Baunataler STAVO streitet um Innenstadt-Bebauungsplan
BAUNATAL. Die Wohnungsbaugesellschaft GWH möchte auf dem Grundstück eines alten Parkhauses an der Heinrich-Nordhoff-Straße im Stadtteil Altenbauna – nach dessen Rückbau – vier Wohngebäude in Geschosswohnungsbauweise errichten. Gestern Abend ging es um den Entwurfsbeschluss. Zumindest waren sich alle Stadtverordneten einig, dass es an dieser Stelle zurzeit nicht wirklich schön aussieht.
Ein Änderungsantrag der GÜNEN beschäftigte die Stadtverordneten allerdings eine ganze Weile.
GRÜNE wollen Standard EH 40 und Fotovoltaik durchsetzen
- Martina Klein (B90/GRÜNE) erläuterte die Wünsche. Dazu gehören eine Fotovoltaik-Pflicht, ein verpflichtender Effizienzhaus-Standard EH 40, ausschließlich barrierefreie statt barrierearme Wohnungen und Verzicht auf die Änderung von einem Wohngebiet in ein Allgemeines Wohngebiet wegen der Lärmschutz-Richtwerte.
- Rainer Oswald (FDP) möchte nicht, dass die Standards so hoch gesetzt werden, damit die Mieten am Ende nicht mehr bezahlbar sind. Die GWH habe einen Entwurf für ein bestimmtes Wohnklientel vorgelegt. Energieeffizienz-Standard 40 koste doppelt so viel wie Standard EH 55.
- Andreas Mock (CDU) findet, die Grünen müssen auf allen Ebenen wach werden. Er nannte den Bürgermeister von Ulm, der eine städtischer Baugesellschaft betreibt, als Beispiel. Dieser habe gerade festgestellt, dass die Mieten um 25 % steigen werden, wenn die aktuellen Wärmedämmungsvorschriften umgesetzt werden. „Es fehlen 400.000 Wohnungen in Deutschland, aber es baut niemand“, stellte er fest. Es mache keinen Sinn, in Baunatal die Standards noch zusätzlich zu erhöhen. Was ist denn, wenn nichts passiert, wenn keine Wohnungen mehr gebaut werden beziehungsweise sich die Wohnungen, die gebaut werden, niemand mehr leisten kann?
Behindertenbeirat für mehr Barrierefreiheit
- Egon Bader (Behindertenbeirat) erklärte, er schließe sich den Forderungen von Bündnis 90/die Grünen bezüglich der behindertengerechten Ausführung an. Barrierearm sei für die Katz. Die Kosten dafür hielten sich in Grenzen, wenn das von Anfang an eingeplant wird. Er wundert sich, dass sich die GWH unter dem Aspekt der UN-Konvention überhaupt mit barrierearm statt barrierefrei beschäftigt.
- Udo Rodenberg (SPD) machte deutlich, dass die Einsparungen bei den Energiekosten zwischen Standard 55 und Standard 40 wirtschaftlich geringer sei als die entstehenden Mehrkosten. Auch auf Bundesebene werde diskutiert, ob der Standard 40 überhaupt noch Sinn mache. Die Pläne der GWH seien schlüssig und würden einen Schandfleck beseitigen. Man könne in der letzten Sitzung zur Genehmigung des Bebauungsplanes nicht mit einem grünen Schaufensterantrag kommen. Auch im Hinblick auf rollstuhlgerechte Wohnungen habe sich die GWH Gedanken gemacht. Es sei nicht notwendig, die Forderung zu verdoppeln.
- Lothar Rost (B90/GRÜNE) geht davon aus, dass die Richtlinien für Standard 40 bundesweit ab 1.1.2025 gelten werden. Auch im Kreis gäbe es einen Beschluss, dass klimaneutral gebaut werden muss.
Gesetzeskonform bauen oder höhere Standards festlegen?
- Sebastian Stüssel (CDU) erkennt GRÜNES Utopia: „Wenn man keinen bezahlbaren Wohnraum in Baunatal mehr schaffen möchte, dann macht man das, was die Grünen jetzt fordern!“ Er ist sehr wohl für höhere Standards, beispielsweise im Eigenheimbau, einem Bereich, in dem Menschen für sich selbst überlegen können, ob sie zudem Geld bauen wollen oder nicht. Wenn es um bezahlbaren Wohnraum geht, dann müsse man so ehrlich sein zu sagen, dass man das nicht will. Haben wir gesagt, die GWH muss unter die gesetzlichen Standards gehen? Nein! Die GWH baut genau nach den Standards und für solche Bauvorhaben kann man die Latte nicht höher hängen.
- Dr. Rainer Oswald (FDP) liebt es gar nicht mehr, nach vorne zu gehen. In Koalitionsverträgen setze sich nicht immer die Fachkompetenz durch. Er werde fast wahnsinnig über Netzwerke, die sich verselbstständigen. Kein Minister, der Verantwortung trägt, werde die Verantwortung für etwas übernehmen, das allen Bürgern das auf die Füße fällt. Die Regelung Standard EH 40 werde 2025 sicher nicht kommen.
- Edmund Borschel (B90/GRÜNE) glaubt, dass als Schaufensterantrag immer das bezeichnet wird, was GRÜNE an fundierten Vorlagen einbringen. Man müsse sich auch mal reiben können und dazu gehören Grüne, die zukunftsorientiert bauen wollen. Er möchte Einzelabstimmung über alle vier GRÜNEN Punkte.
Städtebaulicher Vertrag sieht sogar Dachbegrünung in Kombination mit PV vor
- Udo Rodenbach (SPD) erklärt, dass im städtebaulichen Vertrag sogar eine Kombination aus Dachbegrünung und Fotovoltaikanlage vorgesehen wird, wenn dies wirtschaftlich umsetzbar ist: „Ich glaube, dass sich das umsetzen lässt!“. Die Stadt wolle auch nicht Rollstuhlfahrer in Nachbarkommunen verdrängen, aber eine Verdoppelung entspräche nicht der Nachfrage, welche die GWH kennt. Und zum Lärmschutz: An dieser Straße sei die Lärmemission so, wie sie ist und man hätte viel früher den Bebauungsplan entsprechend anpassen müssen.
- Andreas Mock (CDU) fragt, „Wo geht die Reise hin?“ Das Spannende an der Zukunftskoalition in Berlin sei, dass sich die Zukunft ständig ändert. Die Grünen in Baunatal würden stets den Lückenschluss, also die Nachverdichtung fordern. Auf diesem Grundstück wäre genau das möglich, es gäbe sogar einen Fernwärmeanschluss und dann setzen die GRÜNEN die Standards so hoch, dass auch das wieder scheitern wird?
Kein Ende der Debatte
Die GRÜNEN stellen Antrag auf Schluss der Debatte, weil festgelegt ist, dass Sitzungen um 21:00 Uhr enden sollen. Dann müsste die Sitzung aber heute fortgesetzt werden. Also wurde abgestimmt und weiter getagt. Alle grünen Änderungsanträge erhielten lediglich 6 ja-Stimmen von den GRÜNEN. Der Bebauungsplan wurde schließlich gegen die 6 Stimmen der GRÜNEN mit großer Mehrheit verabschiedet. (rs)