Livestream, Bebauungsplan und Nahverkehr
BAUNATAL. Zum zweiten Mal trafen sich die Stadtverordneten von Baunatal nach dem Beschluss einer zweigeteilten Tagesordnung. Tatsächlich verkürzt die Aufteilung in eine Tagesordnung A (für Tagesordnungspunkte, in denen Einigkeit herrscht) und eine Tagesordnung B (in der leidenschaftlich debattiert werden soll) die Diskussionen. Nach 1:20 Stunden waren alle Beschlüsse gefasst.
Nächster Schritt für den Livestream
Die Baunataler Stadtverordneten haben bereits im Januar die Übertragung ihrer Sitzungen im Livestream beschlossen. Vor der Umsetzung stehen rechtliche und organisatorische Prüfungen genauer gesagt Entscheidungen an. Eine davon ist die Verankerung in der Hauptsatzung der Stadt Baunatal, denn dort ist – wie im nahezu allen Kommunen – geregelt, dass Film- und Tonaufnahmen in Sitzungen städtischen Gremien nicht erlaubt sind. Die Neufassung der Hauptsatzung der Stadt Baunatal erlaubt nach dem Beschluss von Montagabend, dass Film- und Tonaufnahmen durch Mitarbeitende der Stadt Baunatal zur Veröffentlichung im Internet zukünftig zulässig sind.
Zugleich wurde festgelegt, dass eine technische Panne bei der Übertragung nicht gleichzeitig zum Abbruch der Stadtverordnetenversammlung führt. Bürgermeisterin Manuela Strube hatte im Vorfeld auch die Frage geklärt, was passiert, wenn beim Livestreaming jemand nicht gefilmt werden möchte. Die Antwort Städte- und Gemeindebundes erklärt dazu, dass Sitzungen grundsätzlich öffentlich sind und auch in anderen Parlamenten – auf Bundes- und Landesebene – werden Abgeordnete gefilmt. In einem öffentlichen Amt müssen sie das ertragen.
Zwei gegen den Rest
Frieden herrscht nicht in allen Punkten: noch einmal führte der Bebauungsplan Nr. 109 „Bahnhofstraße“ im Stadtteil Großenritte zu heftigen Diskussionen mit der Déjà Vu-Charakter. Im Plan geht es um einen Neubau im Rahmen der Nachverdichtung: „Zur innerstädtischen Ergänzungsbebauung sollen an der Bahnhofstraße im Stadtteil Großenritte vier zweigeschossige Mehrfamilienhäuser mit Satteldach entstehen. Das bestehende Gebäude, Bahnhofstr. 13, ebenfalls ein Mehrfamilienhaus, wird erhalten und in das Gesamtkonzept integriert. Bereits in vorangegangenen Beratungen über den Bebauungsplan forderten einige GRÜNEN-Stadtverordnete die nachträgliche Verschärfung der Standards. So auch diesmal.
- Lothar Rost (B90/GRÜNE) kündigte zu Beginn der Diskussion an, man werde innerhalb der GRÜNEN-Fraktion unterschiedlich abstimmen. Die GRÜNEN hätten bereits zuvor eine nachträgliche Veränderung vom Standard KfW 55 auf KfW 40+ mit Solaranlagenpflicht gepocht. Das sei abgelehnt worden. Nach dem Ukraine-Krieg ist es noch wichtiger geworden, zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu gelangen.
- Dr. Reiner Oswald (FDP) ist – nach eigenen Worten – anders unterwegs als die GRÜNEN. Es gab bereits Beschlüsse und Festlegungen, die man aus Gründen der Verlässlichkeit und bereits erfolgter Zuschläge nicht nachträglich ändern könne.
- Stadtverordnetenvorsteher Rainer Heine (SPD) findet ebenfalls, dass sich ein Investor auf Beschlüsse verlassen können muss.
- In die gleiche Richtung argumentierte auch Udo Rodenberg (SPD). Verlässlichkeit ist für einen Investor wichtig. Diese hätten sich zu einer Leerverrohrung für eine spätere PV-Installation bereiterklärt. Alles müsse auch bautechnisch möglich und wirtschaftlich sein. KfW 40 sei unter diesen Gesichtspunkten schwer umzusetzen. Es ginge jetzt um dringend benötigten Wohnraum. Er bat die GRÜNEN, noch einmal neu nachzudenken.
Zwang führt zur Dankbarkeit?
- Edmund Borschel (B90/GRÜNE) versteht den Wunsch nach Glaubwürdigkeit. Es sei aber eine Zeitenwende und der Investor hätte – nach seiner Berechnung – keine Mehrkosten bei Nutzung eines Bürgerstrommodells, weil das auch Genossenschaften installieren würden. Der Investor, so seine Prophezeiung, würde in 5 Jahren dankbar sein, wenn man ihn dazu zwingt. Eine solche Entscheidung habe nichts mit Verlust von Glaubwürdigkeit zu tun.
- Sebastian Stüssel (CDU) findet es „unredlich und erstaunlich, was hier zusammengebracht wird.“ Es gehe um einen Bebauungsplan in Großenritte, nicht um die Beendigung des Ukraine-Kriegs. Es sei unredlich das zu vermischen. Wir haben nicht das Recht, den Menschen etwas vorzuschreiben und befragt, ob GRÜNE die jüngsten Baukostensteigerung nicht mitbekommen haben.
- Udo Rodenberg (SPD) hat inzwischen echte Probleme und hält die Verwendung für unangemessen.
- Erster Stadtrat Daniel Jung (SPD) berichtet, dass nicht nur Leerrohre, sondern auch Technik eingebaut wird.
Tatsächlich waren es nicht DIE GRÜNEN, die es anders wollten, denn letztlich wurde der Bebauungsplan mit überwältigender Mehrheit abgestimmt, lediglich die beiden GRÜNEN-Stadtverordneten Edmund Borschel und Lothar Rost stimmten dagegen.
Für eine gesunde Bauna
Einig waren sich die vier Baunataler Fraktionen beim Ziel, den Heimatsfluss Bauna. Mit einem gemeinsamen und einstimmig verabschiedeten Antrag beauftragten die Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP den Magistrat damit, ein Konzept zu erstellen, in welchem konkrete Schritte in Abstimmung mit den Behörden und Beteiligten aufgeführt werden, um die Abläufe im Schadensfall zu verbessern und eine schnellere und effektivere Überwachung des Gewässers zu ermöglichen. Weiterhin soll die Stadtverordnetenversammlung einmal im Jahr über den Zustand der Bauna unterrichtet werden. Hintergrund war das Fischsterben im vergangenen Jahr, das bis heute nicht geklärt werden konnte.
Für Mitfahrerbänke und neue Buslinie
Ebenfalls mit einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen SPD, CDU, Grüne und FDP stimmten die Stadtverordneten für die Einrichtung von Mitfahrbänken. Nach etwas längerer Diskussion, in der es Sebastian Stüssel (CDU) erstaunlich fand, wie weit man an einem Tagesordnungspunkt vorbeireden kann, erfolgte die Abstimmung einstimmig. Das Prinzip ist ganz einfach: Es werden Bänke aufgestellt und sobald jemand darauf sitzt, signalisiert er den Mitnahmewunsch. Ein System, das gerade die Nachbarkommune Schauenburg zusammen mit Bad Emstal eingeführt hat.
Auch Busse sollen weiterhin – und sogar noch mehr – fahren. Ein weiterer gemeinsamer (Prüf-) Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP soll klären, ob die geplante Buslinie des Nordhessischen Verkehrsverbundes (NVV) von Fuldabrück über den Stadtteil Rengershausen zum Bahnhof Baunatal-Rengershausen dort enden sollte, oder ob Bedarf sowie Finanzierungsmöglichkeiten bestehen, diese mindestens bis zur Hauptwache des Volkswagenwerkes, oder gar bis zum Bahnhof Altenbauna weiterzuführen.
Die Gemeinde Fuldabrück, so die Antragsbegründung, habe beim NVV eine neue Busverbindung aus dem Fuldatal zum Bahnhof Baunatal-Rengershausen initiiert, die auch den Stadtteil Rengershausen anbinden soll. Eine Weiterführung zum Volkswagenwerk böte eine gute ÖPNV-Alternative für die Pendler aus Fuldabrück und eine zusätzliche Umsteigemöglichkeit Bus/Bahn am Bahnhof Rengershausen. Eine Weiterführung bis zum Bahnhof Altenbauna böte eine weitere erhebliche Verbesserung in der Vernetzung mit dem ÖPNV-Angebot, hier insbesondere die Umsteigemöglichkeit in die Straßenbahnlinien 2 und 5.
Flüchtlinge kommen in Baunatal an
Zum Abschluss berichtete Bürgermeisterin Manuela Strube über Aktuelles aus dem Rathaus. 150 Geflüchtete aus der Ukraine sind bereits in Baunatal angekommen und müssen versorgt werden. Der Verein Gertrudenstift hat den Insolvenzantrag 5 Stunden vor Fristablauf zurückgerufen. Lediglich die „Junge Pflege“ bleibt in der Insolvenz. Vor 5 Wochen habe sie bereits immer wieder mitgeteilt, dass 5 Investoren für eine Übernahme aller Arbeitsbereiche bereitgestanden haben. Die Junge Pflege war ein zukunftsinvestierendes Projekt. Ein Termin mit dem Vorsitzenden Armin Raatz und Akaplesion steht jetzt an. (Rainer Sander)