Fest auf dem Sendberg am Pfingstsonntag
FRIELENDORF. Wenn man in Frielendorf, insbesondere in Todenhausen (oder Welcherod) lebt und vorausgesetzt, dass es nicht regnet, trifft man sich Pfingstsonntag auf dem Sandberg zum Pfingstfest. Wenn es doch regnet, dann im Dorfgemeinschaftshaus, das in Todenhausen amtssprachlich korrekt Multifunktionshaus heißt. Den Berg und das Fest verbindet eine lange Geschichte.
Wer vom Sendberg eine Reise zum Mittelpunkt der Erde antreten würde, fände tief unter der Oberfläche eine Verbindung zum größten europäischen Vulkan, dem Vogelsberg. Es ist erdgeschichtlich gesehen noch gar nicht so wahnsinnig lange her, dass hier Glut und Feuer aus dem Boden kamen, was irgendwie „teuflisch“ anmutet. Der Chronist von Todenhausen fragt in seiner Dorfchronik aus dem Jahr 1997 zur 800-Jahr-Feier des Ortes sogar, ob vielleicht auf dem Sendberg eine Ausbildungsstätte keltischer Druiden gewesen ist? Immerhin: Dort existiert im früheren Vulkankrater ein Hochmoor, welches gerade renaturiert wird, und Moore galten bei Germanen und Kelten stets als heilige Orte und Opferplätze.
Allerlei Sagenhaftes und Delinquentes rund um den Berg – nicht nur zu Pfingsten
Im Zuge der Christianisierung errichtete der Prämonstratenser-Orden das Kloster Spieskappel. Fortan lebten hier Menschen, die des Schreibens und Lesens kundig waren. Seitdem wurden Geschichten und Sagen über den Berg notiert und weitererzählt. Von einer unterirdischen Verbindung zwischen Kloster und Berg ist die Rede, von sagenhaften Gestalten und allerlei Mythen. Eine Kapelle wurde dort errichtet, wie auf den meisten heidnischen Kultplätzen, außerdem ein Gerichtsplatz für die Zent- und später die Sendegerichte (namensgebend für den Berg). Gotteslästerungen, Zechereien, Glücksspiel, Missachtung der Sonntagsruhe, Falsches Zeugnis oder Uneheliche Verhältnisse wurden hier den Richtern vorgetragen.
Seit dem Mittelalter feierten an dieser Stätte außerdem zuerst die Mönche, später nach dem Krieg die ganze Region Pfingsten. Zwischendurch hat ein Horst-Wessel-Platz ein tausendjähriges Völkchen angelockt. Selbst Martin Luther kam einst hier vorbei, als er beim Reichstag zu Worms „abschwören“ sollte, aber zuvor bereits die Heilige Elisabeth auf ihrem „exilanten“ Weg von Eisenach nach Marburg. Sie ist übrigens seit Pfingsten 1235 eine Heilige der katholischen Kirche. In zwölf Jahren könnten die protestantischen Todenhäuser hier also 800 Jahre Heilige Elisabeth feiern. Kein Problem, auch der Sankt Elisabeth Verein zu Marburg ist evangelisch.
Viel mehr Historie geht nicht und irgendwie hat vieles davon mit Pfingsten und/oder wenigstens mit unerklärlichen Dingen zu tun, was schließlich auch wieder etwas mit Pfingsten zu tun hat …
Weisheit, Glaube und Liebe wären gerade hilfreich
50 Tage nach Ostern ist es Zeit, um Pfingsten zu feiern. Dann ist Jesus nach Wiederauferstehung und Himmelfahrt endlich zur Rechten des Vaters angekommen. Der Name Pfingsten ist allerdings lediglich abgeleitet vom griechischen Wort „Pentekoste“, also der hellenischen Zahl 50. Das dritte große Fest im Kirchenjahr – neben Weihnachten und Ostern – erinnert an die Aussendung des Heiligen Geistes und gilt als Geburtstag der Kirche. Es geht um die Dreifaltigkeit, Dreieinigkeit oder Trinität. „Vater“ steht dabei für den Schöpfer aller Lebewesen und Dinge, „Sohn“ für Jesus Christus, der Mensch geworden ist und der „Heilige Geist“ schenkt Weisheit, den Glauben und die Liebe zwischen Gott und den Menschen.
Letzteres wäre gerade aktuell ziemlich hilfreich, war aber schon immer als eine der drei göttlichen Erscheinungsformen „am weitesten weg“ von den Menschen. An Gott glauben alle zumindest immer dann wenn’s ihnen schlecht geht; an Jesus ist vor 2000 Jahren die alte Religion zerbrochen; und das mit dem Heiligen Geist ist echt schwer zu begreifen. Daran scheitern selbst Pfarrer noch heute so wie Ortsvorsteher an Begriffen wie „Multifunktionshaus“
Da ist es doch ganz erstaunlich, dass der „Heilige Geist“ an „seinem“ Tag so unglaublich viele Menschen dazu bewegt einen Berg zu ersteigen. O. k., 339 Meter ü. NN. sind erklimmbar. Immerhin, während es Orte und Anlässe gibt, die niemanden anlocken, ist das Pfingstfest auf dem Sendberg ein Ereignis oder Event, das noch immer oder immer wieder einige Hundert Menschen zu einem längeren Spaziergang motiviert. Zum Schutz der Natur ist eine motorisierte Anreise lediglich dem Bustransfer für Menschen mit eingeschränkter Mobilität vorbehalten.
Feuerwehr und Sportverein laden ein
So war es ebenfalls gestern, als die Freiwillige Feuerwehr und der TTC Todenhausen ab 11:15 Uhr zuerst zu einem Gottesdienst unter Bäumen und ab 12:00 Uhr zum Mittagessen mit Spießbraten, „Todenhäuser“ Kartoffel- und Zwiebelplatz, Bratwurst & Pommes eingeladen hatten. Ab 13:30 Uhr spielten die „Knüllwaldmusikanten“ auf und die Kinder allerlei Spiele, bei denen es auch etwas zu gewinnen gab. Bei Kaffee und Kuchen ließ es sich auch ab 14:00 Uhr perfekt aushalten. Die Musik war noch bis gegen 17:00 Uhr im Dorf zu hören.
Auch wenn die Mehrzahl der Besucher wenig über den Heiligen Geist, ein altes Hochmoor, Gerichtsplätze, Send-Kapellen oder Vulkane nachdenken, scheint der Ort noch immer für ein friedliches Fest gut zu sein. Heute ist immer noch Pfingsten und dann sind ein paar „höhere“ Gedanken erlaubt. Dann geht’s nicht nur zu Pfingsten und nicht nur in Frielendorf bergauf. (Rainer Sander)