KASSEL. „Wir stehen vor einer Zeitenwende“, konstatierte Frank Dittmar, Präsident der Handwerkskammer Kassel, die Lage des Handwerks anlässlich der 144. Vollversammlung, die im Haus der Kirche in Kassel stattfand.
„Krisen wie Pandemien und Kriege beschleunigen solche Prozesse und tragen maßgeblich zu einer Verunsicherung bei, die wir inzwischen auch bei unseren Betrieben ganz deutlich spüren“. Entsprechend pessimistisch sei der Blick der Betriebe auf die kommenden Wochen und Monate. Laut der aktuellen Konjunkturumfrage der Kammer erwartet fast die Hälfte der Betriebe eine Verschlechterung ihrer Geschäfte zum Jahresende. „Bei den Bäckern und Fleischern sind es sogar mehr als die Hälfte.“
Als Gründe dafür nannte er die unkalkulierbar steigenden Energiepreise, die hohe Inflation, die wachsenden Zinsen, hohe Materialkosten, anhaltende Lieferengpässe und den stark nachlassenden Konsum, der sich schon jetzt in rückläufigen Auftragsbeständen der Betrieb bemerkbar mache. „Die enorm gestiegenen Kosten“, sagte Dittmar, „können nur teilweise und häufig auch gar nicht an die Kunden weitergereicht werden.“ Und so drohe ein irreparabler Schaden für das Handwerk und die Wirtschaft in Deutschland insgesamt, wenn die Politik nicht rasch und entschieden handele.
Daran ändere auch die positive Entscheidung, dass die Gas- und Strompreisbremse bereits ab Januar gelten soll, nichts. Denn die Entlastungsbeiträge für die Monate Januar und Februar 2023 sollen erst im März gewährt werden. Im Ergebnis müssen die Betriebe so ihre hohen Stromkosten weiter vorfinanzieren, was zu Problemen bei ihrer Liquidität führen könne. Diese Betriebe benötigten deshalb eine Härtefallbrücke, die sie bis zum März trägt.
„Für die anderen problematischen Entwicklungen gibt es leider keine einfachen Lösungen, die kurzfristig umgesetzt werden können“, so Dittmar weiter. Konsequenzen müssten dennoch folgen. Als zwei Beispiele nannte er die verstärkte Herstellung von dringend benötigten Produkten in Deutschland statt im Ausland sowie den Abbau einseitiger Abhängigkeiten von einzelnen Ländern. „Es geht darum, dass wir uns wieder stärker auf unsere eigenen Stärken besinnen.“
Deshalb müsse die Energiewende gelingen, auch in den Handwerksbetrieben selbst: „Das Handwerk ist systemrelevant, denn nur mit uns kann die Klimawende gelingen“, so der Kammerpräsident. Um dieses Ziel tatsächlich erreichen zu können, brauche das Handwerk aber ausreichend Fachkräfte und unkomplizierte Rahmenbedingungen für eine zeitnahe Umsetzung der notwendigen Maßnahmen. „Angesichts der aktuellen Krisen brauchen wir schnelle, mutige und konsequente Schritte beim Bürokratieabbau mehr denn je. Vorschläge gibt es genug. So muss zum Beispiel Bauen schneller, unkomplizierter und günstiger werden.“ Die Fachkräftesicherung werde angesichts der Tatsache, dass die geburtenstarken Jahrgänge absehbar in Rente gingen, noch wichtiger. „Und schon heute könnten bundesweit rund 200.000 Arbeitsplätze im Handwerk nicht besetzt werden.“
Deshalb brauche es neben der Klimawende auch eine Bildungswende, forderte Dittmar. „Wir brauchen wieder mehr Wertschätzung für die duale Ausbildung. Die Politik muss die berufliche Bildung gleichwertig zur akademischen Bildung behandeln. Sie muss sie finanziell gleichwertig unterstützen und fördern. Wenn endlich anerkannt wird, dass das Handwerk für die Modernisierung und Transformation Deutschlands unverzichtbar ist, dann wird es auch für junge Menschen wieder attraktiv, ein Handwerk zu erlernen und stolz darauf zu sein.“ Konkret forderte Dittmar eine Verbesserung der Berufsorientierung, den Erhalt von Berufsschulstandorten, eine schnelle Anpassung der Ausbildungsinhalte an die neuesten Anforderungen sowie eine geregelte Zuwanderung. Das Handwerk, zeigte sich der Kammerpräsident überzeugt, werde seine Ausbildungsbereitschaft ebenfalls verstärken.
„Wir sind ein kraftvolles Land, mit kreativen Menschen und guten Organisationen. Wir haben oft genug bewiesen, wie erfolgreich wir sein können. Wenn man uns Steine in den Weg legt, bauen wir ein Haus daraus“, gab sich der Kammerpräsident am Ende seiner Rede dennoch optimistisch.
Diesen Faden nahm Jürgen Müller, Hauptgeschäftsführer der Kammer, auf und sagte: „Wir verstehen uns als dienstleistungsorientierte Kammer für unsere Betriebe.“ Dafür würden die eigenen Strukturen regelmäßig hinterfragt und angepasst. „So nehmen wir wahr, dass die Anfragen zum Thema Energieeffizienz, Klimaschutz, dezentraler Energieversorgung zunehmen. Deshalb werden wir über die altersbedingte Fluktuation in unserem Beratungsteam eine freigewordene Stelle zeitnah dementsprechend besetzen.“
Als weiteren Schwerpunkt, den die Kammer im kommenden Jahr weiter verstärken werde, nannte Müller die Berufsorientierung und Ausbildungsberatung. Weil nach wie vor zu viele Lehrstellen im Handwerk unbesetzt blieben, kündigte er an, dass die Kammer ihr Angebot in beiden Bereichen weiter modernisieren und noch einmal ausbauen werde. (pm)
11 Kommentare
Viele hoffen noch auf ein gutes Weihnachtsgeschäft dem wird aber nicht so sein. Auch der Januar ist ein teurer Monat .
Der Stellenabbau wir sich nächstes Jahr beschleunigen soviel ist Sicher.
„Wenn die Politik“““““. Was erwartet Herr Dittmar von dieser unfähigen Regierung.?
Da hilft selbst ins Licht stellen nichts mehr. Wir brauchen Neuwahlen.
An der Auftragslage kann es nicht liegen, was man so aus dem Handwerk hört sind Aufträge bis weit ins Jahr 2023 gesichert. Es liegt wohl eher an den Kapazitäten im Handwerk, Personalmangel herrscht vor. Fachkräfte kann die Politik keine schnitzen, dafür muss das Handwerk selber ausbilden. Da nutzt es auch nichts, wenn man die schulische Bildung der Bewerber als Grund vorschiebt, denn andere Betriebe zeigen wie man dem Personalmangel begegnet. Bei Zeiten haben Handwerker Migranten eingestellt, die noch Deutschkurse belegt hatten und sie mit brauchbaren Deutschkenntnissen eingestellt. Handwerker sitzen genug in den Erstaufnahmen und warten auf die A1 Deutschprüfung um sich irgendwo zu bewerben. Für alles wird die Regierung verantwortlich gemacht, hat einer Dünnpfiff ist Habeck schuld, hat jemand Kopfschmerzen ist Scholz verantwortlich. Die Unfähigkeit liegt wohl eher in den veralteten Strukturen des Handwerks. Ich habe in den 1960er Uhrmacher gelernt, in dem Beruf werden nicht Fähigkeiten verlangt, die heute nicht mehr zeitgemäß sind. Heute sind 80% aller Uhren Quarzuhren, aber der Lehrling muss zur Gesellenprüfung auch Unruhwellen drehen können, wie ich es in den 1960er Jahren gelernt habe. Im Bäckerhandwerk haben Betriebe schon Fachkräfte die als Migranten kamen eingestellt. Bei uns will kaum noch jemand um zwei Uhr nachts arbeiten, außer Pflegekräften und andere Schichtarbeiter..
@ Nordhesse
Es kommt auf die Zeitung an, die man liest. Gestern hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, in einem Café die BILD zu lesen, die ein Gast liegengelassen hatte. Da stehen wirklich Dinge drin, die sich nicht schmeichelhaft für die Regierung anhören. Das war aber schon immer so, das die BILD und T-Online, Welt und Focus gegen alle anderen Parteien außer CDU/CSU, FDP und AfD anders verhalten. Doch wenn man der Regierung Fehler vorwirft, dann wirft man auch der FDP Fehler vor, denn die sitzen im gleichen Boot. Das Hetzer den Rechten das Feld bereiten, ist auch Fakt, jedenfalls geht die Regierung Themen an, die sich die CDU/CSU und die AfD nicht gewagt hätten. Seriöse Zeitungen üben auch an Merz und seiner „jungen Garde“ Kritik, wie man mit Themen umgeht, die sensibel und heikel sind. Glauben Sie etwa, dass es Unternehmen wie Biontech gefällt, wenn man mit Migranten so umgeht wie es Merz betreibt, die Inhaber von Biontech haben einen Migrationshintergrund, sie suchen sich weltweit ihre Mitarbeiter, die hier in Deutschland arbeiten sollen und sich integrieren können müssen, um dem Unternehmen erhalten zu bleiben. Das gilt genauso für IT Technik und Nanotechnik, Umwelttechnik, Medizin und Pflege. Wir sind ein Exportland ohne wesentliche Bodenschätze, die heute für modernste Technik zwingend notwendig sind. Als Exportland, hat man Partner anderer Kulturen und anderer Hautfarbe, wenn man sich in Deutschland als Kunde nicht wohl fühlt, sucht man sich andere Partner, die nicht so verbohrt nationalistisch sind, dann sind wir raus aus dem Geschäft.
Im Café sitzen demnach nur Hartz4-Empfänger 🤣 Das beweist eindeutig die eingeschränkte Sichtweise des Nordhessen. Seine leeren Behauptungen und Ansichten sind völlig quer und sehr einseitig. Seine Überheblichkeit ist grenzwertig. So z.B. die Einstellung zur Ukraine. Da blendet er völlig aus, wie Europa und der Rest der Welt reagieren würde, wenn wir den Angriff „verurteilen“ und weiterhin gute Beziehungen zu dem Aggressor pflegen. Nur um an billiges Gas zu kommen.
Und ihre Antwort ist sachlich? So argumentieren Menschen ohne Argumente, denn Sie haben keine.
Nur ihre eigene Meinung und die ist subjektiv.
„Handwerker sitzen genug in den Erstaufnahmen“ Ist doch nicht Ihr Ernst MIDO, oder ? Muß natürlich zugeben das ich da 2015 auch optimistisch war. Wurde aber schnell mit den Tatsachen konfrontiert.
@ Ulrich
Was glauben Sie denn, wer in anderen Ländern handwerkliche Arbeiten macht? Da gibt es auch Handwerker und Ingenieure, Ärzte und Juristen, das einzige, was nicht in Deutschland kompatibel ist, das ist Juristerei. Ein Autoschlosser repariert auch in Syrien, Afghanistan oder in der Ukraine Autos. Ebenso ist es mit Klempnern und Friseuren, in vielen Ländern gibt es auch Ausbildungen wie bei uns. Ein Elektriker hat in Afrika seine Arbeit so zu machen, dass es keine Brände oder Stromschläge gibt wenn man einen Schalter umlegt. Jeder Bäcker hat in den USA ohne Lehre die gleichen Arbeiten zu machen wie in einem europäischen Staat. Ja, es sitzen genug Handwerker in Erstaufnahmen, wie in Neustadt oder Büdingen und Gießen. Alle haben eins gemeinsam, sie sprechen nur kein Deutsch. Ich bin sehr optimistisch, dass es gute Gründe gibt die Asylbewerber auf deutsche berufsspezifische Systeme weiterzubilden. Eine Familie aus Afghanistan bestehend aus zwei Brüdern, einer war Staatsanwalt in Kabul, der andere Mathematiklehrer auch in Kabul, beide Ehefrauen mit Kindern und Mutter kamen 2015 nach Hessen. Nach einem Jahr und intensivem Deutschkurs mit A1 abgeschlossen, sind jetzt im Raum Gießen, der Mathelehrer arbeitet in Gießen der Staatsanwalt arbeitet in einer Pizzeria, weil das Afghanische Diplom logischerweise in Deutschland nicht brauchbar ist. Beide können ihre Familien ernähren und haben hier Asyl bekommen. Die UKGM Marburg und Gießen hat viele Ärzte und andere Akademiker angestellt.
Talie ,,Ein Autoschlosser repariert auch in Syrien, Afghanistan oder in der Ukraine Autos Ha ha ha ha Talie ja was sind denn das für Autos die in Syrien repariert werden ???? Auto ohne viel Technik!!!
Jetzt picken Sie sich aber mal ein paar Einzelfälle raus Mido. Natürlich gibt es die, wogegen auch sicher keiner was hat. Aber mit dem überwiegenden Teil sieht es ja wohl anders aus ! Ist vielleicht auch besser, Sie bleiben weiter in Ihrer linksgrünen Scheinwelt.
@ Ulrich
Dittmar ist ein Wirtschaftswunderkind, dass es unter leichteren Bedingungen zu einem Unternehmen gebracht hatte. Nun sind die Zeiten schwierig und da schreien alle nach dem Staat, der tun kann was möglich ist aber nicht für Wunder zuständig ist. Auch ich war mal Lehrling und hatte mich nach der Lehre weiterbilden müssen, um etwas zu erreichen. Es war nicht einfach, weil der Chef immer wieder versuchte die Weiterbildung zu unterbinden. In der Lehre mussten wir drei Lehrlinge ein altes Haus, dass der Chef gekauft hatte, für den Umbau vorbereiten, das hieß Fenster auszubauen, Türen auszubauen, Fußböden raus zu reißen, Wände von Tapeten zu befreien und das Treppengeländer abzubauen. Jeden Tag zwei Stunden arbeiten, der Chef war Obermeister der Innung, als Gegenleistung war keiner bei der Gesellenprüfung durchgefallen. Nach uns gab es zwei Jahre lang keine neuen Lehrlinge, man munkelte, dass der Vater einer der Kollegen den Chef angezeigt hatte. Jedenfalls hatte ich keine Lust mehr auf Handwerker. Die Unfähigkeit mancher Bürger zu erkennen, dass es eine elende Dummheit ist auf die rechten Scharfmacher zu hören, Es hatte schon 1933 so viele Unfähigkeiten gegeben, muss sich das wiederholen, wer soll das wollen? Jeder Unternehmer weiß was er kann und was er nicht kann, wenn es nicht so läuft wie er es sich erhofft hat. Man muss auch daran denken, dass die Preise bei Baustoffen und Investitionsgüter schon während der Pandemie, also zuzeiten der Merkel-Regierung. Die Lieferketten waren schon 2020 schleppend und mit Ausfällen von Lieferungen zu bewältigen. Auch die alternativen Energien wurden von konservativen Politikern verzögert bis ausgebremst, das geht einigen der Kommentatoren am Gesäß vorbei.
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