Die Leere des Weltalls bis zum Merkur
BAUNATAL. Hinter Baunatal kommt 80.000 Kilometer nichts. Der Blick in den Himmel scheint eins zu offenbaren: um uns herum, ist jede Menge los. Milliarden Himmelskörper – erfassbar sind 70 Trilliarden –, also Sterne, Planeten, Monde, Asteroiden sind am nächtlichen Sternenhimmel sichtbar. Nicht nur Star-Treck-Fans wissen: mit ordentlich Geschwindigkeit, fliegen die Sterne nur so vorbei…
Tatsächlich, so der Professor für Theoretische Atom- und Molekülphysik, Dr. Burkhard Fricke an der Universität Kassel, ist das Weltall ausgesprochen leer. Auch bei einer Reise mit Lichtgeschwindigkeit käme man oft jahrelang an keinem Himmelskörper vorbei. Das Weltall ist mächtig einsam…
25 Jahre nach der Sonne
Wie leer es da draußen in der Unendlichkeit tatsächlich ist, soll der Planetenwanderweg verdeutlichen. Tatsächlich könnte man inzwischen 25 Jahre Planeten-Wanderweg Kassel feiern. So lange ist es her, seit Professor Dr. Ludolf von Mackensen von der Universität Kassel, ehemaliger Leiter des astronomisch-physikalischen Kabinett der Museumslandschaft Hessen Kassel (mhk) die Idee dazu hatte und zur Umsetzung schritt, indem er unter anderem das zentrale Gestirn des Planetensystems, die Sonne, selbst mit 2,8 Metern Durchmesser an die Orangerie malte.
Maßstabsgerecht zur Größe der gemalten Sonne sind – in fast gerader Linie – um die Orangerie herum die Planeten verteilt. Das heißt, die Größe zueinander und der Abstand voneinander entspricht maßstabsgerecht dem tatsächlichen Sonnensystem. Klingt banal, braucht aber jede Menge Platz, obwohl der Merkur nur erbsengroß ist. Nach nunmehr 25 Jahren wurde endlich der Platz für den Neptun gefunden, dem äußersten Planeten unseres Sonnensystems. 9,08 Kilometer von der Sonne in der Karlsaue entfernt. Dazwischen liegen die sieben anderen Planeten, auch die Erde.
Nur vier Planeten in der Karlsaue und Uranus in Oberzwehren
Nur die ersten vier – Merkur (50 Meter), Venus, Erde und Mars – befinden sich in Sichtweite der Sonne und noch vor dem Aueteich. Jupiter schwirrt schon in der Nähe des Auestadions und Saturn umkreist das Messegelände in der Giesenallee. Ab dort wird‘s richtig einsam für die Planeten. Uranus findet man erst in Oberzwehren, 5,8 Kilometer von der Sonne entfernt und 3,28 Kilometer vor Neptun. Allesamt in einer Größe von wenigen Zentimetern, bei Uranus und Neptun sind es etwa 10.
Das heißt, den nächsten Planeten zu treffen, erfordert eine gewisse Zielsicherheit. Hinter Merkur kommen ein paar kleinere Objekte und dann wird‘s richtig dünn. Wollte man, erklärt Professor Dr. Thomas Giesen, Institutsleiter für Experimentalphysik, zum nächsten Stern fliegen, müsste man im gleichen Maßstab (!) des Planetenwanderweges 80.000 Kilometer zurücklegen.
Vier Stunden mit Lichtgeschwindigkeit und dann viele Jahre Nichts
Das Wissenschaftler-Team wollte bei der Enthüllung der Neptun-Tafel am Sportplatz in Baunatal-Guntershausen, in Nähe der Fulda-Brücke, verdeutlichen, dass Entfernungen oft nur in Zeiträumen erfassbar sind. Das Licht braucht bis zum Neptun vier Stunden. In der Zeit könnte man ihn auch zu Fuß auf dem Planetenwanderweg erreichen. Dazwischen ist viel Nichts. Im Maßstab zum echten Sonnensystem könnte eine Schnecke die Strecke zehnmal schneller zurücklegen.
Der „neue Planet“ benötigt übrigens knapp 165 Jahre, um unsere gemeinsame Sonne zu umkreisen. 2011 war er wieder dort zu sehen, wo er 1846 entdeckt wurde. Auf dem echten Neptun ist es ziemlich frisch. Bei etwa 200 Grad minus reicht auch eine gefütterte Jacke kaum aus.
Ein Lamm sorgt für Heiterkeit
Die Wissenschaftler der Universität hatten den Standort bereits vor ein paar Jahren berechnet, festgestellt dass es nur Baunatal sein kann und daraufhin die damalige Bürgermeisterin Silke Engler gefragt. Sie hat sofort zugesagt und jetzt durfte ihre Nachfolgerin, Manuela Strube zusammen mit dem Professoren-Team die einzige Sternen-Tafel außerhalb des Kasseler Stadtgebietes lüften. Sie ist in den Werkstätten der Universität entstanden, sieht richtig hübsch aus und ist informativ.
Zahlreiche Gäste waren der Einladung zur Einweihung gefolgt und ein Guntershäuser Lämmchen drängte sich als Taufpate quasi von selbst auf und sorgte für Heiterkeit. Das göttliche Symboltier war von der neuesten Baunataler Errungenschaft sichtlich anget ich an. Das dürften zukünftige Besucher auch sein, wenn sie sich anhand des Maßstabs tatsächlich die Leere und die Unendlichkeit des Weltalls vorstellen. Major Tom lässt grüßen. An Baunatal führt tatsächlich kein Weg vorbei, aber hinter Baunatal kommt sehr lange nichts mehr. Man müsste ein Fünftel der Strecke zum Mond zurücklegen. Was für eine Symbolik… (rs)
1 Kommentar
Ich gratuliere zur Komplettierung des Planetenwanderweges. In Bad Nauheim dauerte es von der ersten Notiz bis zur Realisierung 15 Jahre. Der weltweit wohl erste Planetenwanderweg in Hagen brauchte noch etwas länger. Aber dafür ist Deutschland Weltmeister, was die Gesamtanzahl an Planetenwanderwegen betrifft.
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