… und gegen mehr Geld für Digitalisierung in den Schulen
SCHWALM-EDER | SCHWARZENBORN. In der Stadt der Streiche hat sich am heutigen Montag der Kreistag Schwalm-Eder versammelt, um Harmonie und Einigkeit kundzutun. Wesentlicher Tagesordnungspunkt der Kreistagssitzung war die Verabschiedung des – im Verlaufe der Beratungen geänderten – Haushaltes. In der Sitzung am 13. Februar 2023 hatte Landrat Winfried Becker diesen eingebracht.
Bereits im Prozess der Aufstellung des Haushaltes wurden die 27 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einbezogen. Im Rahmen der Anhörung gab es tatsächlich keine Stellungnahmen aus den Kommunen. In der Sitzungsvorlage erläuterte der Kreisausschuss die geringfügig veränderten Zahlen und führt Mehrausgaben unter anderem auf höhere Kosten für die Förderung der flüchtlingsbedingten Ehrenamtsarbeit und die Rückführung von Aufgaben des Regierungspräsidiums Darmstadt im Gesundheitswesen auf den Landkreis zurück. Diese erhöhen allerdings auch gleichzeitig die Einnahmen durch Erstattungen des Landes.
Einnahmen und Ausgaben im Minus – Rücklagen im Plus
Das ordentliche Ergebnis für das Haushaltsjahr 2023 weist im Ergebnishaushalt nach der kaufmännisch orientierten Gewinn- und Verlustrechnung einen Fehlbedarf von -3.490.018,00 Euro aus. Der Verlust resultiert aus Erträgen in Höhe von 310.443.646,00 Euro und Aufwendungen in Höhe von -313.933.664,00 Euro.
Im Finanzhaushalt, der die Investitionstätigkeit abbildet, ergibt der Saldo von Ein- und Auszahlungen aus laufender Verwaltungstätigkeit, den Einzahlungen aus Investitionstätigkeit und der Auszahlungen auf Investitionstätigkeit einen Fehlbetrag-Saldo von -7.821.320 Euro.
Die negativen Werte können aus der Rücklage von 100 Millionen Euro ausgeglichen werden. Deshalb muss der Landkreis kein Haushaltssicherungskonzept verabschieden. Die Kreisumlage, mit der die 27 Städte und Gemeinden des Landkreises die Gemeinschaftsaufgaben mitfinanzieren, solle stabil bleiben, die Schulumlage hingegen um 1,5 Prozentpunkte im Hebesatz gesenkt werden.
Änderungsantrag zur Sicherung des Digitalpakt Schule der FW-Fraktion
In einem Änderungsantrag argumentierten die FREIE WÄHLER (FW) für die Beibehaltung der Schulumlage in der bisherigen Höhe. Trotz hoher Investitionen des Schulträgers in vergangenen Jahren, so die Argumentation, werde die Investition in Bildung ein maßgeblicher Ausgabenposten in 2023 und den Folgejahren sein: „Der Landkreis hinkt bei der Umsetzung des Digitalpakts Schule hinter Nachbarkreisen her.“
- Als erster trat Rüdiger Staffel (FW) ans Rednerpult und argumentierte, damit ließen sich 4,5 Millionen Euro mehr einsammeln. Die hessenweit niedrigste Kreis- und Schulumlage ermögliche dies. In der Borkener Stadtverordnetenversammlung würde er das anders sehen, als Kreistagsmitglied geht er davon aus, dass die meisten Kommunen die Umlage eingepreist haben. „Wir sind noch nicht auf der sicheren Seite bei den Baukosten für Baumaßnahmen. Was hilft es, wenn wir jetzt senken und im nächsten Jahr wieder anheben?“ Im Rahmen des Digitalpakt Schule seien in den ersten vier Jahren nur 10 Schulstandorte nach der Richtlinie ausgestattet worden. 62 weitere Schulen fehlten noch. Overhead- und Diaprojektoren sowie VHS-Kassetten seien immer noch Standard.
Änderungsantrag der CDU zur Unterstützung von Hallenbädern im Landkreis
Die CDU beantragte in einem Änderungsantrag Einmalzuweisungen in Höhe von jeweils 20.000,00 Euro für die Hallenbäder in Frielendorf, Homberg-Hülsa, Neukirchen, Niedenstein und Spangenberg, die aufgrund der Schließung der drei kreiseigenen Hallenbäder eine deutliche höhere Nutzung der Bürgerinnen und Bürgern erfahren und versuchen, die Schwimmausbildung der Vorschul- und Grundschulkinder des gesamten Landkreises sicherzustellen.
- Michael Schär (CDU) erkennt, gemessen an den Prinzipien des vorsichtigen Kaufmanns, einen guten Haushalt: „Er lässt den kreisangehörigen Städten Luft zum Leben.“ Inflation und steigende Löhne sorgten für Mehreinnahmen. Die Ausstattung durch das Land sei gut, sonst könnte man sich solch niedrige Hebesätze nicht leisten. Schlüsselzuweisungen fließen in Höhe von 62 Millionen Euro. Gleichzeitig entstehen 1,1 Millionen Euro Mehraufwand für Zinsen. Die Personalkosten lägen mit 18,5 Prozent Anteil am Haushalt erstaunlich stabil. Angesichts von 2 Millionen Euro höherer Umlage an den Landeswohlfahrtsverband (LWV) forderte er die Ausgabepolitik des LWV im Auge behalten. Er wundert sich, dass fast der gesamte Etat von 157.000 Euro für Stipendien an Ärzte nicht ausgegeben wurden. Es gelte die Förderrichtlinien zu überdenken.
Landtagsopposition im Kreistag kritisiert Landtag
- MdL Günther Rudolph (SPD) erklärte zur inzwischen niedrigsten Schulumlage in Hessen, die beabsichtigte Senkung sei kein Geschenk, sondern gelebte Partnerschaft mit den 27 Städten und Gemeinden. Die Kommunen hätten bereits riesige Aufgaben bei Krippen und Kitas. Es sei eine politische Weichenstellung der Koalition aus SPD/FWG/Piraten/FDP. Der Digitalpakt werde trotzdem umgesetzt, er scheitere aktuell an fehlenden Fachfirmen, nicht am Kreis. Der Deutsche Arbeitsmarkt brauche 400.000 Arbeitskräfte aus der Zuwanderung. Zum Ärztestipendium stellte er fest, dass vier Personen im Stipendium sind. Das koste 50.000 Euro. Die Flexibilität der Kassenärztliche Vereinigung müsste besser werden. Auch die Betreuung von Flüchtlingen, von denen die meisten aus der Ukraine kämen, dürfe nicht auf dem Rücken der 27 Gemeinden erfolgen. Zum Antrag der FREIE WÄHLER erklärte er: „Für Lernmittel an den Schulen ist das Land zuständig.“ Er freut sich, dass in Kreisstraßen investiert wird: „Den schlechtesten Zustand haben die Landesstraßen! Der Verkehrsminister mag keine Straßen.“
- Daran erinnerte auch die zweite Vertreterin der Landtagsopposition, MdL Wiebke Knell (FDP). Mehr als die Hälfte der Landesstraße ist in einem schlechten Zustand. GRÜNE glaubten immer, dass man keine Straßen braucht, wenn man ÖPNV fährt. Der Kreis stehe so gut da, weil er auch Industriestandort ist. Die Kommunen seien allerdings an der Grenze der Belastungsfähigkeit.
Preise, Löhne und Personalgewinnung
- Achim Jäger (FWG) lobte den Haushalt als solide. Dazu gehöre auch die Rücklage von mehr als 100 Millionen Euro. Das Zahlenwerk sei in sich logisch und 64,7 Millionen Euro Personalkosten bilden auch die Tarifabschlüsse ab. Keiner wisse aber, wie sich Preise und Löhne entwickeln werden. Bei insgesamt 3,4 Millionen zur Sanierung der 3 Hallenbäder seien 20.000 Euro für die anderen Hallenbäder ein geringer Betrag. Damit signalisierte er Zustimmung zum CDU-Änderungsantrag.
- Hermann Häusling (B90/GRÜNE) zeigte sich erstaunt über Herrn Rudolph und seine mehrheitlich guten Argumente. Der Kreis sei bei den Klimazielen allerdings immer noch zu langsam. Der Haushalt sei in 6 Fachausschüssen mit 622 Seiten ausreichend diskutiert. Zentral scheint für ihn jetzt die Personalkosten im Auge zu behalten. Die Personalgewinnung werde zum zentralen Thema, denn was nütze es, Schwimmbäder zu sanieren, wenn sie wegen Personalmangel nicht öffnen können.
Winfried Becker: Keine Umlagen für Rücklagen
- Landrat Winfried Becker (SPD) freute sich über das Vertrauen und die breite Zustimmung. Für ihn liegt der Schwerpunkt bei Bildung und Infrastruktur, beispielsweise Glasfaser und Radwege. Erschreckt habe ihn der Antrag der FREIE WÄHLER. Der Landkreis müsse die Städte und Gemeinden atmen lassen. Ein Beschluss zur Beibehaltung der Schulumlage wäre gar nicht rechtmäßig. Der Kreis dürfe keine Rücklagen über Umlagen bilden.
- Engin Eroglu (FW) wollte eigentlich dem Haushalt zustimmen. Schließlich sei ein solider Haushalt nicht einfach bei 4 Koalitionären. Die unsachlichen Reden, so die Retourkutsche zu MdL Rudolph, bei denen die Kinder und Eltern vergessen werden, habe die FREIE WÄHLER erschrocken. Er wundert sich, dass es nur einen einzigen echten Antrag zum Haushalt gebe, der Antrag der CDU kein echter Antrag, weil er nur Haushaltspositionen umwidme.
In der Abstimmung stimmten die FREIE WÄHLER als einzige für ihren eigenen Änderungsantrag und auch als einzige gegen den Haushalt, der mit den Stimmen auch der AfD, die als einzige Fraktion keine Meinung zum Haushalt äußerte, mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. Einstimmig beschlossen wurden auch die Unterstützung der Hallenbäder (CDU-Antrag), das Investitionsprogramm und der Haushalt für die Eigenbetriebe des Landkreises.
Weiterer FW-Antrag zum Digitalpakt scheitert
Der Kreistag möge beschließen, dass der Landkreis durch zeitnahe Vergabe von Leistungen an externe Dienstleister die Umsetzung des Digitalpakts Schule 2019 – 2024 beschleunigt, so lautete ein weiterer Antrag der FREIE WÄHLER. Aus der Beantwortung einer Anfrage der Fraktion gehe hervor, dass der Schwalm-Eder-Kreis bis zum 31.12.22 lediglich 10 Schulstandorte – darunter 9 Grundschulen und eine Förderschule – entsprechend den Standards der Fördermittelrichtlinie ausgerüstet hat. Es gehe um die Ausstattung der übrigen 62 Schulen und um eine Beschleunigung des Tempos. Die Schulen seien auf die Technik angewiesen und externe Dienstleister könnten die 15 Mitarbeitenden des Landkreises bei der fristgerechten Umsetzung unterstützen.
- Rüdiger Staffel (FW) erklärte dazu, dass 7,5 von 10 Millionen schon ausgegeben sind und fragte: „Kann der Landkreis die Bedingungen der Förderrichtlinie zum Digitalpakt in der möglichen Zeit noch erfüllen? Um die Schüler von heute auf das Leben von morgen vorzubereiten, fehlten vor allem W-LAN-Zugänge. Nur die Privatschulen verfügten über adäquate Infrastruktur.
Winfried Becker: „Wir reden nicht mehr vom Digitalpakt“ und es fehlt kein W-LAN
- Landrat Winfried Becker (SPD) sieht heute kein zusammenkommen mit Herrn Staffel. Es fehle kein W-LAN, sondern schnelle Internetzugänge. Der FTTH-Ausbau laufe gerade noch. Bisher gab es auch kein Interesse, auch nicht seitens der Hessischen Landesregierung: „Wir reden nicht mehr vom Digitalpakt. Wir schließen jedes Quartal 9 Schulen an.“ Das Elektrohandwerk sei außerdem ausgebucht, es müsse Klimawandel und Digitalisierung bewältigen und stehe als externer Partner gar nicht zur Verfügung.
- Christin Ziegler (CDU) erinnerte noch einmal daran, dass die GroKo den Digitalpakt beschlossen habe. In Zeiten von KI und chatGPT sei eine gute Ausstattung wichtig. Digitale Medien seien im Alltag längst gegenwärtig. Nur Klassenräume seien eine digitale Sperrzone. Allerdings lehne die CDU den FW-Antrag aufgrund fehlender Notwendigkeit ab.
- Auch Dr. Ralf-Urs Giesen (FDP) erkennt, „wir liegen im Plan!“
- Elke Pies (B90/GRÜNE) vermutet in dem FW-Antrag für den Kreis einen Bärendienst, weil alles langsamer wird aufgrund der komplizierteren Umsetzung.
Auch für diesen Antrag zur Digitalisierung in den Schulen stimmten nur die FREIE WÄHLER, alle anderen dagegen. (Rainer Sander)
6 Kommentare
Millionen ins Ausland verschenken und bei unsere Schulen und Kindern sparen,unsere Politiker sind unfähig.
@ Lattcher
Warum versuchen Sie nicht mal vor dem Schreiben von Kommentaren etwas über die föderale Struktur der Bundesrepublik anzulesen.
Dann wir ihnen vielleicht auffallen, dass es drei verschiedene Verwaltungseben gibt. Die Kommunale, dass sind Städte und Gemeinden , sowie Landkreise und kreisfreie Städte. Die zweite Ebene sind Landesparlamente und Stadtstaaten wie Berlin, Hamburg, Bremen. Als dritte Ebene gibt es die Bundesebene, Entwicklungshilfe leistet nur der Bund. Der Bund sorgt für Beziehungen zu anderen Staaten und Nationen. Die deutsche Wirtschaft ist auf Importe angewiesen, weil wichtige Rohstoffe nicht in Deutschland gefördert werden. Dazu ist es wichtig gute Beziehungen zu haben. Das wird nicht nur jetzt durch die Ampel-Regierung so gemacht, sondern so waren schon die Nazis und das Kaiserreich vorgegangen. Im Kaiserreich hat man das kaum erfahren, weil der Kaiser das ohne Parlament tun konnte. da reichte es manchmal den anderen Herrscher ein kostbares Geschenk zu machen. Heute hängen da tausende Arbeitsplätze dran.
Wie das „Kaiserreich“ samt dem dortigen Parlament (Reichstag) funktionierte, scheint Ihnen allerdings auch wenig geläufig zu sein.
Es ist schon bitter anzusehen, wenn „alte“ Damen und Herren über Digitalisierung sprechen und für die meisten von Ihnen das Internet wahrscheinlich „etwas ganz Neues ist“. Bitter auch, dass Schule so vernachlässigt wird! FTTH Zugang ist das eine… sicherlich müssen hier noch einige Schulen angebunden werden. Aber Schulen, die schon den Anschluss haben, können damit nicht arbeiten, weil die Infrastruktur in der Schule es nicht zulässt und hier absolut der Nachdruck fehlt. Die Schulämter sind genauso lahm und unfähig wie unsere Politik. Wir in Deutschland verbürokratisieren uns bis zum Erbrechen, Fortschritt und schnelles Handeln unmöglich.
Und der Chef der Neuen Abteilung rutscht vermutlich Gehaltsmäßig noch nach oben. Rechtzeitig vor der Pensionierung.
Eine Abteilung schaffen die die Digitalisierung forcieren soll – aber die Umlage senken ?
Wie passt das zusammen ?
Was kostet diese Abteilung an deren Spitze kein Fachmann für Digitalisierung steht !
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