Willkommen in der Gegenwart
BAUNATAL. Die Stadt Baunatal ist in der Gegenwart angekommen. Es ist Steuergeheimnis, wie viel Gewerbesteuer Volkswagen zahlt, letztlich eine Dreisatzrechnung. Wenn aus früheren Planungen von 34 Millionen € Gewerbesteuer noch 22 Millionen € übrig bleiben, darf man spekulieren. Bereits 2020 waren von geplanten 34 Millionen € nur knapp 10 Millionen € in der Stadtkasse angekommen.
Auch 2022 wurden 34 Millionen € erhofft, etwa 25 Millionen € dürften es nach Kassensturz sein. Nur mit Auflösung der letzten Rücklagen in Höhe von 27 Millionen € und dank einer nicht erwarteten Gewerbesteuernachzahlung in Höhe von 28,5 Millionen € für zurückliegende Jahre kann die Stadt den Haushalt für die nächsten zwei Jahre retten. Ursprünglich lagen einmal über 100 Millionen € im Schrank. Die Folge von Krisen, beginnend mit der Finanzkrise über die Dieselkrise bis zur Corona-Krise haben die Konten bereits leer geräumt. Nun ist jeder Haushalt auf Kante genäht, wie Sebastian Stüssel (CDU) im Blick auf zukünftige Geldausgabe-Fantasie nüchtern resümierte.
Gemeinsame Anstrengungen von SPD, CDU und FDP
Einig im Umgang mit dem Haushaltsloch waren SPD, CDU und FDP. Das, so Udo Rodenberg (SPD), werde auch in den Jahren danach nachhaltig bestehen, weil Elektromobilität weniger Fertigungstiefe benötigt und durch den Börsengang von Porsche dessen Gewinne nicht mehr bei Volkswagen ankommen. Gemeinsam haben die drei Parteien in der Haushaltskonsolidierung Veränderungen am ursprünglichen Haushaltsplan, gemeinsam mit Bürgermeisterin Manuela Strube, dem Ersten Stadtrat Daniel Jung und dem Kämmerer Klaus-Peter Metz gemeinsam entwickelt. Dafür machten die GRÜNEN in der Stadtverordnetenversammlung ordentlich Opposition.
Mehr Grundsteuer
Bei sinkenden Steuereinnahmen steht Baunatal unter dem Druck, die Einnahmen anderweitig zu erhöhen und gleichzeitig Kosten einzusparen. Um die Erlöse zu verbessern, wird beispielsweise die Grundsteuer angehoben. In einem aktuellen Vergleich der Kommunen des Landkreises Kassel, so stand es in der Sitzungsvorlage, gehören die aktuellen Hebesätze der Grundsteuer A mit 370 v. H. und der Grundsteuer B mit 400 v. H. der Stadt Baunatal zu den niedrigsten. Die Durchschnittswerte des Jahres 2022 liegen bei der Grundsteuer A bei 562 v. H. und bei der Grundsteuer B bei 591 v. H. jetzt erfolgt eine Anhebung der Grundsteuer A von 370 auf 560 v. H. und der Grundsteuer B von 400 auf 590 v. H. die Gewerbesteuer bleibt unangetastet.
Kindergartengebühren steigen
Steigen werden auch die Kindergartengebühren. Die Regelbetreuung der über dreijährigen Kinder (Ü3) bleibt in der Regelbetreuungszeit von 7:00 Uhr bis 13:00 Uhr kostenfrei. Bis 15:00 Uhr sind nach einer Anhebung in zwei Stufen am Ende des Jahres 163 € zu zahlen, am Ende des Jahres 2024 209 €. Wer Betreuung bis 16:30 Uhr in Anspruch nimmt, muss Ende 2023 226 € und Ende 2024 293 € dafür bezahlen. Die Betreuung der unter dreijährigen Kinder (U3) wird von bisher 42 € in 2023 auf 63 € angehoben. Im Jahr 2024 wird dieser Betrag auf 84 € steigen. Außerdem wird im U3-Bereich ab August eine Grundgebühr von 100 € fällig. Der Beitrag zum Mittagessen wird um 15 € im Monat auf 75 € für alle Kinder erhöht. Aus sozialen Gründen kann von den neuen Regelbeiträgen abgewichen werden. SPD, CDU und FDP brachten zusätzlich einen Änderungsantrag ein, der eine zentralisierte Nachmittagsbetreuung im Blick hat. Er wurde zusammen mit dem Haushalt verabschiedet.
Vereinsbeteiligung und Neuausrichtungen
Weitere Maßnahmen, die zusammen mit dem Haushalt verabschiedet wurden und im Rahmen der Kooperation der drei gemeinsam agierenden Parteien eingebracht wurden, sind:
- Anhebung der Kosten für die Straßenreinigung um etwa zehn Prozent
- Verstärkter Einsatz von Tagesmüttern und Einbindung freier Träger in der Kinderbetreuung
- Einbeziehung der Stadthalle in eine Potenzialuntersuchung zur Weiterentwicklung der Innenstadt in Zusammenarbeit mit externen Investoren statt abschnittsweiser Sanierung der Stadthalle, wie im Haushalt eingestellt
- Wiedereröffnung des Sportbades in Trägerschaft der Vereine
- Neuausrichtung der Sport- und Kulturförderung
- Dekarbonisierung sowie breitere und flexiblere Aufstellung des Wärmebezugs in der Baunataler Fernwärmeversorgung
- Prüfung einer Neuausrichtung des Stadtmarketings mit dem Ziel einer Kostenreduzierung und/oder Einnahmeverbesserung
Einigkeit bei SPD, CDU und FDP – GRÜNE gegen alles
- Udo Rodenberg (SPD) zitierte die aktuelle Steuerschätzung, nach der etwa 5,5 Millionen Euro Mindereinnahmen im Finanzplanungszeitraum 2023 bis 2027 aus dem kommunalen Anteil der Einkommen- und Umsatzsteuer diesen und die zukünftigen Haushalte weiter belasten werden. Aus höher zu erwartenden Tarifabschlüssen vermutet er eine Kostensteigerung um weitere 4 Millionen Euro bis 2027. Die Erhöhung der Kindergartengebühren verteidigte er damit, dass die Stadt immer noch einen Betrag in fünfstelliger Höhe für die Kindergärten aufbringen muss und die Gebühren im Vergleich zu anderen Kommunen immer noch deutlich niedriger liegen. In der Verwaltung würden sich die Arbeitsinhalte verändern, wenn sämtliche Prozesse auf dem Prüfstand stehen. Ein hoher Anteil der Mitarbeiter wird in den kommenden Jahren ausscheiden, nicht jede Stelle wird neu besetzt werden. Das Sportbad kostet etwa 1,1 Millionen € im Doppelhaushalt. Wenn sich hier die Vereine engagieren, sei das eine Perspektive zur Wiedereröffnung. Aktuell ist das Bad aus Gründen der Energieeinsparung geschlossen. Auch dass die Vereine signalisiert haben, sich in der Pflege von Sportanlagen selbst einzubringen, wertet er positiv. Sein Fazit: Baunatal bleibt eine Lebens- und liebenswerte Stadt mit einer hohen Anziehungskraft für junge Familien.
- Sebastian Stüssel (CDU) sprach von einer prägenden Zusammenarbeit der Fraktionen. Zur Haushaltsrede von Udo Rodenberg stellte er fest: „Das war ja ein Baunataler Manifest, Chapeau!“ Er selbst war der Erste, der bereits vor 15 Jahren auf ein strukturelles Defizit von 20 Millionen Euro hingewiesen hat. Die CDU wolle aber jetzt nicht schmollend in die Ecke gehen, wie es andere tun, sondern auch in schlechten Zeiten Verantwortung zu übernehmen. Es sei nun Zeit, nicht mehr zu fragen, was Baunatal für die Baunataler tun kann, sondern was alle gemeinsam für ihre Stadt tun können. Von Panik will er dennoch nichts wissen. Wenn die Stadt dauerhaft bestehen will, muss es gelingen, den Ressourcenverbrauch erheblich zu reduzieren oder Strom, Wärme, Geld und Personal wesentlich effizienter einzusetzen und gleichzeitig die Last auf mehr Schultern zu verteilen.
- Dr. Rainer Oswald (FDP) sprach von einer prägenden Zusammenarbeit mit SPD und CDU, aus der sich 9 Anträge herauskristallisiert haben. „Die Situation bringt uns an den Rand des gesetzlich machbaren.“ Man wolle keinen Überschuss, aber auch kein Defizit. „Wir haben eine Vorstellung, wo wir hinwollen.“ Er sieht vor allem keinen Platz für Traumanträge und keine Perspektive auf goldene Dächer. Er lobte die entstandene Gebäudeübersicht. Sie bringe Klarheit. Eigeninitiative, insbesondere im Bereich Sport, sei Merkmal einer funktionierenden Stadtgesellschaft.
- Edmund Borschel (B90/GRÜNE) sprach zu fortgeschrittener Stunde und zu guter Letzt mehr als eine Stunde und damit länger als die anderen drei Fraktionsvorsitzenden zusammen. Dabei stellte er selbst mit Bedauern fest, dass die meist jugendlichen Zuhörer den Saal verlassen hätten. Im erstmals genutzten Livestream waren am Ende von Borschels Haushaltsrede noch ganze 13 Teilnehmer online. Er traut den Vereinen das Sportbad nicht zu, hat Sicherheitsbedenken beim Umgang der Vereinsmitglieder mit der Motorsäge und hält ein Kongresszentrum in der Stadthalle für schwer vorstellbar. Die Grünen hätten gerne einen Bürgerhaushalt, mehr Digitalisierung in der Verwaltung, mehr Synergieeffekte durch interkommunale Projekte mit Nachbarkommunen, eine Energiekosteneinsparung jedes Jahr um mindesten 10 Prozent. Außerdem eine dezentrale Energiewende, eine Strategie für alle Baunataler, sowie Solar- und Bürgerenergie. Die SPD/CDU/FDP Anträge lehnte er in dieser Form ab und beantragte deren Beratung im Sozialausschuss. Die GRÜNEN lehnen auch die Höhe der neuen Kindergartengebühren ab und möchten statt einer Erhöhung der Grundsteuer A lieber eine Erhöhung der Gewerbesteuer.
Haushalt fand deutliche Mehrheit
Auch ein Prüfantrag zur Verlegung des Radweges R1 in Guntershausen, zu dem die GRÜNEN vor einiger Zeit selbst noch einen Antrag eingebracht hatten, lehnten sie jetzt mit Verweis auf den alten eigenen Antrag ab. Es folgte eine durchaus dramatische Diskussion.
- in der Auseinandersetzung befand Christian Strube (SPD), es sei gut, dass die GRÜNEN keine Verantwortung tragen. Sie wollten vor dem schlimmsten Haushalt kneifen und den Bürgern den Haushalt überlassen.
- Udo Rodenberg (SPD) fragte zur Kritik an der Digitalisierung: „Was machen wir denn eigentlich die ganze Zeit?“ Zur Forderung nach mehr Interkommunaler Zusammenarbeit stellte er fest, dass die Grünen doch gerade erst das interkommunale Gewerbegebiet Sandershäuser Berg abgelehnt hätten.
- Für Dr. Rainer Oswald (FDP) gehen falsche Zahlen nicht. Wir lassen die Ärmsten nicht im Stich!“
Schließlich wurden alle GRÜNEN Anträge abgelehnt, alle anderen Anträge angenommen. Der Haushalt und der Investitionsplan fanden eine Mehrheit von 31 : 5 Stimmen. Damit ist die Verwaltung für die kommenden zwei Jahre arbeitsfähig. (Rainer Sander)
1 Kommentar
Wer fordert, dass in einer Autostadt wie Baunatal die Gewerbesteuer erhöht werden soll, der zieht sich doch die Hose mit der Kneifzange an.
Kommentare wurden geschlossen.