SCHWALMSTADT / WABERN (Thomas Schattner). Sieben Fotoalben des gebürtigen Treysaer Militärs Franz von Roques schlummerten jahrzehntelang im Haus von Hans Joachim Petri in der Treysaer Burggasse.
Nun können diese Fotografien aus dem Ersten Weltkrieg, die sämtliche Kriegsjahre von 1914 bis 1918 umfassen, erstmals der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt werden. Thomas Schattner und Rainer Scherb haben sie als Band zwei zu Biografie Franz von Roques zusammen herausgegeben. Zuvor haben die beiden Lokalhistoriker bereits die Tagebücher von Franz von Roques von 1915 bis 1917 herausgegeben.
Die Fotoalben zeigen mehrheitlich Eindrücke des späteren deutschen Generals von der Westfront, aber auch ein kurzes Intermezzo an der Ostfront ist überliefert. Dabei fotografierte von Roques einerseits als Soldat und General militärisch, z.B. das Leben in den Schützengräben, die deutschen Geschützstellungen, die Kraterlandschaften, den Tod an der Front und vor allem das Leben an der rückwärtigen Front im besetzten feindlichen Gebiet. Aber auch Kriegsgefangene, zerstörte Dörfer, Bahnhöfe, Brücken und Städte interessierten den General als fotografisches Motiv sowie seine Kameraden im Offizierscorps (u.a. den Großherzog von Hessen und den Fürsten von Waldeck). Andererseits fotografierte von Roques als „Tourist“, der z.B. die nordfranzösische Herrschafts- und Sakralarchitektur bewunderte, aber auch die bäuerliche Architektur Frankreichs sehr zu schätzen wusste. Und auch Luftaufnahmen fanden sich in den Alben des Generals. Kurzum, die Fotografien zeigen ein großes Spektrum vom militärischen Alltag im besetzten Gebiet hinter der Front über das Kriegsgrauen des Ersten Weltkriegs bis hin zu nordfranzösischer landschaftlicher und mitunter auch dörflicher Idylle. Genauso spannungsvoll wechseln sich gestellte Fotografien mit Schnappschüssen ab.
Durch diese verschiedenen Faktoren entsteht ein anderer, ein ungewohnter Blick auf den Krieg, wie er so wohl noch nicht veröffentlicht wurde. Insgesamt verzeichnen die sieben Fotoalben von Franz von Roques 692 Fotografien inklusive ein paar Dutzend Postkarten. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass etliche Fotografien mehrfach in die Alben aufgenommen wurden. Insgesamt sind so mehr als 600 Fotografien im Bestand des Generals überliefert. Ein einmaliger Schatz für den Militärhistoriker und erst recht für die Lokalgeschichte Nordhessens. Bilder, die Franz von Roques selbst zeigen, gibt es allerdings nur wenige in den Alben. Ein Hinweis mehr, dass er die meisten Fotografien selbst aufgenommen hat. Dagegen gibt es dutzende Fotografien, die seinen Cousin Karl von Roques zeigen.
Die Fotoalben dokumentieren Ereignisse und Beobachtungen aus den verschiedenen Regionen im jeweiligen Feindesland, in denen von Roques eingesetzt war. Zu Beginn des Krieges diente von Roques als Oberstleutnant. In dieser Funktion war er während des anfänglichen Vormarsches des deutschen Heeres auf Armeekorps- und Divisionsebene in verschiedenen Generalstabsfunktionen tätig. Von Roques erste Aufnahmen des Krieges stammen vom 8., 19. und 20. August 1914. Sie dokumentieren die deutsche Invasion in das neutrale Nachbarland, den „Durchmarsch“ der deutschen Truppen durch Belgien, welches keiner Kriegspartei angehörte und trotzdem so viel Leid und Zerstörung aufgrund der Entscheidungen des deutschen Generalstabes (Schlieffen-Plan) ertragen musste. Ab Mitte 1915 übernahm von Roques ein Bataillon, mit dem er im Jahr 1916 bei Verdun und an der Somme im nördlichen Frankreich eingesetzt wurde. Da dieser Einsatz direkt im Schützengraben stattfand, verzichtete von Roques wohl während dieser zwei großen Schlachten auf das Fotografieren. Anschließend wurde von Roques erneut als Stabsoffizier eingesetzt, u.a. kurz als Quartiermeister im I. Armeekorps und als Erster Generalstabsoffizier (Ia) bei der 239 Infanteriedivision. Im Jahr 1917 wurde er in den Stab des X. Armeekorps versetzt. Damit befehligte er die rückwärtigen Heeresgebiete an der Westfront.
Den Jahreswechsel 1916/1917 verbrachte von Roques durch eine einmonatige Abkommandierung in den Stab des Karpartenkorps in der heutigen nordwestlichen Ukraine. Von Roques hielt sich dabei u.a. im ukrainischen Horochiw (Wolhynien) auf. Selbstverständlich fand der Hobbyfotograf von Roques auch hier zahlreiche lohnende Motive. Diese zeigen winterliche Stadt- und Kirchenansichten, den Alltag des Offizierskorps, von Schlittenfahrten über Ausflüge, aber auch Portraits, hinzukommen u.a. alltägliche Genreszenen. Das Kriegsende erlebte er bei, bzw. hinter den Stellungskämpfen im Elsässer-Raum, in der heutigen französischen Region Grand Est. Deshalb dominieren hier die Genre- und Architekturfotografie sowie die bäuerliche Welt die Aufnahmen.
Mit von Roques haben wir es mit einem Militär zu tun, der durch und durch den kaiserlichen Militarismus verhaftet war. Ein Soldat, für den Krieg zum Handwerk gehörte. Wohl deshalb finden wir bei ihm keinerlei Skrupel oder auch Zweifel am eigenen Handeln. Vermutlich war ihm der Gedanke fremd, dass er als Bestandteil einer Invasionsarmee in souveräne Staaten einmarschierte und dabei z.T. auch deren Neutralität missachtete. Stattdessen trug er seinen Teil dazu bei, dass der vom deutschen Generalstab schon lange geplante Zangengriff auf Frankreich möglichst erfolgreich verlaufen sollte. Zwar fotografierte er auch in Frankreich Kriegstote, tote Tiere, zivile Opfer und zerstörte Dörfer und Städte, aber scheinbar recht emotionslos. Ebenso kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihm die heutige West-Ukraine doch recht primitiv vorkam. Nicht umsonst zeigt er wohl menschliche Armut in seine Fotografien, Kontraste und Gegensätze treten hier stark hervor. Das gilt auch generell. Oft kontrastieren nüchterne und distanzierte Fotografien, z.B. von gefangenen Soldaten, mit der Herzlichkeit, in der man sich im deutschen Offizierskorps begegnete. (Thomas Schattner)
Die vorliegende Publikation beinhaltet die Fotografien von Roques, die Veröffentlichung seiner Kriegstagebücher erfolgte bereits im ersten Band. Das 440 Seiten umfassende Buch ist unter der ISBN-9798832548814, mit Orts-, Personen- und Sachregister ausgestattet bei Amazon zum Preis von 15 € erschienen.
Der 401 Seiten starke Tagebuch-Band, wiederum mit Orts- und Personenverzeichnis versehen, ist unter der ISBN 979-8831364903 ebenfalls bei Amazon erschienen und kann dort gleichfalls für 15 € erworben werden.