei all dem Kommentaren zur möglichen Fusionspartnern scheinbar nicht ganz klar ist was mit dem Bilanzgewinn einer Stadtsparkasse passiert.
Es ist schon interessant, dass Menschen , die die Sparkasse in Treysa beobachtet haben und daraus Rückschlüsse gezogen haben, so in Frage gestellt werden. Wenn es in einem Unternehmen nicht stimmt, gehen zuerst die Guten. Wenn die Führung nicht in der Lage war, zu erkennen, dass etwas im Argen ist, wählt man den Weg der Fusion. In Kirtorf gibt es eine Raiffeisenbank, weitaus kleiner als Borken und Schwalmstadt. Die schaffen es den Anforderungen gerecht zu werden. Deshalb hätte man gerecht bezahlen müssen und andere Lösungen suchen müssen.
lieber Schwälmer Jung, warum sollte man ihre Rückschlüsse nicht in Frage stellen wenn sie schlichtweg falsch sind? Dass sie sich Gedanken machen, heißt ja nicht dass dabei die Wahrheit rauskommt….
Woher kommen denn die ganzen Insiderinformationen was die Interna der Stadtsparkasse angehen?
welche Insiderinformationen denn? das Ganze ist lang und breit öffentlich diskutiert worden. dann muss man halt zu den Veranstaltungen mal hingehen, dann weiß man auch worum es geht.. die Fusion ist doch im letzten Jahr schon durch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Schwalmstadt und der Stadt Borken beschlossen worden. damals wurde jede Menge berichtet, auch über die Hintergründe.
Ach kommen Sie ! Die Schwalm ist ein Dorf. Da hat man also eine Bank bei der sowieso gerne getratscht wird (auch von intern in allen Ebenen!) plus Politiker die auch noch drin hängen (deren Beruf quasi das Tratschen und Quasseln ist!). Man hört die tollsten Geschichten vom internen Kreis der Stadtsparkasse. Gerne wird auch etwas übertrieben aber überall war und ist immer ein (nicht ganz so spannender) Teil Wahrheit dabei. Das ist halt die Schwalm da bleibt nichts wirklich unter Verschluss 😉
Vielen Dank für die bisherigen Kommentare, zeigen sie doch wie sehr Menschen das glauben, was sie denken. Nichts davon entspricht aber den Realitäten. Ganz kurz zusammengefasst: Beide Banken waren aufgrund der Regularien der EZB nicht mehr in der Lage, ihr Nachweispflichten zu erfüllen. Das hat mit dem Bilanzgewinn nichts zu tun. Nun versucht man als eine Bank das zu schaffen. Das Schaltergeschäft ist dabei vollkommen egal, auch ob der Azubi sein Konto eröffnet oder nicht. Und die Fusion mit der KSK hätte die unverzügliche Schließung der persönlich besetzen Geschäftsstelle in Treysa zur Folge gehabt, die mittlerweile noch 6 ! Menschen in Ziegenhain werden auch bald gehen. All diese Dinge sind bereits letztes Jahr bekannt gewesen, nichts kommt plötzlich oder ungeplant Also besser nicht glauben, was man so denkt, Wissen hilft.
Mit einem ordentlichen Bilanzgewinn, der ja vorhanden war, kann man Personal beschäftigen, dass diese regulatorischen Aufgaben erledigt, wenn der Betrieb sonst gesund ist.
Die Fluktuation in den letzten 2 Jahren ist nicht von Himmel gefallen und hätte mit einer anderen Führung verhindert werden können.
Die Aussage zur Fusion mit der KSK ist eine Behauptung ohne jeden Beleg. Sagen kann man ja viel.
Auch bei den sechs Mitarbeitern in der KSK müssen Sie nochmal nachzahlen. Ich kenne über 15 Personen, die dort arbeiten – natürlich nicht alle in Vollzeit.
Nun ist es soweit. Aus zwei Toten soll ein Lebendiger entstehen. Der eine Totengräber von Schwalmstadt ist gegangen. Der andere bleibt noch ein Jahr. Mitarbeiter flüchten , weil sie dieser Sparkasse keine Chance geben? Ehemalige Mitarbeiter werden als Rentner als geringfügig Beschäftigte angestellt. Quo vadis Stadtsparkassen. Eine Fusion in anderer Form wäre zielführender und die Verantwortlichen hätten gehen müssen. Stattdessen wird der Abgang mit höheren Bezügen versüßt.
Das schlimme an der Geschichte ist doch, dass Schwalmstadt immer gesagt hat: unsere Sparkasse ist gesund. Und plötzlich war Schwalmstadt die treibende Kraft. Da fühle ich mich als Kunde schon etwas veräppelt.
Zuerst eins vorweg: Die Spatzen pfeifen schon von den Dächern dass die Angestellten beider Bankhäuser äußerst unzufrieden sind. Mehr die Schwalmstädter als die Borkener. Wieso kein neuer gemeinsamer Name bei rausgekommen ist bei der schwachen Begründung der Identität wissen auch nur die Götter. In Zeiten von Onlinebanken wird mit so einem bürokratischen Quatsch der Konkurrenz nur die Kundschaft zugeschustert. Eine Fusion die mehr Fragen offen lässt als sie beantwortet. Viel Politikgemachtse. Machen wir uns nichts vor Schwalmstadt hätte mit der KSK zusammengehen sollen Ego hin Ego her. Es ist eine gottverfluchte Bank man geht im bestenfall dahin um Geld abzuheben. Bei allen anderen Angelegenheiten wird man entweder gut und freundlich bedient oder sucht sich einfach eine andere Bank. Keine Ahnung wo die Verbundenheit von manchen Menschen zu einem Geldinstitut herkommt. Sei es drum, wenn ich merke dass sich für mich was verschlechtert gehts zur VR oder zur KSK. Da sitzen die gleichen Nasen und erzählen einem das Gleiche.
Eine Meinung zum letzten Abschnitt: Für mich noch unerklärlich wieso Schwalmstadt und Willingshausen nicht eine viel intensivere Zusammenarbeit anstreben. Perfektes Beispiel ist der Gemeindeverwaltungsverband südlicher Knüll! Man liegt so nah beieinander und ich denke die Verwaltungen könnten doppelstrukturen abbauen und die Dienstleistungen für die Bürger erhöhen. Man könnte auf so vielen Ebenen voneinander profitieren. Dabei muss es nicht mal zwingend auf eine Fusion hinauslaufen.
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