Erlebbar durch Graffitikunst
SCHWALMSTADT | GILSERBERG. Eine 22 Meter lange Graffitiwand wurde am vorletzten Freitag an der Unterführung am Ortseingang von Sachsenhausen (Gilserberg) feierlich eingeweiht. Das Kunstwerk wurde gemeinsam von Landfrauen und geflüchteten Frauen gestaltet. Künstlerische Leitung hatte das Kulturprojekt ARTmobil von Arbeit und Bildung e. V., die zu dieser Veranstaltung einluden.
Das große ehrenamtliche Engagement der Dorfbewohner und Dorfbewohnerinnen sowie die Unterstützung seitens der Gemeinde Gilserberg und des Landkreises Schwalm-Eder haben die Umsetzung ermöglicht.
„Frauen sind das Herzstück der sozialen Integration“, sagte Kordula Weber, Geschäftsleiterin von Arbeit und Bildung e.V., als sie circa 50 versammelte Gäste bei der Eröffnung begrüßte. Anwesend waren Projektteilnehmerinnen und Dorfbewohner sowie Vertreter der Gemeinde Gilserberg und Schwalmstadt, des Kulturderzenats des Landkreises, der WIR-Koordination und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). „Frauen, unabhängig von ihrer Herkunft, sind Mütter, Töchter und Schwestern“, so Weber. „Durch Erziehung und Vorbildfunktion prägen sie die Haltung ihrer Kinder und tragen damit entscheidend für eine friedliche und tolerante Gesellschaft bei“. Damit Integration gelinge, brauche es mehr Begegnung von Frauen, um Vorurteile abzubauen. Einen solchen Rahmen biete das Kulturprojekt ARTmobil, erklärt Weber. Der kleine bunt gestaltete Bus fährt durch den Landkreis und ermöglicht Begegnungen zwischen geflüchteten und einheimischen Frauen und Mädchen durch Kunstworkshops und Kulturevents. Das Graffitiprojekt in Sachsenhausen wurde zu einem besonderen Halt auf seiner Tour.
„In Sachsenhausen haben wir Menschen getroffen, die uns besonders herzlich und tatkräftig in unserer Bemühung um soziale Integration unterstützt haben“, betont Weber und bedankt sich bei der Vorsitzende des Landfrauenvereins Sachsenhausen Gerlinde George, die zugleich die Urheberin der Idee zur Bemalung der Unterführung ist. „In einer Zeit von Krieg und Spaltung in der Welt setzt der gemeinschaftliche Schaffensprozess der Frauen hier in Sachsenhausen ein starkes Zeichen für Zuversicht und Hoffnung.“
Gefördert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat
Das Projekt „ARTmobil“ wird gefördert vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI). Nicolas Krause, Regionalkoordinator beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat am Vormittag einen Projektbesuch durchgeführt und zeigte sich beeindruckt: „Es ist gut, mit eigenen Augen zu sehen, was die Fördermittel vor Ort bewirken können. Hier sind Begegnung, Sprachförderung und kultureller Austausch mittels Kunst in vorbildlicher Weise vereint“, lobt Krause. Bundesweit werden im Rahmen des Bundesprogramms „Gesellschaftlicher Zusammenhalt. Vor Ort. Vernetzt. Verbunden.“ 200 Integrationsprojekte durch das BMI mit einer Gesamtsumme von jeweils 70.000 € pro Jahr gefördert.
Mit Blick auf das Kunstwerk zeigt sich auch Stefan Pinhard, Bürgermeister von Schwalmstadt, beeindruckt: „Kunst ist wie Singen oder Sport: sie kann ohne Worte Menschen verbinden. Und das ist hier ganz offensichtlich gut gelungen. Ein tolles Beispiel für gelebte Integration“, so der Bürgermeister. Er kündigte an, für vergleichbare Ideen in Schwalmstadt offen zu sein.
Auch die Gemeinde Gilserberg zeigte sich stolz und begeistert. „Her ist eine Sehenswürdigkeit entstanden. Das Kunstwerk verschönert den Ort und bietet zusätzliche Attraktion für Wandernde und Radfahrende“, sagt Sigrid Herden, die stellvertretend für Bürgermeister Rainer Barth gekommen war. Die Gemeinde Sachsenhausen bereitet sich auf ihr großes 800-jähriges Jubiläum vor und begrüßt Projekte wie dieses, die die Geschichte des Ortes hervorheben und für eine starke Identität der Einwohner sorgen. Das Kulturderzenat des Landkreises hat ebenfalls das Graffitiprojekt mit einer Förderung gewürdigt und war bei dem Fest durch Daniela Landgrebe vertreten. Weitere Spender und Unterstützer des Projektes sind die Burschenschaft Sachsenhausen und der Fachhandel SKV GmbH in Marburg.
Eine Gemeinschaft entsteht
Im Mai begann das Graffitiprojekt mit einer gemeinsamen Wanderung der Frauen entlang der „Katzbachrunde“. In drei darauffolgenden Kunstworkshops entwickelten die Frauen das Motiv „Weg des Wassers“ und wurden in die Graffititechnik eingeführt. In weiteren sechs Workshops wurde gesprayt und gemalt. Die Kunstpädagogin und Projektleitung von ARTmobil bei Arbeit und Bildung e.V. Elena Gavrilova koordinierte die künstlerische Umsetzung gemeinsam mit dem Graffiti-Künstler Marc Tintera aus Trutzhain. Bewegt ist sie vom Mut und der Großzügigkeit der Menschen in Sachsenhausen: „In Sachsenhausen haben wir eine liebenswerte Gemeinschaft erlebt. Alle passen hier aufeinander auf und kümmern sich. Die Frauen aus der Gemeinschaftsunterkunft wurden von Landfrauen abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Die Projektteilnehmerinnen wurden bei ihrer Arbeit von Dorfbewohnern bewundert, ermutigt, inspiriert und bewirtet sowie mit Strom und technischer Ausrüstung versorgt. Gleichzeitig erlebten wir großes Engagement auf Seiten der geflüchteten Frauen, die mit viel Freude tatkräftig anpackten und halfen, wo immer es möglich war. So entstand ein starker Zusammenhalt“, so Gavrilova.
Ninette Schley ist Malergesellin und Landfrau aus Sachsenhausen. Sie hat bei der Realisierung der Bemalung maßgeblich mitgewirkt. Dabei hat sie die Syrerin Shiraz Bako kennengelernt. Schley erzählt begeistert: „Wir haben gemeinsam gemalt und gegessen, Musik gehört, getanzt und uns Lebensgeschichten erzählt.“ Shiraz Bako bestätigt: „Es war so lustig und toll. Ich habe mich sehr willkommen gefühlt“. Auf jeden Fall wollen die Frauen ihre neu entstandene Freundschaft halten.
Das Motiv WASSER
Die Frauen wurden ermutigt, sich mit der Bedeutung von Wasser auseinander zu setzen und Gemeinsames und Verbindendes zu finden. Die Wasserversorgung der Stadt Treysa wurde von 1423 bis 1905 aus dem Katzbach und den umliegenden Bächen bezogen. WASSER spielte daher eine wichtige Rolle für Sachsenhausen. Ergebnis ist das Bild einer Welle, die den Kreis des Lebens, Geburt und Wiedergeburt, Liebe, Frieden und Gemeinschaft darstellt und auch Wasserverschwendung und -verschmutzung aufgreift. In den Sprachen der Künstlerinnen Deutsch, Ukrainisch, Russisch, Farsi und Arabisch sind Weisheiten zum Thema Wasser auf die Wand geschrieben. Das Kunstwerk ist ein Appell für ein friedvolles Miteinander und für einen sorgsamen Umgang mit der Ressource Wasser.
Das Förderprojekt ARTmobil läuft noch bis Ende 2023. Projektmitarbeiterinnen Elena Gavrilova und Katharina Becker freuen sich über neue Teilnehmerinnen, Workshopanfragen und Kooperationsvorschläge. Kultur verbindet! Kontakt: Arbeit und Bildung e. V., Marktplatz 18, 34613 Schwalmstadt, artmobil@arbeit-und-bildung.de oder über Instagram (artmobil21) (pm | rs)
1 Kommentar
Ein wirklich tolles Projekt.
Es ist Denkanstoss und für alle die in Zukunft darauf zurückblicken ein Mahnmal ob wir mit unserem kostbarsten Rohstoff WASSER richtig umgegangen sind.
Danke an alle die daran mitgewirkt haben
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