
Paul und Birgit Mehling von den Kleinen Riesen © Foto: Rainer Sander
Die Kleine Riesen helfen bei lebenslimitierenden Erkrankungen
NIEDENSTEIN. Paul Dettmar ist mit 19 Jahren ein aufgeweckter, lebenslustiger, charmanter sowie agiler Heranwachsender. Von Gleichaltrigen unterscheidet ihn eine lebenslimitierende Erkrankung, mit körperlichen, entwicklungsverzögernden und motorischen Auswirkungen. Der Zucker-Stoffwechsel funktioniert nicht. Paul leidet am Gendefekt CDG-Syndrom. Das betrifft weltweit nur 37.000 Menschen.
Zucker kann nicht aufgenommen werden, was Entwicklungsverzögerungen, Muskelschwächen, Koordinationsstörungen und andere Folgen nach sich zieht. Auch das Herz ist bei Paul geschädigt. Die fortschreitende Krankheit ist unheilbar und verkürzt das Leben deutlich.

Die Eltern Anke und Georg Dettmar wissen, es kann morgen oder in ein paar Jahren sein. Trotzdem kann ein Leben wunderschön sein. Paul ist ständig guter Laune, ärgert seine Betreuungskräfte mit einem Lächeln im Gesicht, liebt Eisenbahnen, schaut sich gerne Bücher an und kann sich an Zeichentrickfilmen im Fernsehen genauso erfreuen wie an seinen Spielsachen. Natürlich ist er nicht so weit wie Gleichaltrige, aber er ist eine liebenswerte Persönlichkeit, lebt im Hier und Jetzt, was den meisten von uns verloren gegangen ist und genießt ganz offensichtlich seine Tage, ganz gleich, wie viel es noch sind. Scheinbar unbeschwert und sorgenfrei.
Betreuung rund um die Uhr durch die Eltern
Für die Eltern ist es weniger unbeschwert und nicht wirklich sorgenfrei. Der Gedanke an den Abschied ist präsent, denn beispielsweise jede Infektion kann zum Tod führen. Weil Paul im Grunde nichts allein kann, muss ständig jemand in seiner Nähe sein. Er kann beispielsweise keine Gefahren einschätzen. Pflege im Rhythmus 24/7 und das an 365 Tagen im Jahr ist eine erhebliche Herausforderung. Reicht die Aufmerksamkeit nicht aus, wird Paul sehr lebhaft. Essen anreichen, den manchmal „nervigen Racker“ wie Dr. Merlin Deckers (Kleine Riesen Nordhessen) mit einem Augenzwinkern sagt, zu beschäftigen, ist rund um die Uhr selbstverständlich belastend. Das heißt nie gemeinsam als Ehepaar ausgehen zu können und auch Urlaub ist nicht möglich.
Obwohl Paul tagsüber die Tagesbetreuung des Bathildisheims (Bad Arolsen) besucht, wo Papa Georg ihn jeden Tag hinfahren und abholen muss, gibt es für den Rest des Tages und an Wochenenden keine Pausen. Aber Familie Dettmar wird unterstützt. Da ist zum einen der ambulante Kinderhospizdienst aus Fritzlar, vor allem aber die „Kleinen Riesen Nordhessen“ aus Kassel. Die Kleinen Riesen sind eine Organisation, die mit einem multiprofessionellen Team aus Ärzten und Pflegekräften, Sozialarbeitern und Seelsorgern, Kinder mit unheilbaren und lebensverkürzenden Krankheiten betreut. Ihr Einsatzgebiet ist der gesamte Regierungsbezirk.
Die Kleinen Riesen sind eine große Stütze
Beim Besuch in Niedenstein-Metze, wo Familie Dettmar zu Hause ist, waren Birgit Mehling, Pflegefachkraft mit Zusatzausbildung in der Palliativmedizin und Dr. Merlin Deckers, Kinderarzt und Palliativmediziner. Von den Kleinen Riesen dabei. Wenn der Kinderarzt nicht mehr weiterweiß, kann das Team der Kleinen Riesen unterstützen. „Unsere Arbeit ist außerdem viel Networking“, sagt Dr. Deckers. Es geht häufig darum, Kinderärzte, Logopäden, Psychologen, Therapeuten und vor allem Hilfsmittel zusammen zu bringen. Die betroffenen Familien wissen oft nicht, welche Möglichkeiten sie haben und wo sie welche Hilfe bekommen. Die Kleinen Riesen sind in allen Phasen des Lebens für die Familien da, auch in den letzten Stunden.
Auf dem Gelände des Klinikums Kassel soll das Kleine Riesen Haus entstehen, wo die Familien geschult werden und auch eine Übernachtungsmöglichkeit finden. Familie Dettmar nutzt einmal im Jahr die Gelegenheit, in ein Kinderhospiz in Wiesbaden zu fahren. Von diesen Einrichtungen gibt es nur 16 in ganz Deutschland. 28 Tage im Jahr stehen Familien mit Kindern, die unheilbar krank sind, zu. Die Nachfrage ist aber größer als die vorhandenen Plätze. Seit 2007 gibt es in Deutschland erst einen Anspruch auf Hilfen bei lebenslimitierenden Erkrankungen.
Spenden sind willkommen
Die Kleinen Riesen Nordhessen freuen sich über Spenden auf das Spendenkonto „Kleine Riesen Nordhessen gGmbH“, Kasseler Sparkasse, IBAN: DE27 5205 0353 0002 1851 56, BIC: HELADEF1KAS. Wer dabei auf der Überweisung seine vollständige Adresse angibt, erhält eine Spendenbestätigung. (rs)




