Eifriges Nummernschieben im Kabarett
LOHFELDEN. Dass Nordhessen keinen Humor haben, stimmt nicht. Sie lachen halt nicht einfach so. Nicht ohne Not. Menschen aus der „Grafschaft Kurhessen“ wollen entweder überzeugt werden von gutem Humor oder er muss etwas mit der Lebensart typischer Nordhessen zu tun haben. Dann klappt es, solange wir nicht über uns selbst lachen müssen …
Man freut sich hier über Humor, wenn er ungefährlich ist. Da passt es, wenn jemand von dort kommt, wo noch weniger Humor vermutet wird. Das weiß man im Raum Kassel nämlich einzuordnen und Hannover liegt im Ranking hinter Lohfelden, wo „Das Geld liegt auf der Fensterbank Marie“ alias Wiebke Eymess und Friedolin Müller Sonntag Abend auftraten.
Mit der Bemerkung „wir kommen aus der Hauptstadt des deutschen Humors“, war das Eis gebrochen. Künstler sollten wissen, dass alles, was dann belacht wird, von unterschwelligem Mitleid geprägt sein wird. Darüber hilft die Eingangsfeststellung hinweg: Wer hier ist, ohne uns zu kennen, ist mutig, hat zu viel Geld oder keine Freunde …“
Bekannt aus „Die Anstalt“ und „Ladies Night“
Mit Ihrer „Liveübertragung“ von „Nummernscheiben“ aus dem Bürgerhaus Lohfelden haben „Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie“ den Weg gewählt, Situationen aus einer deutschen Zweierbeziehung mit Allgemeinplätzen aus dem deutschen Bildungsbürgertum, Plattitüden aus bildungsfernen Dialogstrukturen und Phrasen aus dem politischen Mainstream zu verschmelzen. Dass sie darin Meister sind, haben sie bereits in „Die Anstalt“ und der „Ladies Night“ bewiesen.
Aber über 10 Jahre sind die beiden Kabarettisten sowohl künstlerisch als auch lebenskünstlerisch ein Paar. Da ist genügend Routine vorhanden, um auch Anflüge von Überheblichkeit auszubremsen. Was reichlich vorhanden ist, sind intelligente, zweideutige und vor allem herausfordernde Wortspiele. Der Name des Programms „Nummernscheiben“ ist Programm. Natürlich sind Kabarettnummern gemeint. Falls jemand durch andere Assoziationen ins Bürgerhaus gelockt wurde, kamen sie oder er trotzdem auf ihre Kosten.
Kabarett zwischen zugemüllt und aufgeräumt
Die Brücke von Hitze und Kälte im Beziehungsalltag zu Lösungen globalen Weltpolitik ist ganz einfach zu schlagen: „Du bist mein Treibhaus Effekt!“ Zwischen „Zugemüllt“ und „Aufgeräumt“ herrscht ein kabarettistisch schmaler Grat. Auf dem balanciert das Duo durch Zeiten des Umbruchs, der (Beziehungs-) Krisen mit einfachen und komplexen Lösungen. Da kann eine Garage zum Synonym für Beziehungskonflikte und die Lösungen globaler Probleme werden. Was ist der Zweck einer Garage? Auto oder Gerümpel? Steve Jobs hat darin tolle Sachen erfunden …
Die beiden haben zwischen Homeschooling und Homeoffice über Probleme gestritten, kaufen jetzt im Hofladen mit Problembewusstsein und haben einige Fragen längst geklärt: Es gibt nicht nur mehr psychische Krankheiten, sondern auch psychisch kranke Hunde. Borderline Collies …
So lustig wie Du
Die Zukunft bleibt ungewiss, aber gewiss humorvoll: „Hoffentlich wird mein nächster Mann auch so lustig wie Du …“ Vorsicht bei zunehmendem Alter vor „Alten Weißen Männern“. So ein Titel von Wiebke Eymess und Friedolin Müller, die zugleich hervorragende Musiker und begnadete Gesangsinterpreten sind. Und wenn das Auto mal nicht in der Garage steht, dann vielleicht in der Werkstatt steht, als Irre_Parabel … vom Dummchen zum Schlaumeier. Kabarett eben! (rs)