TREYSA (pm/Hephata). Mehr als sechs Tage lang waren sie auf ihrer Flucht vor dem russischen Bombenhagel mit Bus, Zug und zu Fuß unterwegs, bis sie ein sicheres Zuhause auf Zeit in Treysa erreicht haben:
23 Frauen und Kinder aus der Ukraine hat die Jugendhilfe der Hephata Diakonie auf ihrem Gelände in Schwalmstadt aufgenommen. Auch auf dem Hofgut Richerode laufen Vorbereitungen für die Aufnahme von Geflüchteten.
Neun Frauen, 14 Kinder und ein Hund leben seit vergangener Woche in einem Haus der Hephata-Jugendhilfe, das vormals von einer Jugendwohngruppe genutzt wurde und zuletzt leer stand. In nur vier Tagen haben fünf Mitarbeitende der Jugendhilfe Hephatas die Unterkunft auf Vordermann gebracht, erklärt Markus Kink, Regionalleiter der Jugendhilfe Mitte. Die Zuweisung ist dabei über den Schwalm-Eder-Kreis gelaufen. „Die ersten Geflüchteten sind am Donnerstag gekommen“, erklärt Kink. In dem Haus hat jede Familie ihr eigenes Zimmer, inklusive Bad. „Wir sprechen dabei immer von einer Mutter mit ihren Kindern, ihre Männer haben sie in der Ukraine zurückgelassen“, sagt Kink.
Die Verpflegung sowie die finanzielle Ausstattung hat die Hephata Diakonie zunächst selbst in die Hand genommen. Lebensmittel werden beispielsweise von den Mitarbeitenden aus dem SB-Laden Hephatas angeliefert. Die Frauen und Kinder haben den Haushalt schnell selbst übernommen: „Es packen alle mit an – egal, ob jung oder alt“, sagt Markus Kink. Das Engagement aller Beteiligten sowohl bei den Geflüchteten als auch bei ihren Gastgebern begeistert ebenso Lothar Eberhardt, Geschäftsbereichsleiter der Hephata-Jugendhilfe. „Der hohe persönliche Einsatz der durch die Coronapandemie und einen hohen Krankenstand ohnehin besonders geforderten Mitarbeitenden ist wirklich beeindruckend, dafür bin ich sehr dankbar.“ Neben Unterkunft und Verpflegung bräuchten die Menschen auch eine pädagogische Begleitung, deren Finanzierung noch mit dem Schwalm-Eder-Kreis vereinbart werden müsse. „Dabei setzen wir darauf, dass auch der Landkreis diesen Unterstützungsbedarf erkennt, damit die Integration der Frauen und ihrer Kinder gelingen kann“, so Eberhardt.
Momentan würden die Mitarbeitenden Hephatas Formalitäten klären. Dazu gehören insbesondere die Anmeldungen der Kinder für Grund- und weiterführende Schulen. Ein Kind mit Trisomie 21 wird die Hermann-Schuchard-Schule Hephatas besuchen, sagt Kink. Sprachbarrieren lassen sich bislang gut überwinden: „Wir haben das Glück, dass einige unserer Mitarbeitenden die russische Sprache beherrschen, die auch der Großteil der Geflüchteten spricht“, sagt Kink. Spätestens nach den Osterferien soll allen Kindern der Schulbesuch ermöglicht werden. So auch für Oleg und Egor, die mit ihrer Mutter Elena aus Charkiw geflüchtet sind, wie auch der Großteil der anderen Geflüchteten. Einige haben die Hoffnung, zurückkehren zu können – die Wohnungen anderer Familien sind hingegen durch Bomben zerstört worden. Sie hoffen, auch für eine längere Zeit in Deutschland bleiben zu können.
„Wir sind sehr dankbar dafür, wie wir hier empfangen wurden“, sagt Elena. Sie halte Kontakt mit weiteren Geflüchteten, die sie in einer Sammelunterkunft kennengelernt hat. „Wir sind begeistert, mit welcher Herzlichkeit Deutschland uns aufgenommen hat – und insbesondere hier in Schwalmstadt und in diesem Haus ist es sehr herzlich“, sagt sie – auch im Namen der gesamten Gruppe, die momentan wie eine große Familie zusammenlebt.
Notunterkunft auf dem Hofgut Richerode
Auch die Mitarbeitenden und Beschäftigten auf dem Hofgut Richerode an der B3 zwischen Gilserberg und Jesberg bereiten mit dem Herrenhaus ein aktuell weitgehend ungenutztes Gebäude als Herberge für Geflüchtete aus der Ukraine vor. Die Einrichtung ist Teil des Hephata-Geschäftsbereichs Soziale Rehabilitation, auf dem Hofgut leben und arbeiten Menschen mit seelischen und geistigen Behinderungen. „Wann genau wir Geflüchtete aufnehmen werden, steht noch nicht fest. Aber angesichts der steigenden Zahlen von Geflüchteten aus dem Krieg gehen wir davon aus, dass die Zimmer im Herrenhaus bald gebraucht werden. Der Schwalm-Eder-Kreis koordiniert die Verteilung und ist über unsere räumlichen Möglichkeiten informiert“, erklärt Alex Damm, zuständiger Regionalleiter im Geschäftsbereich Soziale Rehabilitation.
Insgesamt zehn Zimmer stehen in Richerode zur Verfügung. Mitarbeitende und Klient*innen in Richerode haben Erfahrungen mit internationalen Gästen: Im Herrenhaus haben bereits Geflüchtete aus Syrien gelebt, zuletzt wohnte dort ein Internationaler Freiwilligendienstleistender aus Uganda.
Ebenfalls bereits Erfahrungen mit Hilfen für Geflüchtete hat der Zentralbereich Wirtschaft und Versorgung innerhalb Hephatas. Dessen Großküche hatte seinerzeit die Verpflegung für Geflüchtete in der Notunterkunft im China-Park in Ziegenhain übernommen. Aktuell kümmert sich Küchenleiter Andreas Reckziegel mit seinem Team und mit Unterstützung des Hephata-Fuhrparks um die Mittagsverpflegung der Menschen in der Notunterkunft des Schwalm-Eder-Kreises in der Gemeinde Willingshausen. „Wir bekochen die Menschen täglich mit einem warmen Mittagessen, wobei immer auch ein vegetarisches Menü angeboten wird“, berichtet Reckziegel.
Ob und wenn ja, wie konkret sich die Hephata Diakonie mit weiteren Unterstützungsangeboten für Geflüchtete aus der Ukraine einbringen kann – dazu steht der Hephata-Vorstand im Kontakt mit der Kreisspitze aus Landrat und Erstem Kreisbeigeordneten. „Die Bereitschaft und die Motivation, geflüchteten Menschen aus dem Kriegsgebiet helfen zu wollen, ist an ganz vielen Stellen innerhalb Hephatas spürbar“, berichtet Hephata-Vorstandssprecher Maik Dietrich-Gibhardt. Das erfülle ihn mit großer Dankbarkeit. „Jedes Hilfeangebot ist auch ein Hoffnungsschimmer in Zeiten eines Krieges in Europa, der uns alle tief bewegt.“ (Hephata/pm)