Magnum Band spielt magnum Konzert
SCHWALMSTADT. Vermutlich weiß Gastgeber Thorsten Laabs (die Schwalm rockt) selbst nicht mehr, wie viele seiner geplanten Konzerte er wie oft verschieben musste in den letzten zwei Jahren. Auch ihn als Veranstalter hat Corona an die Grenzen gebracht. Vorgestern Abend aber war es so weit, das erste Live-Konzert – im größeren Rahmen – in Schwalmstadt „unter Dach“, konnte wieder stattfinden.
Und zum Restart gleich ein ganz besonderes Stück Metal-Musikgeschichte: Mit Magnum kam eine weltweit bekannte Band aus Birmingham ins Herz der Schwalm. Schon seit 1972 ist die Band ein Begriff, hat in der Besetzung Genre-untypische Konstanz bewiesen. Zumindest sind mit Sänger Bob Catley und Gitarrist Tony Clarkin noch zwei Gründungsmitglieder dabei, die sich seit nunmehr 50 Jahren nicht voneinander getrennt haben, auch nicht, als die Bands selbst eine Pause eingelegt hat.
Anders und Geheimnisvoll
Magnum sind auffallend anders, haben in den Anfängen ganz große Metal-Bands, wie Judas Priest supportet und waren stets ein Gegengewicht zu den Glamrock Bands ihrer Zeit. Das heißt, ihr Publikum hatte stets einen höheren Altersdurchschnitt als Sweet oder Slade. Magnum verstanden es stets Geschichten und Geheimnisvolles zu erzählen oder alltägliches in Metaphern zu verpacken. Die Plattencover sahen oft aus wie die Umschläge von Fantasy-Romanen oder -Filmen.
Aus einem unbekannten Grund klingt es auch so, und Magnum machen noch vieles mehr anders. Der Sound ist weitaus Keyboard-lastiger als in der „Branche“ üblich und trotzdem manchmal eisenhart. Sie mögen Sergej Prokofjew, zumindest beginnen Konzerte fast immer mit der Melodie der russischen Troika. Im Jahr 2022 beginnen die Tour-Konzerte mit „Days Of No Trust“ und schließen mit „Sacred Hour“. In Ziegenhain war Vigilante der letzte Titel des Hauptsets. Der Refrain war Programm: „es gibt kein Verstecken, kein Weglaufen, kein Laufen auf Eis…“ Ich
Von wegen Torbogen der Tränen oder Schaukelstuhl…
Wirklich nicht! Magnum spielten druckvoll, präsent und in der vergleichsweise kleinen Kulturhalle sind Musiker und Publikum sowieso stets auf Tuchfühlung. Kein Bühnengraben, keine Distanz und mit ein paar Hundert Leuten ist die Halle voll – also kein „Entkommen“. Nach dem Warmspielen und als die Fotografen die Kameras ausschalten mussten, „The Archway of Tears“: „eine lange Zeit warten, eine lange Zeit, die vergangen ist.“ Ein Lied über die Erkenntnis, dass man im Leben nirgendwo ankommen kann.
Das scheint die Band auch nicht zu erwarten. Bob Catley steht mit seinen 72 Jahren auf der Bühne, als gäbe es weder ein Gestern noch ein Morgen, nicht unbedingt unbekümmert aber doch ohne den Eindruck zu erwecken, irgendwann einmal irgendwo nach Planerfüllung in Rente zu gehen. Möglicherweise lässt sich bei einigen Bewegungen so etwas wie Arthrose erahnen, aber wenn er in „Rocking Chair“ singt, dass er aus dem Gefängnis ausbrechen und ins Nichts gehen möchte und einen Schaukelstuhl weder will noch braucht, dann ahnt man das der Weg das Ziel ist. Damit könnten Magnum ganze Fan-Generationen überleben, die inzwischen doch lieber Barclay James Harvest hören und neue hinzugewinnen…
Zwischen Reality und Fantasy
Für mich eines der besten Stücke des Abends war „Les morts dansant“ und das nicht nur, weil wir in einer Zeit der „tanzenden Toten“ leben und es wenige 100 Kilometer entfernt tatsächlich Nächte gibt, in denen Kanonen dröhnen und die Nacht erleuchten. „Was für eine Nacht, um in den Himmel gerufen zu werden“. Vielleicht half der Inhalt, dieses Lied, an diesem Abend, besonders authentisch zu spielen.
In der Zugabe dann „On A Storytellers Night“. Besser gehts kaum. Ein kalter Mond, eine Supernova, kühle Winde an der Hintertür, knisternde Feuer auf feuchtem Boden, Schritte in der Nacht, Feuer des Drachen, Wind und Regen, sieben Türme, sieben Schwestern und Gott beschützt die schlafenden Kinder. Wir verlieren das Zeitgefühl. Lass das Nachtlicht brennen, ich werde wieder bei dir sein…“ Das Album „On A Storytellers Night“ gilt gemeinhin zu Recht als das Referenzalbum für alle Magnum-Veröffentlichungen. Und es war ein Abend der erzählten und noch nicht erzählten Geschichten, der mit der „Sacred Hour“ endgültig zu Ende ging: „wenn es echt ist, mag ich das Gefühl, wenn ich falsch liege, wen täusche ich? Zufrieden, obwohl ich hier sein soll, bin ich in der realen Welt verloren (…) in dieser ‚Heiligen Stunde‘…“
SSB hatten Auswärtsspiel
Im Publikum waren auffallend wenige Schwälmer und auffallend wenige in der Magnum Altersgruppe. Der Generationswechsel hat also begonnen. Die Autokennzeichen reichten bis weit nach Nordrhein-Westfalen und in andere Bundesländer. Die Magnum Fan-Community ist zugleich eine Fern-Community. Man reist auch quer durch Deutschland. Daher hatte die Steven Stealer Band für das Warm Up in eigener Halle ein Auswärtsspiel und schaffte es mit – wie immer – beeindruckenden Cover-Versionen von Led Zeppelin, Deep Purple und anderen Klassikern, auch die Magnum-Fans dazu zu bringen, Zugabe zu rufen.
Als nächstes Ray Wilson (Ex-Genesis) und Chris Norman
Am 9. September 2022 holt Thorsten Laabs Ray Wilson mit Genesis Classics nach Willingshausen in die Antreffhalle und einen Tag (10. September 20200) später Chris Norman und Band an den gleichen Ort. (Rainer Sander)