KASSEL/SCHWALMSTADT (pm). Im Rahmen der partizipativen Kunst-Performance „Cleaning as Awareness-Practice“, die das Staatstheater Kassel auch anlässlich der documenta fifteen auf dem Plan hatte, kamen Staubwedel der Bürstenmacherei der Hephata Diakonie in Schwalmstadt-Treysa zum Einsatz.
In der zertifizierten Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist Nadja Langstroff eine der Kolleginnen, die in mühevoller Handarbeit Rosshaar- und Ziegenhaar mittels eines Bronzedrahts in die Holzrahmen der Staubwedel einziehen. Hiermit hatte Langstroff, die selbst gerne Acrylbilder im Treysaer Atelier Farbenhaus malt, indirekt Anteil an einem Kunstprojekt.
Auf Anfrage der Künstlerin Birgit Severin stifteten Günter Kripko, Bereichsleiter der Werkstätten für Menschen mit Behinderung in der Hephata Diakonie und Steffen Heinz, Leiter der Bürstenmacherei, mehrere Staubwedel an das prozesshafte Kunstwerk „Temple of Alternative Histories“, das das Staatstheater Kassel in den nächsten Wochen im Rahmenprogramm der documenta durchführt. Das Projekt thematisiert den Menschen in seiner Umwelt und Verflechtungen zwischen Mensch und Materie.
Zum Auftakt leitete die Künstlerin Birgit Severin zwei Workshops zum Thema Reinigung als Achtsamkeitspraxis. In einer Performance, an der jede/r Passant*in teilnehmen konnte, wurde in Kassel gemeinsam in der Oper und um die Oper sauber gemacht. Severin verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, indem sie Objekte als Erweiterungen von Körper und Geist betrachtet. Über eine Veränderung von Prozessen will sie unsere materielle Welt neu gestalten und so zu einer sozialeren und nachhaltigeren Gesellschaft beitragen. „Nachhaltigkeit ist in aller Munde – hierzu gehört auch die Übernahme von Verantwortung. Im Akt der Pflege und Fürsorge für unsere Umgebung können wir dies erlernen und verwirklichen“, so Birgit Severin.
Der Gedanke dahinter: Das Polieren des Bodens poliert auch Herz und Geist, tut gut und zeugt gleichzeitig von der Übernahme von Verantwortung für meine Umwelt. Der zumeist unbeliebte Akt des Putzens wird durch zwei Effekte aufgewertet: Putzen bedeutet Verantwortung für den Zustand des mich Umgebenden zu übernehmen und dient dazu, mich selbst achtsam zu zentrieren und neu zu besinnen. Und weil Achtsamkeit in der Auswahl der Putz-Utensilien anfängt, wollte Severin hochwertige Produkte verwenden. „Weil wir die Borsten nicht kleben oder einschießen, sondern von Hand einziehen, sind unsere Produkte widerstandsfähiger“, sagt Arbeitsgruppenleiter Steffen Heinz. (pm)