Nordhessischer Autor Martin Theis liest aus Buch „Endzeitreise“
BAUNATAL. Wenn Archäologen irgendwann in 10 oder 20 Millionen, wenigstens aber in 2000 Jahren am Leiselsee, der dann entweder Teil eines großen Meeres oder einer Wüste ist, ein plastikfolienverschweißtes Buch finden, das die Schlussphase des Klimawandels nicht ohne Hoffnung, aber auch sehr unerschrocken beschreibt, dann wird Baunatal zum Synonym der Endzeit werden …
„Wir interessieren uns immer sehr für untergegangene Zivilisationen“, sagt Buchautor Martin Theis, aber es war nicht die Endzeitglocke, die er gestern Abend mehrmals läutete und die er sich im Stadtverordnetensaal vor rund 100 Gästen gewünscht hat. Normal sorgt der Stadtverordnetenvorsteher damit für Ruhe im Saal. Auch auf der Titanic und in Pompeji haben offensichtlich einmal Glocken geläutet. Sie ist entbehrlich, wenn das Thema spannend ist. Doch „Lesungen sind nie spannend“, sagt der Autor des Buches „Endzeitreise“ bei seiner ersten eigenen Lesung und seinem ersten eigenen Buch. „Ich wusste nicht, dass es so schwer ist, ein Buch zu schreiben“, verrät der gelernte Journalist an anderer Stelle.
Beides verschwindet: Parma Frost und Regenwald
Das Buch, so verrät er, ist eine Rahmenhandlung, in deren Mittelpunkt eigentlich eine Künstlerin stehen sollte, die er auf einem Klimaevent in Venedig kennengelernt hat, uneigentlich war es schließlich allerdings Sohn Nimo. Die Geschichte, die ihm und den Lesern erzählt wird, ist das Produkt von realen Weltreisen zu „Sehenswürdigkeiten“ des Klimawandels. Das Erschrecken ist echt, die handelnden Personen sind auch echt, ihre Darstellung trägt dem Schutz der Personen Rechnung. 100 Prozent wirklichkeitsgetreu ist die Schilderung von Theis Heimatstadt Baunatal. Das kann ich bestätigen, als jemand, der dort selbst seine Jugend erlebt hat.
Wenn andere auf Kreuzfahrtschiffen gedankenlos mit Schweröl den Klimawandel befeuern und dabei sinnlos im Tagesrhythmus möglichst viel Sehenswürdigkeiten „abarbeiten“, ohne tatsächliche andere Kulturen zu erleben, erlebt Theis auf seinen Reisen dorthin wo‘s wehtut (Allerdings nicht zuerst den Reisenden, sondern den Menschen, die an diesen Stätten zu Hause sind), die Auswirkungen, die der Klimawandel bereits hat. Wüsten, wo keine Wüsten waren, Überschwemmungen, wo es einst nie zu viel Wasser gab, dort wo es häufig brennt und vor allem da, wo der Permafrost verschwindet. In Regionen, wo normalerweise ein Viertel der Landfläche gefroren ist, in der nördlichen Halbkugel, vermutet man nicht unbedingt auf gravierende Folgen des Klimawandels zu stoßen. Das passiert ja nicht hier, sondern woanders. Pustekuchen! Dort, wo die Böden nicht mehr gefroren sind und freigeben, was über eine lange Erdgeschichte im Verborgenen ruhte, beispielsweise Gase und Mikroben, stinkt es nach „Schlick und Scheiße“. So die blumigen Worte im Buch, aus dem Theis vorliest.
Schleichende Prozesse sind kaum spannend und wirtschaftlich darzustellen
„Warum erfährt man davon nichts“, fragt Theis mehr sich selbst als Menschen, die die Antwort wissen könnten. Er gibt sie also auch selbst: Die Medien, deren Teil auch er ist, finden keinen Weg, um diesen schleichenden Prozess spannend und (verlags-) wirtschaftlich darzustellen. In einer Action und schnelle Schnitte gewöhnten Welt wird der Klimawandel erst dann interessant, wenn Norddeutschland sichtbar täglich etwas Kleiner wird, weil der Meeresspiegel steigt und die Wälder hierzulande schneller verschwinden, als sie in Brasilien niederbrennen.
Martin Theis, der seit Jahren in Tübingen lebt, aber in Baunatal Kindheit und Jugend verbracht hat, erzählt in seinem Buch von einer Begegnung an einer Tanke im Knüllwald, als die Kassiererin fragt, ob er 40 Cent des Rückgeldes für das Klima spenden möchte. Das Ansinnen löst lediglich Verwunderung darüber aus, dass, obwohl viele Konzerne Unmengen Regenwald retten, der Regenwald trotzdem so rapide schrumpft wie nie zuvor. Nein, er möchte nicht spenden, er möchte schreiben.
Das Problem, sagt er, war nicht der Klimawandel, sondern das Buch. Es ist ihm am Ende offensichtlich gelungen, alles mit einem roten Faden zu verknüpfen. Und das quer über verschiedene Ansichten, Generationen und die unterschiedlichsten Situationen. „Sommer sind nicht mehr das, was sie mal waren!“ Opa hat aus verschiedenen Gründen immer gesagt, „dieser Sommer ist nichts!“
Einen erdgeschichtlichen Neuanfang gab es zuletzt vor 66 Millionen Jahren
In Yucatán ist er auch gewesen. Dort, wo vor 66 Millionen Jahren ein Meteoriteneinschlag das Erdklima so verändert hat, dass die Dinosaurier und mit ihnen das meiste Leben auf der Welt ausgelöscht wurden. Einen Neuanfang ohne die damaligen Lebewesen hat es also auf dieser Erde. Ist es wieder so weit? Die Zivilisation sagt, „ich war, ich bin, ich werde sein.“ Angesichts der Tatsache, dass es schon schwer ist, das eigene Zimmer in Ordnung zu halten, ist es nicht leicht, sich der Realität zu stellen, die sichtbar und in Vorausberechnungen skalierbar ist.
Es ist müßig, etwas aus dem Buch herauszugreifen. Ich würde empfehlen, es zu lesen! Aus der Menge von rund 100 Besuchern entstand nur wenig Bedürfnis, Fragen zu stellen, was an der Darstellung und der Fähigkeit des Autors liegen mag, die Situation zu schildern, wie sie ist. Eine der wenigen Fragen betrifft die „letzte Generation“. Theis versteht die Hilflosigkeit einer Generation, fühlt sich trotzdem ein bisschen abgestoßen. Er sieht den Zusammenhang nicht, wie man glauben kann, Leute auf seine Seite zu bringen, indem man sich auf die Straße klebt. Martin Theis ist den Weg gegangen, die Realität zu schildern, die Wirklichkeit darzustellen, auch in Baunatal.
Rauchen die Schornsteine noch in Baunatal?
Die drei Schornsteine des Werkes sind für ihn immer noch Symbol, obwohl sie längst nicht mehr rauchen. In den Gedanken vieler tut sie es noch, wie ein kleiner Live-Test beweist. Wo, wenn nicht hier, ist der richtige Ort, den Klimawandel zu begreifen. Aber das funktioniert inzwischen letztlich an jedem Ort der Welt. In Baunatal fühlt er sich nach diesem Abend neu angekommen.
Organisiert hatte die Lesung Jessica Peterson von der Baunataler Buchhandlung Nilsson in Zusammenarbeit mit der Stadtbücherei Baunatal. Frau Petersohn übernahm auch die Einführung und die Vorstellung des Autors, der außerdem begrüßt wurde von Bürgermeisterin Manuela Strube. (Rainer Sander)
2 Kommentare
@Nordhesse, natürlich! Sage nur das eine Jahr, wo Greta in Davos gewesen ist und die Medien sie gefeiert hat, weil sie doch mit einem Segelboot dahin ist ( die Crew und der Besitzer sind natürlich mit dem Flugzeug geflogen um dann das Boot wieder anzunehmen 🤣)!
In diesem Jahr waren noch nie so viele Börsianer bei einem Weltwirtschaftsgipfel wie zuvor.
Und jeder der sich etwas mit Börse auskennt konnte damals was sehen? Genau, Aktien von Umweltunternehmen sind in die Höhe geschossen……ein Schelm, ach sorry, ein Schwubler der da was Böses gedacht hat.
Es geht nur noch ums Geld, Umwelt, Corona, Ukraine usw.
Hier macht man mal wieder die Kreuzfahrtschiffe schlecht ohne zu wissen welche Schiffe die wirklichen Treckschleudern sind!! Das Umweltthema is in der Kreuzfahrt längst angekommen und jedes Jahr gibt es umweltfreundlichere Schiffe aber keiner nimmt mal die riesige Flotte der Frachtschiffe unter die Lupe!! Da is von Uralt bis Undicht alles dabei nur kaum was Neues!! Dagegen sind die paar schwimmenden Hotels nur eine Nadel im Ozean und die meisten könnten sogar in den Häfen ihre Motoren auf Landstrom umschalten wenns denn genug Anschlüsse gäbe!! Und wer weis eig wieviele Flugzeuge täglich unterwegs sind??
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